OGH 11Os126/93

OGH11Os126/9321.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Hager, Dr. Schindler und Dr. Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wimmer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erika D***** und andere wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Erika D***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 20. November 1992, GZ 12 Vr 4/92-112, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erika D***** des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 1 StGB (I), des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs 1 und Abs 2, erster Fall, StGB (II), des Verbrechens der betrügerischen Krida nach dem § 156 Abs 1 StGB (III) und des Vergehens der versuchten Begünstigung eines Gläubigers nach den §§ 15, 158 Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt.

Darnach hat sie

I. in der Zeit von Oktober 1982 bis zum dritten Quartal 1987 in W***** und G***** als geschäftsführende Gesellschafterin der Firma D*****gesellschaft mbH, welches Unternehmen Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens, insbesondere durch Gewährung von Privatkrediten aus dem Betriebsvermögen an sich selbst und an Ferdinand D***** jun. sowie durch überhöhte Privatentnahmen herbeigeführt,

II. als Geschäftsführerin der Firma D*****gesellschaft mbH in der Zeit vom 9. April 1987 bis Ende Jänner 1988 dadurch, daß sie ihr von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskassa überwiesene Urlaubsentgelte in der Höhe von 67.037 S nicht an die berechtigten Arbeitnehmer ausbezahlte sowie Urlaubsentgelte für angemeldete, jedoch später von Arbeitnehmern nicht verbrauchte Urlaubstage in der Höhe von 20.822 S nicht gemäß dem § 8 Abs 5 BArbUG nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer an die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskassa zurückzahlte und den daraus resultierenden Gesamtbetrag von 87.859 S zur Bedienung von Privatkrediten und Firmenaufwendungen verwendete, ein ihr anvertrautes Gut, dessen Wert 25.000 S übersteigt, sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder den Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern,

III. in G***** einen Bestandteil des Vermögens der Firma D***** *****gesellschaft mbH verheimlicht, beiseitegeschafft oder sonst deren Vermögen wirklich verringert und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger geschmälert, und zwar am 23. Februar 1985 durch Überlassen einer Zugmaschine der Marke Mercedes an Ferdinand ***** jun., wobei eine Gegenleistung in das Vermögen der Firma D**********gesellschaft mbH keinen Eingang fand und der Schaden 253.283 S betrug,

IV. im Februar 1988 in Wien nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Firma D***** *****gesellschaft mbH einen Gläubiger zu begünstigen und dadurch andere Gläubiger zu benachteiligen versucht, indem sie einen LKW der Marke Steyr 1290 mit Aufbaukran Palfinger und einen Anhänger der Marke Scheuerle im Wert von 16.170 S den Eheleuten Helene und Josef G***** an Zahlungs Statt für Provisionszahlungen anbot, wobei die Tatvollendung infolge Weigerung der Eheleute G***** unterblieb.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, der in keinem Punkt Berechtigung zukommt.

Zum Schuldspruch wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 1 StGB (I):

Inhaltlich des eingangs wiedergegebenen Schuldspruchs wird der Beschwerdeführerin als Vergehen der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 1 StGB angelastet, als geschäftsführende Gesellschafterin der Firma D*****gesellschaft mbH (in der Folge kurz: D*****), die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, die im dritten Quartal des Jahres 1987 eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig durch die Gewährung von Privatkrediten aus dem Betriebsvermögen an sich und ihren Sohn sowie durch überhöhte Privatentnahmen herbeigeführt zu haben. Die Tatsache des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit, aber auch jene überhöhter Privatentnahmen in der Größenordnung von mehr als 4,7 Millionen Schilling (zwischen den Jahren 1983 bis 1987 - vgl. US 10) blieb von der Angeklagten Erika D***** an sich unbestritten (Band IV, 119 f, insbes. 123). Der Sache nach liegt somit zu diesem Urteilsfaktum im wesentlichen eine geständige Verantwortung vor. Jenen Teilen der Verantwortung der Angeklagten, die nach Auffassung der Beschwerde mit Stillschweigen übergangen wurden, wonach sie nämlich einen Teil ihres Geschäftsführergehaltes nicht entnommen habe, ihr persönlich Mieteinnahmen zugeflossen seien und ihr Sohn Ferdinand D***** für die Firma D*****Arbeiten erbracht habe, für die er entlohnt wurde, kommt bei Beurteilung des Vergehenstatbestandes nach dem § 159 Abs 1 Z 1 StGB deswegen keine rechtliche Bedeutung zu, weil alle diese Umstände an dem der Beschwerdeführerin insoweit zur Last liegenden Fahrlässigkeitsvorwurf (in bezug auf die Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit der GesmbH) nichts zu ändern vermögen; diese Abschnitte der Verantwortung der Angeklagten betreffen keine entscheidungswesentlichen Tatsachen, sodaß die Unterlassung einer näheren Erörterung keinen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach dem § 270 Abs 2 Z 5 StPO darstellt. Die in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin behauptete Urteilsnichtigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO haftet sohin dem angefochtenen Urteil nicht an. Entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge berücksichtigte das Schöffengericht beim Schuldspruch der Angeklagten wegen des Vergehens nach dem § 159 Abs 1 Z 1 StGB aber auch ihr Vorbringen über die von ihr persönlich übernommene Haftung für Fremdkredite (US 18 und 19). Insoweit liegt der behauptete formelle Begründungsmangel ebenfalls nicht vor. Wenn die Beschwerdeführerin schließlich die Gutachten der beiden Buchsachverständigen Dkfm. Dr. Peter Riha und Univ.Prof. Ing. Dr. Harald Stiegler als "zumindest teilweise unrichtig, mangelhaft und bruchstückhaft" kritisiert, macht sie keinen dem angefochtenen Urteil anhaftenden Begründungsmangel (Z 5) geltend.

Mit ihrem Einwand, durch die Bezahlung von Schwarzarbeitern mit nicht verbuchtem Geld könne der Tatbestand der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 1 StGB nicht verwirklicht worden sein, übersieht die Beschwerdeführerin, daß ihr laut Urteilsspruch nicht derartiges, sondern die fahrlässige Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit dieser GesmbH infolge überhöhter Privatentnahmen und Gewährung von Privatkrediten aus dem Betriebsvermögen angelastet wird.

Ob die Zahlungsunfähigkeit der Firma D***** bereits - wie das Erstgericht auf Grund des Gutachtens des Buchsachverständigen Univ.Prof. Ing. Harald Stiegler als erwiesen annahm (US 15) - im dritten Quartal des Jahres 1987 oder erst im letzten Quartal dieses Jahres eintrat, betrifft schließlich schon deswegen keinen entscheidungswesentlichen Umstand, weil der - allein nach der Z 1 des § 159 Abs 1 StGB schuldig erkannten - Beschwerdeführerin die Unterlassung einer rechtzeitigen Antragstellung auf Einleitung des Ausgleichs- oder Konkursverfahrens nicht angelastet wird.

Zum Schuldspruch wegen des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (II):

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) entbehrt einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung. Dem Schuldspruch wegen des Vergehens der Veruntreuung liegt nämlich zugrunde, daß die Angeklagte die ihr zweckgebunden, nämlich zur Begleichung des Urlaubsgeldes von vier namentlich genannten, bei der Firma D***** beschäftigen Arbeitnehmern überwiesenen Geldbeträge von insgesamt 87.859 S widmungswidrig (nämlich zur Rückzahlung von Privatkrediten oder zur Abdeckung sonstiger Firmenverbindlichkeiten) verwendet hat (US 3, 11, 20, 21 und 22), nicht aber die Nichterfüllung des daraus resultierenden Rückforderungsanspruches der Bauarbeiter-Urlaubskassa. Daher bauen alle Ausführungen der Beschwerde, die sich mit dem Problem der Tauglichkeit von Forderungen als Objekt der Veruntreuung befassen, auf anderen Prämissen als den tatsächlichen Urteilsannahmen auf. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist aber unter anderem dann nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, wenn sie sich auf eine Tatsache stützt, die im Urteil nicht festgestellt ist, oder wenn sie einen Umstand verschweigt (übergeht), den das angefochtene Urteil feststellt (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 E 26 zu § 281).

Der weitere Hinweis der Rechtsrüge, der in diesem Urteilsfaktum eingetretene Schaden betrage laut Aussage des Zeugen Mag. L*****nur 67.037 S, beruht offensichtlich auf einem Mißverständnis. Der Zeuge hatte in der Hauptverhandlung ausgesagt, daß die Bauarbeiter-Urlaubskassa inzwischen den drei (von insgesamt vier) Arbeitnehmern der Firma D***** die von der Beschwerdeführerin veruntreuten Urlaubsentgelte im Ausmaß von 67.037 S ersetzten mußte, daß aber der der Beschwerdeführerin zur Begleichung von Urlaubsansprüchen (von insgesamt vier Arbeitnehmern) überwiesene und von ihr veruntreute Betrag insgesamt 87.859 S ausmache (siehe Band IV, 101 und 104).

Zum Schuldspruch wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach dem § 156 Abs 1 StGB:

Der Beschwerdeeinwand in der Mängelrüge (Z 5), die Mutter der Angeklagten Erika D***** habe zur Finanzierung des Ankaufs der Zugmaschine der Marke Mercedes einen Betrag von 100.000 S hingegeben, betrifft keine Urteilsfeststellung und vermag demzufolge auch keinen Begründungsmangel aufzuzeigen. Die Konstatierung der Erkenntnisrichter ging vielmehr dahin, daß die Zugmaschine von der Beschwerdeführerin ihrem Sohn Ferdinand D***** jun. verkauft wurde, jedoch ein Kaufschilling (sohin auch die behauptete Zahlung durch die Mutter der Beschwerdeführerin in der Höhe von 100.000 S) der Firma D*****nicht zugekommen ist (US 12). Die Bemühungen der Beschwerde, in diesem Zusammenhang zu einer anderen als der von den Erkenntnisrichtern getroffenen Feststellung zu gelangen, stellt sich daher in Wahrheit als eine Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung, sohin auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Weise dar.

Wenn die Beschwerdeführerin einen Begründungsmangel in Ansehung des mit 253.283 S bezifferten Wertes der Zugmaschine (bezogen auf den Zeitpunkt des Verkaufs an ihren Sohn) mit der Behauptung aufzeigt, für diese Wertannahme fehle jede Beweisgrundlage, negligiert sie die für die Annahme dieses Wertes der Zugmaschine zur Tatzeit maßgeblichen Erwägungen der Tatrichter (US 23). Davon abgesehen berührt die Rüge auch in diesem Punkt keinen entscheidungswesentlichen Umstand, weil in diesem Urteilsfaktum eine Wertqualifikation nach dem § 156 Abs 2 StGB weder in Betracht kam noch Urteilsgegenstand ist.

Zum Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten Begünstigung eines Gläubigers nach den §§ 15, 158 Abs 1 StGB (IV):

Mit der Behauptung, es sei bei diesem Schuldspruch völlig unberücksichtigt geblieben, daß die Ehegatten G***** einen gerechtfertigten Provisionsanspruch hatten, dessen Begleichung von diesem Ehepaar auch gefordert worden sei, macht die Beschwerde weder einen Begründungsmangel in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO, noch einen Feststellungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) geltend. Das Erstgericht hat nämlich den zur Tatzeit bestehenden und auch tatsächlich geltend gemachten Provisionsanspruch der Eheleute G***** gegenüber der Firma D*****in der Höhe von etwa 350.000 S ausdrücklich festgestellt (US 13) und damit keineswegs übergangen. Der Einwand der Beschwerde ist aber auch rechtlich irrelevant, weil der Tatbestand des § 158 Abs 1 StGB das Bestehen einer Forderung eines Gläubigers voraussetzt, die vom Täter nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit unter Verletzung der übrigen Gläubigerinteressen bevorzugt befriedigt wird (siehe dazu Leukauf-Steininger Komm3 § 158 RN 3).

Die Argumentation der Beschwerde, der Angeklagten habe jedenfalls der vom Tatbestand des § 158 Abs 1 StGB geforderte Begünstigungsvorsatz gefehlt, es sei die zur Verwirklichung dieses Vergehenstatbestandes erforderliche innere Tatseite nicht konstatiert, läßt die ausdrückliche (gegenteilige) Urteilsfeststellung unberücksichtigt, derzufolge die Beschwerdeführerin durch Überlassung des LKWs der Marke Steyr 1290 an Zahlungs Statt zur Abgeltung der dem Ehepaar G*****zustehenden Provisionsforderungen von rund 350.000 S dieses Ehepaar begünstigen und dadurch die anderen Gläubiger der Firma D*****benachteiligen wollte (US 13 und 24). Insoweit liegt im übrigen eine einem Geständnis gleichkommende Verantwortung der Beschuldigten vor (siehe Band IV, 67) so daß die tatrichterlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite in dieser der Sache nach geständigen Verantwortung der Angeklagten Erika D*****auch inhaltlich Deckung finden. Es kann also auch in diesem Zusammenhang von einem Begründungsmangel keine Rede sein. Die Beschwerdebehauptung, die Angeklagte habe nicht mit Begünstigungsvorsatz gehandelt, ist demnach urteilsfremd, die Beschwerdedaher in diesem Punkt abermals nicht prozeßordnungsgemäß dargestellt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO) und teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO) bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben wird (§ 285 i StPO).

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