OGH 11Os116/05a

OGH11Os116/05a31.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gödl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günther O***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 17. Juni 2005, GZ 24 Hv 69/05v-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, und des Verteidigers Dr. Poigner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf achtzehn Monate herabgesetzt, wovon ein Teil von zwölf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird. Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günther O***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (I des Urteilssatzes) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (II) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) am 18. September 2004 außer den Fällen des § 201 StGB Natascha K***** mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie festhielt, ihr einen Schlag auf die Wange versetzte, sie an den Brüsten und der Scheide abgriff sowie versuchte, einen Finger in ihre Scheide einzuführen; (II) durch die zu I beschriebenen Tathandlungen unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Erziehung oder Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person die am 12. Februar 1988 geborene Natascha K***** zur Unzucht missbraucht (richtig: mit ihr eine geschlechtliche Handlung vorgenommen) und

(III) am 30. Juni 2004 Dorothea K***** durch die Äußerung, er werde sie zum Krüppel schlagen, gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Nur gegen den Schuldspruch II richtet sich die aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit dem Antrag, diesen Schuldspruch auszuschalten. Zur Begründung brachte der Beschwerdeführer unter Berufung auf ältere Judikatur und auf Lehrmeinungen vor, dass das Schöffengericht rechtsirrig Idealkonkurrenz zwischen dem Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (II) und dem Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (I) angenommen habe, weil das Nötigungsmittel der Gewalt des § 202 StGB das Ausnützen des Autoritätsverhältnisses nach § 212 StGB infolge materieller Subsidiarität verdränge.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Vorbringen kommt indes Berechtigung nicht zu. Echte Konkurrenz der geschlechtlichen Nötigungsdelikte mit § 212 Abs 1 Z 2 StGB ist nach nunmehr gesicherter Rechtsprechung dann gegeben, wenn das Autoritätsverhältnis ungeachtet des Einsatzes von Gewalt oder Drohung zur Willensbeeinflussung des Opfers für das Entstehen der Tatsituation oder die Ausführung der Tat zumindest mitbestimmend war (Schick in WK² § 212 Rz 15 mwN). Denn der darin manifestierte zusätzliche Unrechtsgehalt wird durch die Ahndung der abgenötigten Missbrauchshandlung allein als Gewaltdelikt nicht vollständig erfasst.

Weil der Beschwerdeführer den Urteilsfeststellungen zufolge den Spitalsaufenthalt seiner Lebensgefährtin, der Mutter des Tatopfers, dazu ausnützte, sich zur Nachtzeit in das Bett der im gemeinsamen Haushalt lebenden Minderjährigen zu begeben, um sie wiederholt zur Duldung geschlechtlicher Handlungen zu nötigen (US 5 ff), lagen die nach der Judikatur geforderten Voraussetzungen für die Annahme der bekämpften Idealkonkurrenz vor, weshalb dem Schuldspruch II der behauptete Subsumtionsirrtum nicht anhaftet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Hingegen kann der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren gänzliche bedingte Nachsicht anstrebt, Berechtigung nicht zur Gänze abgesprochen werden. Das Schöffengericht verhängte über Günther O***** nach §§ 28, 202 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von einundzwanzig Monaten, wovon es gemäß § 43a Abs 3 StGB einen Teil von vierzehn Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Dabei wertete es das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, die Wiederholung der geschlechtlichen Handlungen und eine einschlägige Vorstrafe (wegen des Vergehens der fahrlässigen schweren Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 StGB) als erschwerend, während es das Vorliegen zu beachtender Milderungsgründe verneinte.

Mit Recht wies der Beschwerdeführer (im Gerichtstag) darauf hin, dass die als erschwerend gewertete Vorstrafe bereits getilgt ist, ihn daher bei der Strafbemessung nicht mehr belasten kann, sondern ihm vielmehr der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 2 StGB zugute zu halten ist. Die weiters ins Treffen geführte Übernahme der Beaufsichtigung des Tatopfers für die Zeiten krankheits- und therapiebedingter Abwesenheit seiner Mutter und die behauptete, nicht näher konkretisierte Unterstützung („Einkaufshilfe", „Aufpassen", „Kümmern") in den Jahren vor der verfahrensgegenständlichen Tat stellt dagegen keinen den gesetzlich angeführten Milderungsgründen gleichwertigen Umstand dar.

Die im aufgezeigten Sinn zu korrigierenden Strafbemessungsgründe rechtfertigen eine maßvolle Reduktion der Freiheitsstrafe auf achtzehn Monate, von denen gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von zwölf Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen war. Der Gewährung gänzlicher bedingter Strafnachsicht stehen Gründe der Generalprävention (iS einer erforderlichen Stärkung des Vertrauens der Allgemeinheit in einen effizienten Rechtsgüterschutz in Fällen von Sexualdelikten der vorliegenden Art) entgegen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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