OGH 11Os131/04

OGH11Os131/0411.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Jänner 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kain als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Seda A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Seda A*****, Temour A***** und Knarik A***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. Juni 2004, GZ 034 Hv 72/04m-120, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Teilfreisprüche und einen Ausspruch nach § 263 StPO enthält, wurden Seda A*****, Temour A***** und Knarik A***** des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (I), die Erst- und der Zweitangeklagte auch des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II), der Zweitangeklagte überdies des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (III) schuldig erkannt.

Danach haben die drei Angeklagten, soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden relevant, in einverständlichem Zusammenwirken als Beteiligte (§ 12 StGB) von 13. November 2001 bis 27. April 2002 in Wien

(I) mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung und der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrugstaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in zahlreichen im Urteil detailliert bezeichneten Fällen Angestellte verschiedener im Urteil genannter Vertragsunternehmen der E***** Austria durch Täuschung über Tatsachen unter Verwendung falscher Urkunden zur Ausfolgung von Waren und zur Erbringung von Dienstleistungen verleitet, wodurch die Kreditkartengesellschaft um 52.168,13 Euro am Vermögen geschädigt wurde, indem sie insgesamt vier - im Urteil näher bezeichnete, auf Vache B*****, Aza B***** und Azaduhi B***** lautende - entfremdete Kreditkarten untereinander aufteilten und vereinbarungsgemäß jeweils einer der drei Angeklagten eine Kreditkarte Angestellten des jeweiligen Vertragsunternehmens vorlegte und den Kreditkartenbeleg mit der nachgeahmten Unterschrift des Karteninhabers unterzeichnete, (II) insgesamt acht Urkunden, nämlich im Urteil näher genannte Kreditkarten (drei davon lautend auf Vache B*****, zwei lautend auf Jadranka P*****, jeweils eine lautend auf Aza B*****, Azaduhi B***** sowie Trude Sch*****), über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt zu verhindern, dass sie von den Berechtigten im Rechtsverkehr zum Beweis einer rechtserheblichen Tatsache gebraucht werden.

Gegen diese Schuldsprüche richten sich die gemeinsam ausgeführten, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten; sie schlagen fehl.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrügen (Z 4) behaupten eine Verletzung der Verteidigungsrechte durch die Abweisung des Beweisantrags auf Vernehmung der Zeugen Mike Av*****, Vache B***** und Azaduhi B*****. Diese Zeugen wurden vom Verteidiger in der Hauptverhandlung - soweit beschwerderelevant - zum Beweis dafür beantragt, dass die Kreditkarten mit Zustimmung von Vache B***** und dessen Gattin durch Mike Av***** der Erstangeklagten übergeben worden seien, dass das Ehepaar B***** Bestellungen bei der Erstangeklagten getätigt hätte (S 363f/III). Das Schöffengericht wies den Antrag mit der sinngemäßen Begründung ab, dass der unter Beweis zu stellende Sachverhalt „unbestritten und deshalb unbeachtlich für das Urteil" sei. Den Beschwerden ist zwar dahin beizupflichten, dass ein Einverständnis der Kreditkartenberechtigten die Tatbildmäßigkeit nach § 229 Abs 1 StGB ausschließen würde. In Hinblick darauf, dass das Schöffengericht jedoch die Erst- und den Zweitangeklagten nur wegen eines Vergehens nach § 229 Abs 1 StGB verurteilt (US 7) und die Mehrzahl der Kreditkarten auch nicht als erschwerend gewertet hat (US 27 f), der Tatbestand aber allein bereits durch die nicht in Frage gestellte Unterdrückung der Kreditkarten der Jadranka P***** und der Trude Sch***** verwirklicht worden ist, sind die Angeklagten nicht beschwert (vgl Ratz WK-StPO § 282 Rz 15f).

Soweit die Verfahrensrügen bei Durchführung der Anträge überdies einen Wegfall der Qualifikation nach § 148 zweiter Fall StGB anstreben, kann ihnen - abgesehen davon, dass ein in diese Richtung zielendes relevantes Vorbringen dem Beweisantrag nicht zu entnehmen war - auch schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil die Angeklagten nach den soweit unstrittigen Sachverhaltsannahmen einen Teil der mit den Kreditkarten lukrierten Waren und Dienstleistungen jedenfalls jeweils für sich selbst verwendet haben (vgl Ratz in WK2 § 29 Rz 6).

Schließlich ist der erfolgte Privatbeteiligtenzuspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht bekämpfbar.

Den Mängelrügen (Z 5) zuwider haben die Tatrichter die „Bestätigung des Vache B***** vom 28. 4. 2002" nicht mit Stillschweigen übergangen, sondern der Sache nach - wie auch die anderen von der Verteidigung vorgelegten Urkunden - im Urteil berücksichtigt (US 20:

„Erklärungen von Personen, die selbst mit den amerikanischen Gerichten wegen dieser Kreditkarten in Schwierigkeiten gekommen sind").

Eines näheren Eingehens auf Details des - grundsätzlich gewürdigten (US 22 f) - Schriftsachverständigengutachten bedurfte es nicht, zumal das Erstgericht - der Beschwerde zuwider - nicht davon ausgegangen ist, dass alle drei Angeklagten unmittelbare Täter aller Taten waren (vgl US 14 f; s auch zu Z 10). Die vom Sachverständigen keinem der Angeklagten zugeordneten Einkäufe waren weder Gegenstand der Anklage, noch des Urteils, sondern es wurde das Verfahren deswegen gemäß § 109 Abs 1 StPO eingestellt (S 1l, 1m verso).

Einer Erörterung der Frage, ob Mike Av***** Flugzeugpilot sei, bedurfte es mangels Relevanz für die Beurteilung der subjektiven Tatseite der Angeklagten nicht. Mit den Ausführungen zur Glaubwürdigkeit der Angeklagten wird kein Begründungsmangel geltend gemacht, sondern nur die Beweiswürdigung bekämpft.

Die Feststellungen, dass die Angeklagten die betrügerische Verwendung der Kreditkarten zu dritt im Familienkreis festlegten, blieben nicht unbegründet. Vielmehr haben sich die Tatrichter hiebei in denkmöglicher Weise auf die wechselnden Verantwortungen der Angeklagten und die objektive Vorgangsweise gestützt (US 21 f), ohne den Umstand, dass bei den einzelnen Tathandlungen jeweils nur zwei Angeklagte oder ein Angeklagter unmittelbar tätig waren, außer Acht zu lassen (US 14).

Mit den Verantwortungen der Erstangeklagten und des Zweitangeklagten betreffend die Kreditkarten der Jadranka P***** und der Trude Sch***** hat sich das Schöffengericht hinreichend auseinandergesetzt (US 23 f).

Die - nur die Schuldsprüche wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB betreffenden - Rechtsrügen (Z 9 lit a) der Erstangeklagten und des Zweitangeklagten schlagen mangels Beschwer fehl, wozu auf die Ausführungen zu Z 4 verwiesen wird.

Die Subsumtionsrügen (Z 10) bestreiten mit der Behauptung, der Zweitangeklagte habe nicht gewerbsmäßig gehandelt, die gegenteiligen Urteilsfeststellungen US 16 und nehmen daher nicht den gebotenen Vergleich zwischen dem vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt und dem Gesetz vor. Mit der - der ständigen Rechtsprechung (vgl Jerabek in WK2 § 70 Rz 10) ohne inhaltliche Argumentation entgegentretenden - bloßen Rechtsbehauptung, Taxifahrten und Restaurantbesuche des Zweitangeklagten könnten keine Einnahmen iSd § 70 StGB darstellen, verfehlen die Beschwerden ebenfalls eine prozessordnungskonforme Ausführung. Der weiteren Behauptung, dem Zweitangeklagten könnte Gewerbsmäßigkeit nicht auch in Hinblick auf die von der Erst- und Drittangeklagten durchgeführten Einkäufe zur Last gelegt werden, ist nicht zu entnehmen, warum es für die rechtliche Beurteilung von Bedeutung sein soll, bei wie vielen von mehreren Betrugshandlungen der Täter mit gewerbsmäßiger Absicht gehandelt hat (vgl Ratz in WK2 § 29 Rz 6).

Soweit die Beschwerden behaupten, der Erstangeklagten könne Gewerbsmäßigkeit nicht angelastet werden, weil sie die Waren an Dritte weitergegeben habe, gehen sie erneut nicht von den Konstatierungen des Ersturteils aus, denen zufolge die Angeklagten nur einen Teil der Waren an Dritte nach Amerika übermittelt, einen weiteren Teil aber - mit dem Vorsatz, sich (jeweils selbst) unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich (jeweils selbst) durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen - jeweils selbst verwendet bzw konsumiert haben (US 15 f).

Letztlich argumentieren die Subsumtionsrügen auch dahin nicht auf Basis der tatsächlichen Feststellungen des Schöffengerichts, als sie - unter Zugrundelegung der von den drei Angeklagten unterschriebenen Kreditkartenbelege - für alle Beschwerdeführer einen jeweils 40.000 Euro nicht übersteigenden Schaden behaupten. Dabei missachten sie aber die Urteilsfeststellungen US 13, wonach die Angeklagten die Kreditkarten in wechselnder Verwendung unter sich aufteilten und zu dritt im Familienkreis deren betrügerische Verwendung festlegten (US 13), wobei die pauschale Annahme unmittelbarer Täterschaft (anstelle teilweiser Beitragstäterschaft) infolge rechtlicher Gleichwertigkeit aller drei Täterschaftsformen des § 12 StGB keiner Korrektur bedarf (vgl Fabrizy in WK2 § 12 Rz 16).

Zu einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO bestand kein Anlass. Kreditkarten fallen zwar unter den seit 1. Mai 2004 in § 74 Abs 1 Z 10 StGB verankerten Begriff der unbaren Zahlungsmittel und sind daher Tatobjekt des neu geschaffenen § 241e StGB. Die Strafbestimmung des § 241e Abs 3 StGB enthält die gleiche Strafdrohung wie § 229 Abs 1 StGB. Sie ist daher gemäß §§ 1 und 61 StGB auch auf eine vor dem 1. Mai 2004 begangene Unterdrückung einer Bankomatkarte anzuwenden. Zu § 241e Abs 3 StGB steht § 229 Abs 1 StGB im Verhältnis stillschweigender Subsidiarität (vgl 15 Os 114/04). Die vorgenommene Subsumtion wirkte sich nicht zum Nachteil der Angeklagten aus, weshalb der Schuldspruch auch in diesem Punkt nicht zu berichtigen war.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung basiert auf § 390a StPO.

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