OGH 10Os88/79

OGH10Os88/798.8.1979

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführer in der Strafsache gegen Ilija A wegen des Verbrechens (wider die Volksgesundheit) nach § 6 Abs 1

SuchtgiftG mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. März 1979, GZ 6 c Vr 10.287/78-35, (dessen ausgefertigte Urschrift das unrichtige Datum 20. März 1978 trägt), zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Freispruch (als unangefochten) unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11. März 1956 geborene (zuletzt beschäftigungslos gewesene) Hilfsarbeiter Ilija A, ein jugoslawischer Staatsbürger (mit Aufenthalt in Österreich), des Verbrechens nach § 6 Abs 1

SuchtgiftG schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe sowie gemäß dem § 6 Abs 4

SuchtgiftG zu einer Geldstrafe (Verfallsersatzstrafe) verurteilt, weil er in Wien vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in solchen Mengen in Verkehr gesetzt hat, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem er Wolfgang B nachstehend angeführte Suchtgiftmengen weiterverkaufte:

1.) im April 1978 500 Gramm Haschisch, 2.) im Mai 1978 500 Gramm Haschisch, 3.) im Juni 1978 mit einem unbekannt gebliebenen Beteiligten 700 Gramm Haschisch, 4.) am 20. September 1978 mit Kenan

C als Beteiligten 10 Gramm Heroin, wobei der abgesondert verfolgte Helmuth D als Bote (für Wolfgang B) tätig war, und 5.) am 2. Oktober 1978 63 Gramm Heroin.

Vom weiteren Anklagevorwurf, im Juli 1978 in Wien das Verbrechen nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG auch durch den Verkauf weiterer drei Gramm Heroin an Wolfgang B begangen zu haben, wurde Ilija A gemäß dem § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die - der Sache nach nur gegen den Schuldspruch gerichtete - Nichtigkeitsbeschwerde ruft die Z 3, 4, 5, 9 lit. a und 11 des § 281 Abs 1 StPO an. Unter anderem bemängelt die auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a der vorzitierten Gesetzesstelle gestützte Rechtsrüge, daß das Ersturteil in subjektiver Beziehung jede - zur Annahme des Verbrechenstatbestands nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG erforderliche - Feststellung über das Vorliegen eines auf Herbeiführung einer Gemeingefahr gerichteten Vorsatzes des Angeklagten bei dem ihm zur Last liegenden Verkauf der einzelnen Suchtgiftmengen vermissen lasse. Schon dieser Beschwerdeeinwand erweist sich als berechtigt:

Nach den Urteilsfeststellungen wurden die im Schuldspruch angeführten Suchtgiftmengen zum Teil ausschließlich vom Angeklagten selbst, zum Teil über seine Vermittlung an Wolfgang B - im Urteilsfaktum 4.) an Helmut D als Boten des Wolfgang B - abgegeben. Davon behielt sich der rauschgiftsüchtige Wolfgang B nur eine verhältnismäßig geringe Menge für den Eigenbedarf; den überwiegenden Teil verkaufte er an ihm bekannte oder an gänzlich fremde Personen (vgl. S 422, 423, 424 und 425 d. A). Wenn auch das vom bekämpften Schuldspruch erfaßte Haschisch und Heroin mengenmäßig jeweils weit über der zur Herbeiführung einer (abstrakten) Gemeingefahr genügenden 'Grenzmenge', also jenem Suchtgiftquantum liegt, das geeignet ist, einen größeren Personenkreis (von etwa 30 bis 50 Personen) der Sucht zuzuführen (vgl. Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze, S 549 f, Nr. 14 bis 17, Rechtsprechung zu § 6 SuchtgiftG: Entscheidungszitate) und ein Großteil dieser Suchtgiftmengen nach den Urteilsannahmen auch tatsächlich vom Abnehmer des Angeklagten, dem Zeugen Wolfgang B, einem größeren, zum Teil unbekannten Personenkreis käuflich überlassen worden ist, würde ein Schuldspruch nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG in subjektiver Beziehung die - im angefochtenen Urteil fehlende -

Feststellung erfordern, daß der Vorsatz des Angeklagten, die vorerwähnten, für die Entstehung einer (abstrakten) Gemeingefahr maßgeblichen (und nach dem Vorgesagten auch objektiv für deren Annahme ausreichenden) Tatumstände umfaßt hat. Eine solche - nach den bisherigen Verfahrensergebnissen keineswegs ausgeschlossene - Feststellung zur inneren Tatseite wäre umso mehr erforderlich gewesen, als nach dem Inhalt des Schuldspruchs nicht schon der Angeklagte selbst eine entsprechend breit gestreute Verteilung der von ihm an Wolfgang B allein verkauften oder vermittelten Mengen an Haschisch und Heroin vorgenommen hat; im Ersturteil blieb somit in bezug auf das zum Verbrechenstatbestand nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG gehörige Merkmal der (abstrakten) Eignung seines Tatverhaltens zur Herbeiführung einer Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen in größerer Ausdehnung die hiefür in subjektiver Hinsicht entscheidende Frage offen, ob der Angeklagte nach den konkreten Tatumständen in der Lage und willens war, die mit seinen Tathandlungen verbundene Gefahr jederzeit so weit zu begrenzen, daß sie das Ausmaß einer Gemeingefahr im vorerwähnten Sinn nicht erreichen konnte, oder er aber diese Möglichkeit und den Willen hiezu nicht hatte. Das bloße Wissen um die rein theoretische Möglichkeit einer solchen Art der Weiterverbreitung der von ihm an Wolfgang B verkauften (oder vermittelten) Suchtgiftmengen würde zur Annahme eines auf Herbeiführung einer abstrakten Gemeingefahr gerichteten Vorsatzes noch nicht ausreichen.

Dieser muß sich vielmehr über das Ausreichen des tatgegenständlichen Rauschgiftquantums zur Gefährdung eines größeren - mindestens 30 bis 50 Endverbraucher umfassenden - Personenkreises hinaus auch darauf erstrecken, daß das Suchtgift nach den gegebenen Umständen (einer allenfalls vorgesehenen Verteilung) im Wege der Weiterverbreitung letztlich einem solchen größeren Personenkreis zukommen kann (vgl. EvBl. 1978/74 und RZ 1979/5).

Der vom Beschwerdeführer aufgezeigte Feststellungsmangel (sachlich § 281 Abs 1 Z 10 StPO, da bei Fehlen der Voraussetzungen des § 6 Abs 1 SuchtgiftG noch immer Strafbarkeit nach § 9 SuchtgiftG gegeben wäre) zur subjektiven Tatseite macht, da eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht möglich ist, eine Aufhebung des Schuldspruchs und demgemäß auch des gesamten Strafausspruchs (einschließlich der Aussprüche über die /Verfallsersatz-/Geld-(strafe) gemäß § 6 Abs 4

SuchtgiftG und die Anrechnung der Vorhaft nach § 38 StGB) sowie eine nochmalige Verhandlung und Entscheidung in erster Instanz im Umfang der Aufhebung unvermeidbar, sodaß spruchgemäß zu erkennen war und ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen entbehrlich ist.

Lediglich hiezu sei für das neuerliche Verfahren folgendes bemerkt:

Unter dem Begriff des 'Inverkehrsetzens' nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG

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