OGH 11Os107/98

OGH11Os107/983.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. November 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Holy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Samir Ben Abdel Kerim M'***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 7. Mai 1998, GZ 5 Vr 2739/97-81, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, und des Verteidigers Dr. Rifaat, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Samir Ben Abdel Kerim M'***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Samir Ben Abdel Kerim M'***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 25. September 1997 in Graz seine Gattin Nikola M'***** durch Durchschneiden der Kehle und der rechtsseitig am Hals befindlichen Blutgefäße mit einem 32 cm langen Küchenmesser vorsätzlich getötet hat.

Die Geschworenen hatten die Hauptfrage I nach Mord stimmenmehrheitlich (7 : 1) bejaht und demzufolge die Eventualfrage II in Richtung Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83 Abs 1, 86 StGB) unbeantwortet gelassen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Schuldspruch gerichtete, auf § 345 Abs 1 Z 6, 8, (nominell) 11 lit a (der Sache nach Z 12) und (inhaltlich) 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Die Beschwerdekritik (Z 6), das Erstgericht habe die vom Angeklagten beantragte, durch seine eigene Verantwortung indizierte Eventualfrage (auch) nach dem Verbrechen des Totschlages nach § 76 StGB zu Unrecht nicht zugelassen (S 533 f/II), ist verfehlt. Denn der Nichtigkeitswerber hebt nur jene Passagen, wonach er auf Grund des Verhaltens des Opfers "durchgedreht" habe (S 445 bis 447/II), hervor, läßt aber seine wiederholten entschiedenen Bestreitungen eines (auch nur bedingten) Tötungsvorsatzes in der Hauptverhandlung (S 447 ff/II) außer acht. Selbst wenn die Geschworenen diesen maßgeblichen Einlassungen des Beschwerdeführers gefolgt wären, hätte es (mangels Vorliegens der subjektiven Tatseite) in bezug auf den Taterfolg nicht zur Annahme der Tatbestandsverwirklichung des Totschlags nach § 76 StGB kommen können, sodaß sich keine Verpflichtung zur begehrten Eventualfragestellung ergibt (vgl Mayerhofer StPO4 § 314 E 23, 28), zumal auch die Verantwortung des Angeklagten in ihrer Gesamtheit keine besonders starke Gemütsaufwallung im Tatzeitpunkt erkennen läßt.

Außerdem spricht das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Univ.Doz.Dr. Peter K***** (ON 22; S 511 ff/II) gegen eine allgemeine sittliche Verständlichkeit eines möglichen Affekts, wird doch darin die einen Charaktermangel darstellende Persönlichkeitsstörung des Angeklagten als Steuerungsmechanismus für das Tatverhalten aufgezeigt, weshalb auch aus diesem Grunde die Stellung einer Eventualfrage nach Totschlag nicht indiziert war.

Das Vorbringen zur Instruktionsrüge (Z 8), in welcher der Beschwerdeführer eine Auseinandersetzung der schriftlichen Rechtsbelehrung zur Hauptfrage I mit dem für eine Beurteilung seines Verhaltens nach § 76 StGB wesentlichen Tatbestandsmerkmal der "allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung" vermißt, geht ins Leere, weil die Rechtsbelehrung nur in Ansehung tatsächlich im Fragenschema aufscheinender Rechtsbegriffe zu erteilen und auch nur insoweit anfechtbar ist, eine entsprechende Eventualfrage nach Totschlag aber gar nicht gestellt wurde (vgl Mayerhofer StPO4 § 345 Z 8 E 20, 23a). Der (unsubstantiierte) Vorwurf mangelnder Detailliertheit der Instruktion über die Notwendigkeit der Erfüllung (auch) der subjektiven Tatseite negiert den Inhalt der schriftlichen Rechtsbelehrung (siehe dortige Seite 4, 6 f) und ist einer näheren Erörterung nicht zugänglich.

Die weitere Rüge (nominell Z 11 lit a, inhaltlich Z 12) verfehlt eine gesetzeskonforme Darstellung, weil sie sich darauf beschränkt, den Wahrspruch und dessen rechtliche Begründung "ausgehend von den Beweisergebnissen" (die im übrigen nicht näher substantiiert werden) als "unrichtig" zu bezeichnen. Dabei geht der Nichtigkeitswerber ersichtlich nicht von den sich aus dem Wahrspruch ergebenden Tatsachenfeststellungen aus, sondern versucht im Ergebnis, lediglich in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Geschworenen zu bekämpfen, um zu einem für ihn günstigeren Schuldspruch (zumindest in Richtung § 86 StGB) zu gelangen.

Letztlich ist auch die Strafzumessungsrüge (der Sache nach Z 13) nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Die Behauptung, es fehle an detaillierten Urteilsfeststellungen über das Persönlichkeitsbild des Angeklagten, ist nämlich urteilswidrig (vgl US 4). Hingegen zielt das Vorbringen, es bestünden keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines die Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB indizierenden Persönlichkeitsbildes, auf eine im Nichtigkeitsverfahren betreffend Urteile von Geschworenengerichten nicht vorgesehene - vielmehr dem Berufungsverfahren vorbehaltene - Überprüfung der Deckung der diesbezüglichen Urteilsannahmen durch die Verfahrensergebnisse ab (vgl SSt 56/24; NRsp 1992/198).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Den Strafausspruch (einschließlich der Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB) ficht der Angeklagte mit Berufung an, die (im Ergebnis) ebenfalls nicht berechtigt ist.

Das Geschworenengericht verhängte über Samir Ben Abdel Kerim M'***** nach § 75 StGB eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren. Dabei wertete es eine auf derselben schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe, welche allerdings cirka 4 Jahre zurückliegt, die Tatsache, daß die strafbare Handlung an einer nahen Angehörigen begangen wurde, sowie die heimtückische und besonders brutale Begehungsweise der Tat als erschwerend, hingegen eine gewisse Provokation durch die Getötete und "eine gewisse alkoholbedingte Enthemmung im Sinne verminderter Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit" als mildernd.

Zu Unrecht begehrt der Berufungswerber die Annahme zusätzlicher Milderungsgründe, weil die vorgebrachten Argumente einerseits bereits durch die ohnehin berücksichtigte Provokation des Opfers abgedeckt sind und andererseits ein ins Gewicht fallendes Tatsachengeständnis nicht vorliegt.

Der Berufung zuwider kann auch die brutale und heimtückische Begehungsart bei einem Mord grundsätzlich als besonderer Erschwerungsumstand gewertet werden. Im vorliegenden Fall ist das weitgehende Durchschneiden des Halses zweifellos als eine brutale Vorgangsweise zu qualifizieren. Dem Erstgericht ist allerdings darin nicht beizupflichten, daß die Tatbegehung von auffallender Heimtücke geprägt war. Ebenso vermag die Tatsache der Ermordung einer nahen Angehörigen für sich alleine noch nicht eine erschwerende Wirkung zu entfalten.

Diese Korrektur der besonderen Strafbemessungsgründe rechtfertigt bei gebührender Abwägung aller Straffindungskriterien jedoch nicht die angestrebte Reduktion der verhängten, (ohnedies nur) zeitlich begrenzten Freiheitsstrafe.

Insoweit der Angeklagte mit seinem (irrtümlich als Schuldberufung bezeichneten) Rechtsmittelvorbringen die vom Geschworenengericht ausgesprochene Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB bekämpft, versagt der Vorwurf der Wiedergabe des bloßen Gesetzestextes, weil die Gründe des angefochtenen Urteils ausreichend individualisierte, insbesondere auf das Persönlichkeitsbild des Berufungswerbers bezogene Feststellungen als Basis für die getroffene Einweisungsentscheidung enthalten (US 4).

Es war daher auch der Berufung kein Erfolg beschieden.

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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