Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert L***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I), des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 StGB (II), des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (III) und des Verbrechens der Schändung nach § 205 Abs 1 und Abs 2 StGB (IV) schuldig erkannt.
Darnach hat er in Wien
I. am 15. August 1992 eine unmündige Person, nämlich die am 18. Juli 1982 geborene Nicole M*****, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er ihren Geschlechtsteil abtastete und leckte;
II. dadurch, daß er in Gegenwart der am 18. Juli 1982 geborenen Nicole M*****, somit vor einer unmündigen Person, onanierte, eine Handlung unternommen, die geeignet war, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen;
III. durch die unter I. genannten Tathandlungen unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person, diese zur Unzucht mißbraucht und
IV. zwischen Frühjahr und Herbst 1991 eine Person weiblichen Geschlechts, die wegen Schwachsinns unfähig ist, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht, indem er mit der behinderten Gabriele E*****mehrfach Geschlechtsverkehr, Mund- und Analverkehr durchführte.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Z 3, 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der schon aus dem erstgenannten Grund Berechtigung zukommt.
Der Beschwerdeführer rügt nämlich zu Recht, daß die Zeuginnen Sylvia und Nicole M*****entgegen der zwingenden Vorschrift des § 152 StPO ungeachtet ihrer Angehörigeneigenschaft (§ 72 Abs 2 StGB) über ihr Entschlagungsrecht nicht belehrt wurden. Die Zeugin Theresia M***** schließlich, die zwar gemäß § 152 StPO über ihr Entschlagungsrecht als Lebensgefährtin des Angeklagten belehrt worden war, hat nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles den vom Gesetz (§ 152 Abs 5 StPO) verlangten ausdrücklichen Verzicht auf ihr Entschlagungsrecht ebenfalls nicht erklärt.
In Ansehung der von diesem Formfehler betroffenen Fakten I. bis III. ist das angefochtene Urteil daher mit dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO behaftet. Diese Nichtigkeit macht eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich. Angesichts der komplexen Beweissituation und des engen Zusammenhanges sämtlicher Schuldspruchfakten war jedoch das angefochtene Urteil in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Gänze aufzuheben (§ 289 StPO).
Schon aus diesem Grund mußte auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht mehr eingegangen werden.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)