OGH 11Os123/09m

OGH11Os123/09m18.8.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. August 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Roland W***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB, AZ 23 Hv 185/08a des Landesgerichts Feldkirch, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 7. Juli 2009, AZ 7 Bs 370/09h (ON 37 der Hv-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Roland W***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Roland W***** wurde mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 12. Mai 2009, AZ 23 Hv 185/08a, des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Inhaltlich des Schuldspruchs hat Roland W***** - zusammengefasst - an verschiedenen Orten in Österreich mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, andere durch Täuschung über Tatsachen, nämlich seine persönliche und wirtschaftliche Situation, die finanzielle Lage seiner Firmen und seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit zu Handlungen verleitet, die diese am Vermögen schädigten, wobei er durch die Taten einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, und zwar

I./ zwischen Jänner und August 2007 in insgesamt sechs Angriffen zahlreiche Anleger zur Einzahlung von mehreren Millionen Euro, indem er diesen ohne nachvollziehbare Anlagestrategie erhebliche Renditen und Provisionen zusagte, die mangels nachhaltigen Wirtschaftsplans nicht oder nur teilweise zur Auszahlung gelangten;

II./ im Oktober/November 2007 Mitarbeiter der A***** GmbH zur Vermittlung bzw Gewährung von Flugleistungen im Gegenwert von etwa 9.600 Euro;

III./ am 1. September 2007 Mitarbeiter der R***** GmbH zur Ausgabe von Speisen und Getränken im Gesamtwert von 1.561,90 Euro. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, die Staatsanwaltschaft Berufung angemeldet. Mit Beschluss des erkennenden Gerichts vom 12. Mai 2009 wurde über Roland W***** die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO verhängt (ON 20). Dagegen erhob der Angeklagte Beschwerde und begehrte gleichzeitig seine Enthaftung allenfalls gegen gelindere Mittel (ON 21). In der daher durchgeführten Haftverhandlung wurde die Untersuchungshaft mit Beschluss vom 4. Juni 2009 nunmehr aus den Gründen des § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a und b StPO fortgesetzt (ON 24). Auch dagegen erhob der Angeklagte Beschwerde, die er schriftlich jedoch nicht ausführte. Das Oberlandesgericht Innsbruck gab mit Beschluss vom 7. Juli 2009, AZ 7 Bs 370/09h, 386/09m (ON 37), beiden Beschwerden des Roland W***** nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den vom Erstgericht zuletzt angenommenen Haftgründen an.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete Grundrechtsbeschwerde ist teils unzulässig, im Übrigen nicht berechtigt.

Insoweit sie sich gegen die Fortsetzung der Untersuchungshaft durch das Oberlandesgericht in Bezug auf den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 4. Juni 2009 wendet, steht ihr entgegen, dass die formelle Voraussetzung der Erschöpfung des Instanzenzugs im Sinn des § 1 Abs 1 GRBG nicht erfüllt ist, weil unterlassen wurde, die nunmehr erhobenen Behauptungen bereits im Beschwerdeverfahren zu thematisieren (RIS-Justiz RS0114487).

Die rechtliche Annahme von Fluchtgefahr als eine der von § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren vom Obersten Gerichtshof nur dahin überprüft werden, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen (vgl § 174 Abs 3 Z 4 StPO; worunter das Gesetz die deutliche Bezeichnung der den Ausspruch über das Vorliegen entscheidender Tatsachen tragenden Gründe versteht) abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0118185, RS0117806).

Die vom Oberlandesgericht in seiner (allein den Bezugspunkt der Grundrechtsbeschwerde bildenden) Entscheidung ins Treffen geführten Umstände des Ausspruchs einer mehrjährigen Freiheitsstrafe im Zusammenhalt mit dem im Strafverfahren ungeklärt gebliebenen Verbleib eines Geldbetrags von 1,2 Millionen Euro sowie dem Auslandsbezug des Angeklagten lassen einen willkürfreien Schluss auf Fluchtgefahr zu. Die Beschwerde setzt dem mit dem Hinweis auf seine soziale Integration in Österreich und die Verlobung mit einer Inländerin keine wesentlichen Argumente entgegen und vermag demgemäß keine Willkür der bekämpften Prognoseentscheidung aufzuzeigen. Der Einwand einer Verletzung des Beschleunigungsgebots (§§ 9 Abs 2, 177 Abs 1 StPO), auch zum Zeitpunkt der Einbringung der Grundrechtsbeschwerde sei noch keine Ausfertigung des Urteils erfolgt, geht fehl, weil diese Tatsache zwar die Anordnung des § 270 Abs 1 StPO, nicht aber - mit Blick auf den Aktenumfang, die mehrere Fakten umfassende Anklageschrift, die Komplexität der Sache und den Umfang des (nunmehr vorliegenden) Urteils von etwa 70 Seiten - das Beschleunigungsgebot verletzt.

Der schlüssig begründeten Ablehnung der Substituierbarkeit der Untersuchungshaft durch gelindere Mittel seitens des Oberlandesgerichts stellt die Grundrechtsbeschwerde im Wesentlichen bloß den Gesetzeswortlaut des § 173 Abs 5 StPO gegenüber, sodass auch diese Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht zu beanstanden ist. Roland W***** wurde demnach im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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