OGH 11Os140/96

OGH11Os140/961.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Oktober 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Scholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hans Werner S***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 4.Juni 1996, GZ 19 Vr 464/96-18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugemittelt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch sowie eine unangefochten gebliebene Verurteilung des Christian B***** enthält, wurde Hans Werner St***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 zweiter, dritter und vierter Fall SGG, teilweise als Bestimmungs- bzw Beitragstäter nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB (A 1-3) und des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (B I) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Vorarlberg

(zu A) "den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge ein-/ausgeführt und in Verkehr gesetzt bzw zur Ein-/Ausfuhr bestimmt oder beigetragen, und zwar

1 a) zu dem von Jürgen L***** am 3.Dezember 1995 begangenen Schmuggel von 30 Gramm Cocain von Spanien nach Deutschland beigetragen, indem er Ende November 1995 telefonisch 50 Gramm Cocain bei L***** bestellte, ihm 4.000 S selbst nach Spanien überwies und Christian B***** zur Überweisung weiterer 25.000 S an L***** veranlaßte,

b) Christian B***** zu dem von diesem am 3.Dezember 1995 begangenen Schmuggel der zu 1 a genannten 30 Gramm Cocain von Deutschland nach Österreich bestimmt, indem er ihn kurz zuvor anwies, den Suchtgiftlieferanten L***** am Flughafen München abzuholen und das gelieferte Suchtgift von Deutschland nach Österreich zu bringen,

c) die zuvor genannte Cocainmenge zur Gänze durch Verkauf an Manfred Sch***** in Verkehr gesetzt;

2 a) zu dem von Jürgen L***** Mitte Dezember 1995 begangenen Schmuggel von 40 Gramm Cocain von Spanien in die Schweiz beigetragen, indem er am 5.Dezember 1995 in Höchst die zweite Schmuggelfahrt mit Jürgen L***** besprach und ihm zur Vorfinanzierung 30.000 bis 35.000 S übergab,

b) Mitte Dezember 1995 die zu 2 a genannten 40 Gramm Cocain selbst aus der Schweiz nach Österreich geschmuggelt und

c) die zuvor genannte Suchtgiftmenge in Verkehr gesetzt, indem er in der Wohnung L*****s in Höchst diesem zunächst 20 Gramm Cocain abzweigen ließ, vom Rest 5 Gramm Cocain an Manfred Sch***** verkaufte und die verbliebenen 15 Gramm zu einem späteren Zeitpunkt wiederum L***** zur Verfügung stellte;

3 a) zu dem von Jürgen L***** im Jänner 1996 begangenen Schmuggel von 60 Gramm Heroin von Spanien in die Schweiz beigetragen, indem er ihm 80.000 S übergab und weitere 5.000 S überwies,

b) die zu 3 a genannten 60 Gramm Cocain selbst aus der Schweiz nach Österreich geschmuggelt und

c) die zuvor genannte Cocainmenge in Verkehr gesetzt, indem er L***** die Hälfte abzweigen ließ und Manfred Sch***** insgesamt 25 Gramm sowie Andreas T***** 5 Gramm Cocain verkaufsweise übergab";

(zu B I) im Jänner 1996 außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Cannabisharz, konsumiert.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen den Schuldspruch wegen des bezeichneten Verbrechens richtet sich die (allein) auf die Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Zu Unrecht behauptet er eine Aktenwidrigkeit hinsichtlich der vom Erstgericht angenommenen Suchtgiftmengen, wonach sich die Mengenangaben des Erstangeklagten vollkommen mit den Angaben des Manfred Leo Sch***** decken würden (US 17). Denn die diesbezügliche Urteilsbegründung stützt sich ausdrücklich auf die Angaben des Manfred Leo Sch***** anläßlich dessen Einvernahmen vom 7.März (164) und 16.März 1996 (166), und nicht auf die in der Mängelrüge herangezogene Einvernahme vor der Kriminalabteilung vom 9.Februar 1996 (87, 89). Damit vermag die Beschwerde aber nicht darzutun, inwieweit in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt wurde, was deren Inhalt nicht bildet oder inwieweit der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig wiedergegeben worden ist. Der unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels nur einen formalen Vergleich gestattende Nichtigkeitsgrund einer Aktenwidrigkeit wird jedenfalls nicht zur Darstellung gebracht, wenn - wie hier - behauptet wird, daß zwischen den vom Gericht getroffenen Tatsachenfeststellungen und den diesen zugrunde gelegten Beweisergebnissen ein Widerspruch bestehe. Die Richtigkeit der auf richterlicher Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) beruhenden Schlüsse kann unter dem Gesichtspunkt einer Aktenwidrigkeit jedenfalls nicht angefochten werden (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 191). Im übrigen haben die Tatrichter die Urteilsannahmen zu den tatverfangenen Cocainmengen nicht nur auf die Angaben des Manfred Leo Sch***** anläßlich dessen Einvernahme als Beschuldigter in seinem eigenen Verfahren (164, 166), sondern auch auf die bezüglichen Aussagen des Angeklagten und die Angaben des Christian B***** vor dem Untersuchungsrichter gestützt, weshalb sich die Beschwerdebehauptung, die Feststellung der tatgegenständlichen Cocainmenge sei lediglich mit dem Hinweis begründet worden, die Mengenangaben des Angeklagten würden sich "vollkommen" mit denjenigen des Manfred Leo Sch***** decken, auch unter diesem Aspekt als unzutreffend erweist.

Dem in der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung erhobenen Einwand, die Tatrichter hätten eine Auseinandersetzung mit den Angaben des Zeugen Insp.H***** insoweit unterlassen, als anläßlich der Einvernahme des Angeklagten vor der Sicherheitsbehörde Mengenvergleiche durch mit Staubzucker gefüllte Säckchen gemacht worden seien, die keine tauglichen Rückschlüsse auf die tatsächlich abgefüllten Suchtgiftmengen zuließen, ist zu erwidern, daß es gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht erforderlich ist, im Urteil zu allen Vorbringen und Aussagen Stellung zu nehmen und alle Umstände einer Erörterung zu unterziehen, die durch das Beweisverfahren hervorgekommen sind. Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof in den Entscheidungsgründen in gedrängter Form die entscheidenden (also für die Schuld oder anzuwendenden Strafsatz maßgebenden) Tatsachen bezeichnet, die er als erwiesen annimmt, und die - mit den Denkgesetzen im Einklang stehenden - Gründe anführt, die zu seiner Überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahme geführt haben (Mayerhofer/Rieder aaO E 5 f, 142). Diesen Erfordernissen hat das Schöffengericht entsprochen, wobei es sich bei der Feststellung der Cocainmenge ohnedies nicht nur auf die Angaben des Angeklagten, sondern auch - wie bereits dargelegt - auf diejenigen des Zeugen Sch***** und des Mitangeklagten B***** gestützt hat.

Daß aber aus den vom Erstgericht ermittelten Prämissen - wie vom Beschwerdeführer behauptet - auch andere als die von den Tatrichtern abgeleiteten, für den Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen möglich gewesen wären und das Gericht sich dennoch für die dem Angeklagten ungünstigeren entschieden hat, ist ein Akt richterlicher Beweiswürdigung, der einen Begründungsmangel nicht zu bewirken vermag (Mayerhofer/Rieder aaO § 258 E 21, 22, 24).

Auch der unter dem Aspekt einer offenbar unzureichenden Begründung gegen den mit 30 % bzw 10 % festgestellten Reingehalt des Suchtgiftes erhobene Einwand, es liege kein objektives Beweismittel, wie etwa die Beschlagnahme von bestimmten gewogenen Mengen, vor, wendet sich in Wahrheit gegen die ausdrückliche Urteilsbegründung, wonach der Reingehalt des Suchtgiftes aus den diesbezüglichen Angaben des cocainerfahrenen Suchtgiftabnehmers Sch***** erschlossen wurde (US 18). Diese auf freier Beweiswürdigung der Erkenntnisrichter beruhende, mit den Denkgesetzen im Einklang stehenden Erwägungen wurden vom Schöffengericht mit dem Hinweis auf die als überzeugend gewertete Aussage des Zeugen untermauert (US 13 und 18), wobei das Erstgericht auch hier seiner Begründungspflicht im Sinn des § 270 Abs 2 Z 5 StPO hinlänglich nachgekommen ist. Mit dem Versuch, die Richtigkeit der Schlußfolgerungen aus den Zeugenaussagen und der darauf beruhenden Feststellung eines Reingehaltes von 30 % bzw 10 % in Zweifel zu ziehen, bekämpft der Beschwerdeführer lediglich auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Weise die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung.

Mit dem Vorbringen schließlich, es mangle an tragfähigen Darlegungen zur subjektiven Tatseite "über die Eignung der Weitergabe des Suchtgiftes in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen", geht die Beschwerde an der ausdrücklichen Konstatierung des Erstgerichtes vorbei (US 15), wonach der Angeklagte nicht allein mit dem Wissen und Willen handelte, Suchtgift den bestehenden Vorschriften zuwider auf die geschilderte Art und Weise zu manipulieren, sondern darüber hinaus es auch ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, durch die wiederholte Tatbegehung auf Dauer in bezug auf eine Cocainmenge zu handeln, deren Weitergabe geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen. Mit der Behauptung, die Interpretation der Aussage, "L***** habe den Angeklagten zu Folgegeschäften überredet", widerspreche einerseits der Annahme eines Gesamtvorsatzes, zum anderen derjenigen, daß die Angeklagten hinsichtlich der Suchtgiftgeschäfte "völlige Dilettanten" gewesen seien, versucht die Beschwerde wiederum darzulegen, daß aus den vom Erstgericht ermittelten Prämissen auch andere als die von den Tatrichtern abgeleiteten - für den Angeklagten günstigeren - Schlußfolgerungen möglich gewesen wären; damit wird neuerlich unzulässigerweise die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz nach Art einer Schuldberufung bekämpft.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird demzufolge der hiefür zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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