OGH 11Ns14/90

OGH11Ns14/908.8.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.August 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hassenbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert H*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach den §§ 12 dritter Fall, 153 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB über die Anzeige des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. F*** gemäß dem § 72 Abs. 2 StPO zum Aktenzeichen 12 Os 50/90 in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Eine Befangenheit des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Erwin F*** ist nicht gegeben.

Text

Gründe:

In der Strafsache gegen Herbert H***, AZ 12 c Vr 2835/86 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, ist der 12. Senat des Obersten Gerichtshofes zur Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten zuständig. Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. F*** ist nach der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofes für das Jahr 1990 Mitglied dieses Senates.

Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. F*** gab nun bekannt, daß er seit 1976 Landesobmann eines Landesverbandes (Niederösterreich) der Österreichischen Turn- und Sportunion sei, dem Sportvereine mit selbständiger Rechtspersönlichkeit als Mitglieder angehören. Die Landesverbände seien in einem Bundesland organisiert; alle den Landesverbänden zugehörigen Vereine seien somit auch Mitglieder des Bundesverbandes. Der ihm persönlich nicht bekannte Angeklagte H*** sei langjähriger Obmann eines dem Landesverband Wien angehörenden Vereines und habe das ihm zur Last gelegte Delikt in dieser Funktion verübt. Der Sohn des Angeklagten habe lange Jahre einen dem Landesverband Niederösterreich angehörenden Basketball-Club gemanagt, Kontakt zu Dr. F*** gesucht und dabei gelegentlich das Verfahren gegen seinen Vater erwähnt, ohne daß Dr. F*** eine Stellungnahme in der Sache selbst abgab. Er fühle sich in dieser Strafsache in keiner Weise befangen.

Rechtliche Beurteilung

Eine Befangenheit des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. F*** ist nicht gegeben.

Befangenheit liegt vor, wenn ein Richter an eine Rechtssache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt (11 Ns 3/88; 14 Os 141/87; 11 Ns 20/86 ua), somit eine Hemmung zu unparteiischer Entscheidung durch sachfremde psychologische Motive gegeben ist (Mayerhofer/Rieder, StPO2 E 5 zu § 72; JBl 1990, 122, RZ 1989/110; EvBl 1988/153; EvBl 1988/43 ua). Den unmittelbaren Zugang zur Erkenntnis dieses inneren Zustandes hat naturgemäß der betreffende Richter selbst (vgl 8 Ob 546/82, 6 Ob 549/78), doch kommt es nicht nur darauf an, ob er sich befangen oder nicht befangen fühlt. Im übrigen genügt grundsätzlich schon der Anschein einer Befangenheit (EvBl 1988/153; vgl auch Pfeiffer im Karlsruher Kommentar zur dStPO RN 3 zu § 24, Loewe-Rosenberg dStPO RN 5 zu § 24), wofür freilich zureichende Anhaltspunkte gegeben sein müssen, die geeignet sind, bei einem

unbeteiligten - objektiven - Beurteiler die volle Unbefangenheit des Richters im dargelegten Sinn in Zweifel zu ziehen (siehe erneut EvBl 1988/153; JBl 1990, 122; Karlsruher Kommentar aaO RN 3; Loewe-Rosenberg aaO RN 6).

Die bloße Zugehörigkeit zu Großorganisationen - so etwa zu Mieterschutz-, Konsumentenschutz-, Autofahrer-, Sportorganisationen udgl mehr - genügt aber unter diesem Aspekt für sich allein nicht, um Befangenheit annehmen zu können oder auch bloß Anschein einer Befangenheit zu erwecken, sofern nicht ein besonderes persönliches Interesse des Richters am Verfahrensausgang hinzutritt.

Dies ist hier nicht der Fall:

Jener Sportverein, dessen Obmann der Angeklagte H*** ist, gehört nicht einmal dem Landesverband Niederösterreich an, dem Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. F*** als Obmann vorsitzt. Irgendwelche Ingerenzen positiver oder negativer Art für diesen Landesverband sind durch die zu treffende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nicht zu erwarten; es kann demnach unter den obwaltenden Umständen keinesfalls ein persönliches Interesse des genannten Richters am Verfahrensausgang angenommen werden, zumal Dr. F*** den Angeklagten persönlich gar nicht kennt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte