OGH 11Os169/88

OGH11Os169/8818.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.April 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Ofner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Werner K*** wegen des Vergehens nach dem § 1 Abs 1 lit a, c und e PornG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 11.Oktober 1988. GZ 2 c Vr 43/87-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten Werner K*** und des Verteidigers Mag. Dr. Jerabek zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (insbes. Schuldspruch nach dem § 1 Abs 1 lit a und c PornG sowie Verfallsausspruch gemäß dem § 3 Abs 1 PornG) unberührt bleibt, in seinem Werner K*** freisprechenden Teil, soweit er nicht die Videokassetten I 24, 25, und 27 sowie III, VFL Nr. 1017 des Urteilssatzes betrifft, sowie im Strafausspruch und in der Abweisung des Verfalls- und Einziehungsantrages (mit der die vorangeführten Videokassetten betreffenden Einschränkung) aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an die erste Instanz zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 18.Februar 1951 geborene Kaufmann Werner K*** des Vergehens nach dem § 1 Abs 1 lit a und c PornG schuldig erkannt. Gemäß dem § 3 PornG wurde der Verfall der den Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Videokassetten ausgesprochen. Dem Inhalt des Schuldspruchs nach hat der Angeklagte von ca. Ende 1986 bis 18.März 1987 in Wien und Schwechat in gewinnsüchtiger Absicht in drei Videotheken insgesamt acht unzüchtige Videokassetten zum Zweck der Verbreitung vorrätig gehalten, anderen angeboten und teilweise überlassen. Hingegen wurde der Angeklagte von der weiteren, weit umfangreicheren Anklage, im gleichen Zeitraum in Wien und Schwechat in insgesamt sechs Videotheken (I/ bis VI/) mehr als 250 unzüchtige Videokassetten zum Zweck der Verbreitung vorrätig gehalten, anderen angeboten und teilweise überlassen sowie (V/1/b/, c/) in Druckwerken (Videohüllen und Steckkarten) bekanntgegeben zu haben, wie, von wem oder durch wen unzüchtige Gegenstände erworben oder ausgeliehen oder wo solche Gegenstände besichtigt werden können, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Der diesbezügliche Verfalls- und Einziehungsantrag der Staatsanwaltschaft wurde abgewiesen. Nach den tatsächlichen Urteilsfeststellungen enthielten die den Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Kassetten sexualbezogene Darstellungen von Gewalt und wurden daher als absolut unzüchtig beurteilt. Hingegen betrafen jene Kassetten, bezüglich derer mit Freispruch vorgegangen wurde, zwar Darstellungen gleichgeschlechtlicher weiblicher und teilweise auch männlicher Unzucht. Das Erstgericht maß ihnen aber ungeachtet der Feststellung, daß es sich auch insoweit um die jedes darüber hinausgehenden Gedankeninhaltes entkleidete Wiedergabe solcher sexueller Betätigung handelt (US 11), keinen absolute Unzüchtigkeit begründenden Störwert zu, sodaß in Abkehr von der bisherigen Judikatur insofern die Tatbestandsmäßigkeit verneint und mit Freispruch vorgegangen wurde. Die Anklagebehörde bekämpft diesen Freispruch mit Ausnahme der im Urteil unter I/ angeführten Postzahlen 24, 25, 27 und der unter III/ angeführten VFL Nr. 1017 sowie die aus dem bekämpften Teil des Freispruchs folgende Abweisung des Verfalls- bzw. Einziehungsantrages mit einer auf die Z 9 lit a und 11 gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Angeklagte macht gegen den Schuldspruch die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO geltend.

Rechtliche Beurteilung

I./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

In seiner Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) bekämpft der Beschwerdeführer die Abweisung seines schriftlich gestellten (ON 24) und in der Hauptverhandlung wiederholten (S 409) Beweisantrages auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Meinungsforschung zum Beweis ua dafür, daß bildliche Darstellungen leichte Formen von Gewalt andeutender Szenen mit der Anschauung eines zeitverbundenen, soziologisch und gesellschaftlich aufgeschlossenen Durchschnittsmenschen ohne weiteres vereinbar seien. Der Schöffensenat wies diesen Antrag mit der Begründung ab, daß die Beurteilung der Unzüchtigkeit eine Rechtsfrage sei (S 409). Diese Ansicht trifft zu. Die Lösung von Rechtsfragen kann grundsätzlich nicht auf Sachverständige überwälzt werden, sondern ist Aufgabe des erkennenden Gerichtes. Bei der hier aktuellen, die Abgrenzung der sogenannten "absoluten" von der bloß "relativen" Unzüchtigkeit betreffenden Auslegung des normativen Tatbestandsmerkmales "unzüchtig" im § 1 PornG handelt es sich um eine solche Rechtsfrage, deren Lösung ausschließlich dem erkennenden Gericht obliegt (EvBl 1971/69 uva, zuletzt 11 Os 76/88). Ein Nichtigkeit begründender Verfahrensfehler liegt daher nicht vor (siehe 12 Os 168/86 uva).

Die Mängelrüge wendet sich zunächst gegen die Urteilsfeststellung (US 11), sämtliche Videokassetten enthielten in ununterbrochener Aneinanderreihung sexuelle Betätigungen. Da von jeder Kassette nur ein kurzer Abschnitt abgespielt worden sei (vgl. dazu die stattgebende Erledigung des Protokollberichtigungsantrages S 1 g), finde diese Feststellung im Beweisverfahren keine Begründung. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Urteil mit der Wendung "in ununterbrochener Aneinanderreihung" überhaupt auf den gesamten Film Bezug nahm, denn es ist jedenfalls nicht entscheidend, ob dieser Streifen ausschließlich oder auch nur überwiegend unzüchtige Darstellungen enthielt; für die rechtliche Beurteilung als unzüchtig genügt vielmehr das Aufscheinen einer einzigen sinnentleerten und bloß der abstoßenden Darstellung verpönter sexueller Betätigung dienenden Szene (vgl. für Druckwerke Leukauf-Steininger, Nebengesetze2, ENr. 38 zu § 1 PornG).

Der behauptete Nichtigkeitsgrund liegt somit nicht vor, weil sich die bekämpfte Feststellung nicht auf entscheidende Tatsachen bezieht. Daß die vorgeführten Szenen für den Film atypisch seien und daher eine Besichtigung in toto erforderlich machten, brachte der Beschwerdeführer im übrigen im erstinstanzlichen Verfahren nicht vor. Ebensowenig wurde ein entsprechender Beweisantrag gestellt. Soweit der Beschwerdeführer in der Mängelrüge die Feststellung sexueller Gewalttätigkeit (US 11 ff) bekämpft, ist seinem Vorbringen entgegenzuhalten, daß Gewalt zwar in vielen Tatbeständen Mittel zur Brechung eines dem Täter entgegenstehenden Willens bildet, bestimmte Handlungen, wie Schlagen oder Fesseln, aber unabhängig von dem mit ihnen verbundenen Zweck als gewaltsam bezeichnet werden können. So zeigt insbesondere die Darstellung der Befriedigung masochistischer Neigungen durch mehr oder weniger krasse Mißhandlungen sexuelle Gewalt, mag die Gewaltanwendung - wie für den Inhalt der Videokassetten PZ 37, 48 und 83 im Rechtsmittel behauptet - auch im Einverständnis mit dem "Opfer" geschehen sein.

Die Urteilsfeststellungen sind daher insgesamt mängelfrei und eine ausreichende Grundlage für den Schuldspruch.

Mit dem Vorbringen in der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die dargestellten Szenen sexueller Gewalttätigkeit seien so harmlos, daß sie nicht als unerträglich bezeichnet werden könnten, entfernt sich der Beschwerdeführer in unzulässiger Weise von der Urteilsfeststellung, daß es sich um die Wiedergabe verschiedener Formen sexueller Gewalttätigkeit in exzessiv aufdringlicher und abstoßender Weise handelt (US 11, 16). Die Meinung des Beschwerdeführers, es sei nicht einzusehen, warum die immer abzulehnende Darstellung von Gewalt nur dort verfolgt werde, wo sie mit sexuellen Aktivitäten verbunden ist, zeigt keinen Mangel der Rechtsanwendung auf, sondern zielt auf im Strafverfahren nicht zu erörternde Veränderungen der Rechtslage.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

II./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Nach den Entscheidungen zweier verstärkter Senate des Obersten

Gerichtshofes (EvBl 1977/186 = RZ 1977/95 = LSK 1977/254, 255;

SSt. 51/51 = EvBl 1981/52 = RZ 1981/20 = LSK 1981/32) sind ua (anreisserisch verzerrte, von Zusammenhängen mit anderen Lebensäußerungen gelöste, auf sich selbst reduzierte) gleichgeschlechtliche Unzuchtsakte - für die das die Mißbilligung der Gesellschaft ausdrückende Werbungsverbot des § 220 StGB besteht - absolut unzüchtig (sogenannte harte Pornographie). Dabei ist für die Verwirklichung des Tatbestandes nach dem § 1 Abs 1 lit a bis e PornG selbst eine Massenbeeinflussung oder auch nur eine propagandistische Wirkung nach herrschender Auffassung nicht notwendig (vgl. weiter die bei Leukauf-Steininger, Nebengesetze2, unter Nr. 37 zu § 1 PornG zitierten Entscheidungen, ferner 11 Os 99/83 uva, jüngst 11 Os 76/88). Von dieser ständigen Judikatur abzugehen, sieht sich der Oberste Gerichtshof hier nicht veranlaßt. Ausgehend von seiner verfehlten Rechtsauffassung, daß die Darstellung gleichgeschlechtlicher Unzucht von vornherein nicht sogenannter harter Pornographie zuzuordnen sei, unterließ es aber das Erstgericht, für eine abschließende rechtliche Beurteilung ausreichende Feststellungen nicht nur zur subjektiven Tatseite, sondern auch über den Inhalt der den Gegenstand des Freispruchs bildenden Videokassetten bzw. Kassettenhüllen und Steckkarten zu treffen. Insbesondere fehlt eine eindeutige Aussage, der zufolge die sexualbezogenen Darstellungen als exzessiv aufdringlich und abstoßend qualifiziert werden können, wie dies für die Formen sexueller Gewalttätigkeit wiedergebenden Objekte ausdrücklich konstatiert wurde (siehe Urteil S 11).

Demnach war das Urteil im Umfang der Anfechtung durch die Staatsanwaltschaft aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen. Für das erneuerte Verfahren wird auf die Übergangsbestimmung des Art. X Abs 3 JGG 1988 und auf die bindende Kraft der in diesem Erkenntnis dargelegten Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes (§ 293 Abs 2 StPO) hingewiesen.

Mit ihren durch die Aufhebung des Strafausspruches gegenstandslos gewordenen Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte