OGH 11Os123/98 (11Os124/98)

OGH11Os123/98 (11Os124/98)27.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Oktober 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Holy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard P***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 20. August 1997, GZ 13 U 80/97g-35, und den Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 15. September 1997, GZ 32 U 194/97s-7, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bierlein, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 20. August 1997, GZ 13

U 80/97g-35, mit dem Gerhard P***** auch betreffend den Zeitraum 1. November 1992 bis 31. Jänner 1993 des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt wurde, verletzt das Gesetz im § 198 Abs 1 StGB.

Dieses Urteil wird im den Tatzeitraum 1. November 1992 bis 31. Jänner 1993 umfassenden Schuldspruch und damit auch im Strafausspruch sowie im damit einhergehenden Beschluß nach § 494a StPO aufgehoben, Gerhard P***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber der mj Dagmar R***** auch in der Zeit vom 1. November 1992 bis 31. Jänner 1993 gröblich verletzt und dadurch bewirkt, daß der Unterhalt oder die Erziehung der Unterhaltsberechtigten gefährdet wurde oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet worden wäre, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Im übrigen wird die Sache zur Festsetzung der Strafe wegen des verbleibenden Schuldspruchs nach § 198 Abs 1 StGB an den Jugendgerichtshof Wien verwiesen.

2. Der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 15. September 1997, GZ 32 U 194/97s-7, mit dem gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der zu 2 d E Vr 12091/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Nachsicht abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 43 Abs 2, 49 sowie 53 Abs 1 und Abs 2 StGB.

Dieser Beschluß wird ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. November 1992, GZ 2 d E Vr 12091/92-18, wurde Gerhard P***** des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde ein Teil der Strafe von fünf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen; unter einem faßte das Gericht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO den Beschluß, vom Widerruf der zu 12 c E Vr 12/92 des Landesgerichtes Korneuburg dem Genannten gewährten bedingten Nachsicht der Strafe abzusehen und die im dortigen Verfahren bestimmte Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern. Diese Entscheidungen wurden am 27. November 1992 rechtskräftig; der Verurteilte befand sich - unter Einrechnung der am 11. Oktober 1992 begonnenen Vorhaft - bis 11. Dezember 1992 in Strafhaft (ON 22 in 2 d E Vr 12091/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien).

Mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 20. August 1997, GZ 13 U 80/97g-35, wurde Gerhard P***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er seine (im Familienrecht begründete) Unterhaltspflicht gegenüber der mj Dagmar R***** in der Zeit vom 17. Februar 1992 bis 30. April 1994, 1. Juni 1994 bis 28. Februar 1995, 1. April 1995 bis 30. Mai 1995 und 1. Juli 1995 bis 19. August 1997 gröblich verletzte (und dadurch bewirkte, daß der Unterhalt oder die Erziehung der Unterhaltsberechtigten gefährdet wurde oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet worden wäre). Der Jugendgerichtshof verhängte über Gerhard P***** eine viermonatige, gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe; zugleich faßte die Richterin gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO den Beschluß, trotz der von Gerhard P***** jeweils innerhalb der laufenden Probezeiten fortgesetzt begangenen strafbaren Handlungen vom Widerruf der zu 12 c E Vr 12/92 des Landesgerichtes Korneuburg und zu 2 d E Vr 12091/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsichten abzusehen.

Schließlich wurde Gerhard P***** mit Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 15. September 1997, 32 U 194/97s-7, wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (Tatzeitpunkt 14. Februar 1997) schuldig erkannt und hiefür zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Anläßlich dieses Urteils faßte das Gericht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO den Beschluß, vom Widerruf der zu 12 c E Vr 12/92 des Landesgerichtes Korneuburg und zu 2 d E Vr 12091/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsichten abzusehen und gemäß § 494a Abs 6 StPO die zu 2 d E Vr 12091/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien bestimmte Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern.

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, liegen zwei Gesetzesverletzungen vor:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 20. August 1997, GZ 13

U 80/97g-35, verletzt das Gesetz im § 198 Abs 1 StGB:

Während der Zeit, in der sich der Unterhaltsverpflichtete in Haft befindet, mangelt es schon am objektiven Tatbestand des § 198 Abs 1 StGB (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 198 E 27; zuletzt 11 Os 17/91). Darüber hinaus ist dem Unterhaltspflichtigen nach der Haftentlassung ein angemessener Zeitraum zur Arbeitsbeschaffung zuzubilligen (Foregger/Kodek StGB6 § 198 Anm II; Mayerhofer/Rieder aaO E 27a), innerhalb dessen eine Zahlungssäumnis des Unterhaltsschuldners gleichfalls nicht als tatbildlich iSd § 198 Abs 1 StGB anzusehen ist.

Der vor Beginn der Hauptverhandlung eingeholten Strafregisterauskunft (ON 34) ist zu entnehmen, daß der damalige Angeklagte zu 2 d E Vr 12091/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien bis 11. Dezember 1992 eine zweimonatige Freiheitsstrafe verbüßt hatte. Feststellungen, daß er während der Haft und im darauffolgenden Monat aufgrund seiner Vermögenssituation in der Lage gewesen wäre, den Unterhalt für seine minderjährige Tochter zu leisten, sind nach der Aktenlage auszuschließen (vgl das berufskundliche Sachverständigengutachten für diesen Zeitraum - ON 12: Arbeitslosenbezug erst ab 12. Jänner 1993). Im Umfang des inkriminierten Zeitraumes 1. November 1992 bis (fallbezogen wegen der Arbeitsmarktlage während der Weihnachtsfeiertage) einschließlich 31. Jänner 1993 haftet dem Urteil somit ein den Nichtigkeitsgrund nach der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO begründender Feststellungsmangel an. Eine vorwerfbare Unterhaltspflichtverletzung wird nach der Aktenlage auch in einem neuen Rechtsgang mit mängelfreier Begründung nicht getroffen werden können, sodaß nach Aufhebung des diesen Zeitraum umfassenden Schuldspruchs (und damit auch des Strafausspruchs sowie der Entscheidung nach dem § 494a StPO) insoweit mit einem Freispruch (vgl Mayerhofer StPO4 § 288 E 28) und Zurückverweisung der Strafsache an das Erstgericht zur Straffestsetzung betreffend den verbleibenden Schuldspruch nach § 198 Abs 1 StGB vorzugehen war.

2. Der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 15. September 1997, GZ 32 U 194/97s-7, mit dem gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu 2 d E Vr 12091/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien abgesehen und gemäß § 494a Abs 6 StPO die vom Landesgericht für Strafsachen Wien bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, verletzt das Gesetz in den §§ 43 Abs 2, 49 sowie 53 Abs 1 und Abs 2 StGB; wurde doch die dieser Widerrufsentscheidung zugrundeliegende strafbare Handlung erst am 14. Februar 1997 und damit - anders als bei der im Verfahren 12 c E Vr 12/92 des Landesgerichtes Korneuburg (im Hinblick auf die gemäß § 49 StGB nicht einrechenbaren Haftzeiten zu 2 d E Vr 12091/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und zu 32 U 134/96 des Bezirksgerichtes Floridsdorf) bis 15. Juni 1997 laufenden Probezeit - nach Ablauf der zu 2 d E Vr 12091/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (unter Berücksichtigung der nach Rechtskraft des Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. November 1992 in Haft verbrachten Zeit) bis 11. Dezember 1995 währenden und - soweit anhand der beigeschafften Strafakten überblickbar - auch durch weitere Haftzeiten nicht weiter verlängerten (vgl die im Verfahren 32

U 134/96 des Bezirksgerichtes Floridsdorf erlittene Vorhaft vom 10. November 1996) Probezeit begangen.

Da sich beide Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Gerhard P***** auswirken, war spruchgemäß zu erkennen.

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