OGH 11Os141/11m

OGH11Os141/11m17.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sommer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Rudolf C***** wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 28. Juli 2011, GZ 13 Hv 16/11g-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen - unzulässigen (vgl Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1 f) - Teilfreispruch enthält, wurde Rudolf C***** des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 5. März 2011 in Amstetten „Tiberiu M*****, der vor dem von Rudolf C***** gelenkten PKW Marke Volvo mit dem behördlichen Kennzeichen ***** stand, um diesen aufzuhalten, dadurch, dass er auf Tiberiu M***** mit dem PKW Marke Volvo zufuhr, sohin mit Gewalt, zu einer Handlung, nämlich dazu genötigt, zur Seite zu weichen.“

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 5, 9 lit a, 10a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Diese verfehlt ihr Ziel.

Als Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) rügt die Beschwerde, das Erstgericht habe „erhebliche Widersprüche in den Angaben des Belastungszeugen Tiberiu M*****“ mit Stillschweigen übergangen. Die Frage, ob der Zeuge den Angeklagten zuvor angesprochen habe und dieser erst danach ins Auto gestiegen sei (ON 3 S 33) oder ob sich der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits im Fahrzeug befunden habe (ON 17 S 12), betrifft indes keine entscheidende Tatsache (zum Begriff Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399), sodass das diesbezügliche Vorbringen ins Leere gehen muss.

Die Konstatierung, wonach der Zeuge M***** sich vor den PKW Volvo gestellt habe und zur Seite weichen musste, blieb - der Kritik zuwider - nicht unbegründet (Z 5 vierter Fall), sondern wurde - logisch und empirisch einwandfrei - auf die Aussage eben jenes Zeugen gestützt (US 9; siehe ON 3 S 33; ON 17 S 12). Dass es „durchaus nachvollziehbar und lebensnah“ und „sogar weitaus wahrscheinlicher“ sei, dass der Zeuge neben dem PKW stand, bringt bloß eine in diesem Zusammenhang unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter zum Ausdruck, ohne einen formalen Begründungsmangel aufzeigen zu können. Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird ebenfalls kein Nichtigkeitsgrund angesprochen (RIS-Justiz RS0102162).

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen ist auch die Ableitung der subjektiven Tatseite aus der objektiven Vorgehensweise begründungstauglich und methodisch nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0116882).

Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt. Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat daher das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Mit beweiswürdigenden Erwägungen zur Frage, wo der Zeuge M***** gestanden sei, und der Behauptung, aus dem durchgeführten Beweisverfahren ließe sich nicht auf ein vorsätzliches Zufahren des Angeklagten mit dem PKW auf den Zeugen schließen (Z 9 lit a; der Sache nach auch Z 5), werden diese Kriterien nicht erfüllt, sondern es wird damit neuerlich bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld kritisiert. Aus welchem Grund das Zufahren auf eine Person in der Art und Weise, wodurch diese gezwungen wird, zur Seite zu weichen, nicht den Gewaltbegriff des § 105 Abs 1 StGB erfüllen soll (US 6), legt die Rüge nicht dar. Diese Konsequenz wird vom Beschwerdeführer bloß behauptet, nicht aber auf methodisch vertretbare Weise aus dem Gesetz abgeleitet (vgl im Übrigen Schwaighofer in WK2 § 105 Rz 18).

Die Diversionsrüge (Z 10a) verfehlt den gesetzlichen Bezugspunkt, wenn sie eine geringe Schuld des Angeklagten postuliert (vgl hiezu aber die Erwägungen der Tatrichter zur Tatbegehung innerhalb einer Probezeit und zwei Tage nach einer weiteren Verurteilung), die spezialpräventiven Bedenken des Erstgerichts aber vernachlässigt und nicht darlegt, weshalb diese im konkreten Fall die Ablehnung der Diversion nicht zu Tragen vermögen (RIS-Justiz RS0119091, RS0117211).

Entgegen dem Vorbringen zur Sanktionsrüge (Z 11) wurde nicht die vorangegangene Aburteilung durch das Landesgericht Krems als erschwerend herangezogen, sondern der rasche Rückfall nach dieser Verurteilung. Ein solcher kann aber auch dann als erschwerend gewertet werden, wenn er nicht auf einer gleichen schädlichen Neigung beruht (siehe hiezu 15 Os 50/09f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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