OGH 11Os160/10d

OGH11Os160/10d20.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Koller als Schriftführer, in der Strafsache gegen Valon R***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 25. August 2010, GZ 14 Hv 67/10x-107, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen (wegen Strafe) werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Valon R***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 4. September 2009 in Klagenfurt im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei unbekannt gebliebenen Mittätern (§ 12 StGB) Bettina K***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen, nämlich Vaginal- und Analverkehr genötigt, indem sie an den Armen festgehalten und durch die Übermacht dreier Täter in das Bett gedrückt wurde, wodurch ein Entkommen unmöglich war.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO stützt. Sie schlägt fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider erfolgte die Abweisung der in der Hauptverhandlung am 28. Juli 2010 (ON 100 S 25) erhobenen und in jener am 25. August 2010 aufrechterhaltenen (ON 106 S 6) Anträge zu Recht.

Die begehrte „Einholung eines medizinischen Gutachtens zur Ermittlung des Alkoholgehalts der Zeugin Bettina K***** unter Berücksichtigung der vorhandenen Angaben ungefähr zum Tatzeitpunkt“ ließ schon ein eindeutiges, für die Klärung entscheidender Tatsachen erhebliches Beweisthema nicht erkennen (RIS-Justiz RS0116503; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327).

Die „Durchführung eines Lokalaugenscheins unter gleichzeitiger Beiziehung der Zeugin Bettina K***** zum Beweis dafür, dass es den beiden Zeugen Arsim I***** und Faton M***** bei geschlossener Tür nicht möglich gewesen sein kann, Wahrnehmungen über sexuelle Betätigungen der Zeugin auf einer Couch bzw auf einem Bett zu machen“, wurde gleichfalls ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgelehnt, weil nach der Begründung des Zwischenerkenntnisses „die Beobachtung durch eine geschlossene Tür denklogisch unmöglich ist und keines Ortsaugenscheines bedarf, vice versa im Fall der geöffneten Tür eine Sicht gegeben ist“ (ON 106 S 6 f). Der unter Beweis zu stellende Umstand war demnach offenkundig (US 19) und im Hinblick auf die im Antragszeitpunkt vorgelegenen Beweisergebnisse auch nicht geeignet, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung erheblich zu beeinflussen.

Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe für die Antragstellung sind prozessual verspätet, weil die Berechtigung eines Antrags stets auf den Zeitpunkt seiner Erhebung bezogen zu prüfen und daher jedes vom Antragsvorbringen abweichende oder dieses ergänzende Vorbringen unzulässig ist (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

In der Mängelrüge (Z 5 erster Fall) behauptet der Beschwerdeführer undeutliche Feststellungen zur „Ruhephase“ der Bettina K***** (US 6), legt aber nicht dar, aus welchem Grund deren (vor den Tathandlungen gelegene) exakte Dauer entscheidungswesentlich sein sollte. Das Erstgericht hat demgegenüber unmissverständlich konstatiert, dass das (alkoholisierte) Opfer nach dieser - zeitlich nicht eingrenzbaren, allenfalls auch nur kurzen - Schlafphase (US 6 und 14) bei intakter Wahrnehmung sogleich realisierte, von drei Männern „ausgegriffen“ zu werden, wogegen sie sich zur Wehr setzte (US 6). Solcherart wendet sich die Beschwerde im Kern gegen die vom Schöffengericht vorgenommene Beurteilung der Aussageehrlichkeit der Zeugin und übersieht, dass der von den Tatrichtern den Verfahrensergebnissen zuerkannte Beweiswert, mithin auch die einem Zeugen zugebilligte Glaubwürdigkeit einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist.

Soweit der Angeklagte weiters auf nicht näher bezeichnete Widersprüche in den Angaben dieser Zeugin hinweist und einwendet, der Sachverständige habe „nicht ausgeschlossen, dass die Zeugin im Gespräch Gesagtes als real erlebt übernommen haben könnte“, zeigt er keine Unvollständigkeit auf, weil das Schöffengericht sowohl das Aussageverhalten der Zeugin (US 13) als auch die Expertise des Dr. Max N***** (ON 78) einer eingehenden Würdigung unterzogen hat (US 14). Vielmehr erschöpft sich die Beschwerdekritik bloß in einer - im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen - Anfechtung der Beweiswürdigung nach Art der nur im Verfahren vor dem Einzelrichter vorgesehenen Berufung wegen Schuld.

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde (einleitend) auch auf § 281 Abs 1 Z „3, 8, 9a, b, c, 10 und 11“ StPO Bezug nimmt, unterlässt sie - mangels jeglichen Vorbringens hiezu - die gebotene Anführung jener Tatumstände, die den Nichtigkeitsgrund bilden sollen (§ 285a Z 2 StPO) und entzieht sich, weil auch bei der Anmeldung (ON 110) derlei Gründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet wurden, einer inhaltlichen Erwiderung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - ebenso wie die gleichzeitig ausgeführte, im Verfahren zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile aber unzulässige (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen Schuld - gemäß § 285d Abs 1 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO bleibt anzumerken, dass die Festellungen des Urteils für eine rechtsrichtige Beurteilung des dem Schuldspruch zugrundeliegenden Sachverhalts nach § 201 Abs 1 StGB auch in subjektiver Hinsicht ausreichen, weil dem Urteil deutlich zu entnehmen ist, dass die im bewussten und gewollten Zusammenwirken agierenden Täter das Opfer zielgerichtet mittels körperlicher Übermacht und Festhalten an den Schultern vaginal, anal und oral penentrierten, wobei insbesondere der Angeklagte ungeachtet der unzweifelhaften Wahrnehmung der Abwehrversuche der Bettina K***** den Geschlechtsakt fortsetzte (US 6, 7 und 20). Solcherart wird der Vorsatz des Angeklagten, einen erwarteten oder begonnenen Widerstand des Opfers gegen die Vornahme oder Duldung des Beischlafs bzw dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen zu überwinden, ausreichend zum Ausdruck gebracht.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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