OGH 11Os112/20k

OGH11Os112/20k25.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. November 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Georgi V***** wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. August 2020, GZ 44 Hv 34/19v‑49, weiters über dessen Beschwerde gegen einen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00112.20K.1125.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Georgi V***** des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (I./) sowie des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er – verkürzt wiedergegeben – am 26. Dezember 2018 in W*****

I./ versucht, Robert D***** eine schwere Körperverletzung zuzufügen, indem er mit seinem Personenkraftwagen rückwärts auf diesen zufuhr, bis er mit diesem kollidierte, sodass dieser letztlich unter dem Fahrzeug zum Liegen kam, wobei D***** lediglich leichte Verletzungen, nämlich Prellungen und Abschürfungen erlitt;

II./ versucht, D***** durch die unter Punkt I./ genannte Handlung mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich dem Verlassen der (auf der Fahrbahn befindlichen) Parklücke, zu nötigen.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die zum Schuldspruch I./ ausgeführte Mängelrüge (Z 5 dSn vierter Fall) kritisiert die Begründung der Feststellung (US 6) der auf eine schwere Körperverletzung iSd § 84 Abs 4 StGB gerichteten subjektiven Tatseite mit dem Argument, eine solche sei aus dem langsamen Zurückfahren und dem leichten Touchieren des Tatopfers nicht ableitbar. Sie übergeht (schon) prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0119370, RS0116504; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394) die weiteren zur subjektiven Tatseite angestellten Erwägungen der Tatrichter, wonach „der Angeklagte noch ca. einen halben Meter weiterfuhr, nachdem der Zeuge … am Boden lag“ (US 8) sowie aufgrund dieses fortgesetzten Fahrmanövers „mit seinem Unterkörper unter dem Fahrzeug des Angeklagten zu liegen kam“ (US 5), und „aufgrund der Schreie des Zeugen … davon auszugehen [ist], dass dies dem Angeklagten bewusst und von ihm auch gewollt war“ (US 8; vgl auch die dieser Beurteilung mängelfrei zugrundegelegten Zeugenangaben US 7).

Die Begründung der subjektiven Tatseite ist solcherart – ungeachtet des konkreten Alters des Tatopfers (US 8, geboren 1942) und dessen Erkennbarkeit für den Angeklagten – logisch und empirisch nicht zu beanstanden. Die Rechtsmittelkritik bekämpft im Ergebnis bloß unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffensenats.

Die zum Schuldspruch II./ ausgeführte, nicht am festgestellten Sachverhalt orientierte (RIS‑Justiz RS0099810; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581 und 584) Rechtsrüge (Z 9 lit b, dSn Z 10) vernachlässigt zur relevierten subjektiven Tatseite, dass der Angeklagte anlässlich seiner zum Schuldspruch I./ festgestellten Tathandlungen mit der Absicht handelte (arg: „durch das oben geschilderte Verhalten“ [US 6]), das Tatopfer mit Gewalt zum Verlassen der Parklücke zu zwingen.

Soweit der Beschwerdeführer infolge behaupteten „Selbsthilfeakts gegen die rechtswidrige Parkplatzbesetzung“ Straflosigkeit nach § 105 Abs 2 StGB einfordert (Z 9 lit b), verfehlt er gleichfalls die Ausrichtung am Verfahrensrecht, weil er die Feststellungen zum Nötigungsvorgang in ihrer Gesamtheit übergeht. Im Übrigen legt er nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet dar (RIS-Justiz RS0116565; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 588), weshalb die anlässlich der festgestellten Tathandlungen geübte keinswegs bloß maßhaltende Gewalt (vgl hiezu RIS‑Justiz RS0093608) des Angeklagten, die ungeachtet des infolge der Kollision mit dem Fahrzeug bereits gestürzten und teilweise unter dem Fahrzeug liegenden Tatopfers durch Zurückschieben des Fahrzeugs unverändert weiter fortgesetzt wurde (US 5 f), im Gegenstand kein sittenwidriges Nötigungsmittel bildete (Schwaighofer in WK2 StGB § 105 Rz 77 mwN; Kienapfel/Schroll, StudB BT I4 § 105 Rz 60 mwN) und aktuell die Mittel-Zweck-Relation gewahrt sein sollte (RIS-Justiz RS0093180, RS0095293, RS0131502; Kienapfel/Schroll, StudB BT I4 § 105 Rz 68 mwN).

Eine Anwendung der an sich richtigen Grundsätze in EvBl 1996/88 und folgend Schwaighofer in WK2 StGB § 105 Rz 86 kommt nach Lage des Falls nicht in Betracht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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