OGH 11Os107/01

OGH11Os107/0114.12.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pripfl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Nora G***** wegen des Verbrechens nach § 3g VG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 7. Mai 2001, GZ 40 Vr 1538/98-74, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Nora G***** des Verbrechens nach § 3g VG schuldig erkannt und zu einer zum Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten verurteilt.

Darnach hat sie sich von Mitte 1993 bis Ende 1997 in Gmunden, Salzburg und anderen Orten des Bundesgebietes auf andere als die in §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem sie, um bei anderen Personen eine nationalsozialistsche Gesinnung zu erwecken oder sie in einer derartigen Gesinnung zu bestärken, im Urteilstenor nach Art und Inhalt detailliert angeführte(s)

A) einschlägige CDs, LPs und Videos bereit hielt, teils zusammen mit

Freunden anhörte bzw ihnen vorführte;

B) nationalsozialistisches Propagandamaterial zur Weitergabe bzw zu

Schulungszwecken in ihrer Unterkunft zur Beeinflussung anderer Personen im nationalsozialistischen Sinn verwahrte und teilweise auch weitergab und

C) nationalsozialistisches Propagandamaterial in ihrer Wohnung

ostentativ zur Schau stellte bzw einschlägige Kleidung in der Öffentlichkeit trug.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Gründe der Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, die auch den Strafausspruch mit Berufung anficht.

Schon der Instruktionsrüge (Z 8) kommt Berechtigung zu:

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die Rechtsbelehrung des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes geeignet war, die Geschworenen bei der Beantwortung der an sie gestellten Fragen zum Nachteil der Angeklagten zu beeinflussen. Gemäß § 321 Abs 2 StPO muss die den Geschworenen erteilte schriftliche Rechtsbelehrung eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Haupt- oder Eventualfrage gerichtet ist, sowie eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes enthalten und das Verhältnis der einzelnen Frgen zueinander sowie die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage klarlegen. Gegenstand der Rechtsbelehrung können daher nur rechtliche, nicht aber tatsächliche Umstände sein, die nur für die Beweiswürdigung in Frage kommen. Keinesfalls darf die Rechtsbelehrung eine Beweisführung oder Feststellung enthalten. Der Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO ist daher gegeben, wenn die Rechtsbelehrung durch gegebene Beispiele oder durch ein Vorgreifen auf die Lösung der Tatfrage die Eignung erlangt, die Geschworenen durch eine richtungweisende fixierte Darstellung rechtlich bedeutsamer Umstände zu einer bestimmten - dieser Schilderung entsprechenden - rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes zu beeinflussen (SSt 45/9).

Unter diesen Gesichtspunkten stellt die vorliegend den Geschworenen erteilte schriftliche Rechtsbelehrung einen krassen Verstoß gegen das Gesetz dar, denn sie nimmt die allein von den Geschworenen aufgrund freier Beweiswürdigung zu treffende Feststellung zur subjektiven Tatseite, ob nämlich die der Angeklagten objektiv angelasteten Tathandlungen mit nationalsozialistischer Zielsetzung erfolgten, vorweg, indem ausgeführt wird:

"Die Weitergabe von Tonträgern bzw das gemeinsame Abhören einschlägiger Lieder fällt, wenn dies wie hier mit nationalsozialstischer Zielsetzung erfolgt, unter die Bestimmung des § 3g VG" (RB S 8, vierter Absatz).

"Auch das Ansammeln von nationalsozialistischem Propagandamaterial, wie NS-Tonträger, NS-Pamphleten, Zeitschriften, Flugzettel, Pickerl, wie auch Zurschaustellen in der privaten Wohnung, stellt bereits bei der hier gegebenen NS-Tendenz eine typische nationalsozialistische Wiederbetätigungshandlung dar" (RB S 9 zweiter Absatz) und weiters "Als Betätigung im nationalsozialistischen Sinn ist auch die propagandistische Verwendung typisch nationalsozialistischer oder dem Sprachgebrauch der Nationalsozialisten deutlich angenäherten Parolen und Schlagworte sowie nationalsozialistische Symbole in der Weise anzusehen, dass darin die verpönten Zielsetzungen und Wertvorstellungen des Nationalsozialismus zum Ausdruck kommen, wie dies hier bei den in der Anklage angeführten Fällen wie zum Beispiel die Verwendung des Hakenkreuzes, des Keltenkreuzes, des Zeichens "88" (= Heil Hitler), "Meine Ehre heißt Treue", "Rotfront verrecke", "Reichsadler, bei dem das Hakenkreuz durch das Eiserne Kreuz ersetzt wurde, Verherrlichung der SA, der Fall ist" (RB S 9, letzer Absatz). Diese sämtliche Urteilsfakten betreffende unrichtige Rechtsbelehrung macht - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich, ohne dass noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

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