Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten B und C werden verworfen.
Der Berufung des Angeklagten B wird keine Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden außer vier weiteren Angeklagten (Siegfried A, Josef D, Alois D und Marko E) der am 16.September 1956 geborene, zuletzt beschäftigungslose Kellner Peter B und der am 5. November 1959 geborene Elektroinstallateurlehrling Stanislav C des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 2 StGB schuldig erkannt.
Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:
Am späten Abend des 26.August 1977 wartete der Postbedienstete Alfred F auf einer Bank in Wien 1., 'Schottenring', am Rande des Rathausparkes auf einen Freund. Die sechs Angeklagten, welche eben aus dem Park gekommen waren, beschlossen, mit Alfred F, den sie für einen Homosexuellen hielten, 'ihren Mutwillen zu treiben'. B und A setzten sich neben F und 'nahmen ihn in die Mitte'. Als sich F aus Angst erheben wollte, wurde er von den genannten Angeklagten niedergedrückt; die übrigen stellten sich im Halbkreis vor F auf. Bei allen Angeklagten bildete sich das stillschweigende Einverständnis, gemeinsam F zu mißhandeln. Der Mitangeklagte Josef D zog F am Ohr.
Als F aufsprang, um zu fliehen, wurde er von E und Josef D festgehalten; auch B hielt F am Arm zurück. Nunmehr schlugen die Angeklagten gemeinsam auf F ein und versetzten ihm, nachdem er gestürzt war, Fußtritte. Als F laut um Hilfe rief, flüchteten die Angeklagten. F erlitt durch die Tätlichkeiten leichte Verletzungen, nämlich eine Schädelprellung und eine Nasenprellung. Diesen Schuldspruch bekämpfen lediglich die Angeklagten Peter B und Stanislav C mit - von ersterem nur auf die Z. 5, von letzterem hingegen außerdem auch auf die Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten -
Nichtigkeitsbeschwerden, denen keine Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Soweit der Angeklagte Stanislav C aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO zunächst - an sich zutreffend - die unrichtige Angabe der Lage des im Urteil als Tatort bezeichneten Rathauspark mit Schottenring anstatt mit Dr. Karl-Lueger-Ring, rügt, macht er keinen Begründungsmangel im Sinne des angerufenen Nichtigkeitsgrundes geltend. Diese offenkundig irrtümlich geschehene und zudem bloß teilweise unrichtige Ortsbenennung ist gänzlich bedeutungslos, zumal für die Individualisierung der Tat in Ansehung des von keinem der Täter angezweifelten Tatortes (als solchen) schon allein der Hinweis 'am Rande des Rathausparks' ausreicht und die inkriminierte Tat bereits derart umschrieben erscheinen läßt, daß die Möglichkeit der Verwechslung mit einer anderen ausgeschlossen ist.
Mit ihren weiteren, inhaltlich im wesentlichen übereinstimmenden Beschwerdeausführungen zum Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO werfen beide Beschwerdeführer dem Urteil der Sache nach eine unzureichende und unvollständige Begründung der Feststellung über ein stillschweigendes Einverständnis bei der (gemeinsamen) Mißhandlung des Alfred F vor.
Die Einwendungen gehen fehl.
Wenn das Erstgericht das stillschweigende Einverständnis der sechs Angeklagten, F gemeinsam zu mißhanddeln, ersichtlich aus dem gesamten - sich von dessen Festhalten auf der Bank und Umkreisen, bis zu den Beeinträchtigungen der Freiheit und der körperlichen Integrität (des Opfers) steigernden - Tatablauf ableitet, so liegt darin eine durchaus lebensnahe und daher zureichend begründete Folgerung. Soweit die Beschwerdeführer diese in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) schlüssig getroffene Urteilsfeststellung nicht als genügend überzeugend ansehen und unter Hinweis auf das zunächst nicht auf Mißhandlung (sondern nur auf Mutwillensakte) gerichtete Einverständnis sowie unter Bedachtnahme auf die Aussage des Zeugen F in der Hauptverhandlung, wonach die Beschwerdeführer sich ruhig verhalten hätten (S. 185), und auf ihre eigene leugnende Verantwortung in Zweifel ziehen (S. 224 f., 231), zeigen sie damit keine formellen Begründungsmängel des Urteils auf. Sie unternehmen damit vielmehr faktisch nur einen unzulässigen und damit unbeachtlichen Versuch der Bekämpfung der freien richterlichen Beweiswürdigung des Jugendschöffensenats. Zudem unterlegen die Beschwerdeführer den aus dem Zusammenhang gerissenen Angaben des Zeugen F einen Sinngehalt, welcher ihnen nach der gesamten Zeugenaussage offenkundig nicht zukommt. Denn im Zusammenhang gelesen bringen die Depositionen des Zeugen bloß zum Ausdruck, daß die beiden Beschwerdeführer im Gegensatz zu den anderen Angeklagten zum Zeugen nichts gesprochen haben (vgl.: 'B verhielt sich bei diesem Unfall ruhig. B hat nicht mit mir gesprochen. Sie haben sexuell geblödelt..
.... C war ruhig. Alle umstellten mich, griffen herum ....'). Im übrigen geht auch aus den - in der Hauptverhandlung verlesenen und im Urteil als Feststellungsgrundlage verwerteten (S. 186, 200 f., 209) - Bekundungen des Zeugen F vor der Polizei hervor, daß sich alle Angeklagten auf ihn stürzten, nachdem er durch Beinstellen zu Fall gebracht worden war, und ihm hiebei Fußtritte gegen den Kopf versetzt wurden (S. 77, 80). Von diesen Angaben ist der Zeuge auch in der Hauptverhandlung nicht abgewichen; denn er hat dort ebenso ausdrücklich erklärt, daß ihn alle umstellt und (an ihm) herumgegriffen hätten, sich allerdings an das Tatgeschehen nach dem Beinstellen (bei dem er zu Boden gestürzt war) nicht (mehr) zu erinnern vermocht (S. 185). Wenn das Erstgericht die teilweise leugnende und widersprechende Verantwortung der Angeklagten vor allem durch die teils unmittelbar nach der Tat, teils am Tage danach, also noch unter dem frischen Eindruck der Ereignisse abgelegten und im wesentlichen in der Hauptverhandlung wiederholten Aussagen des Zeugen F als widerlegt ansah (vgl. S. 209 f.), hat es einen unbekämpfbaren Akt freier Beweiswürdigung gesetzt; ein formeller Begründungsmangel haftet dem Urteil insoferne jedenfalls nicht an.
Dem Vorbringen der Mängelrüge in Ansehung der Konstatierung der aktiven Tatbeteiligung der Beschwerdeführer fehlt überdies insofern die rechtliche Relevanz, als es für den Tatbestand der Körperverletzung in verabredeter Verbindung nicht erforderlich ist, daß jeder der Verabredeten unmittelbar an den Angegriffenen Hand anlegt oder sonst an der Tatausführung aktiv mitwirkt (§ 12 StGB, erste Alternative). Maßgeblich ist vielmehr nur, daß mindestens drei Personen auf Grund gemeinsamen Tatentschlusses ihrem Opfer gegenüber am Tatort als Einheit auftreten.
Trifft dies zu, dann haftet jeder der Verabredeten nach § 84 Abs. 2 Z. 2 StGB, mag er auch im Einzelfall keine unmittelbar zu Verletzungen führenden Aktivitäten gesetzt haben (vgl. Kienapfel, Grundriß des Österreichischen Strafrechtes I, S. 59; EvBl. 1977/225 u. a.).
Dem - sachlich keinen Begründungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO), sondern einen Verfahrensmangel (§ 281 Abs. 1 Z. 3 StPO) relevierenden - Einwand des Beschwerdeführers C, das Erstgericht habe es nach Verlesung der Aussagen vor der Polizei der Vorschrift des § 252 Abs. 3 StPO zuwider unterlassen, die Angeklagten zu befragen, was sie zu den seinerzeit gemachten Angaben zu bemerken hätten, ist lediglich zu entgegnen, daß ein Verstoß gegen die zitierte Vorschrift nicht mit Nichtigkeit bedroht ist. Aber auch die Rechtsrüge des Angeklagten C (der Sache nach vor allem § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO) versagt, mit welcher er sich namentlich gegen die Unterstellung des Verhaltens unter den Tatbestand der Körperverletzung in verabredeter Verbindung nach § 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB zunächst mit der Behauptung wendet, daß ein stillschweigendes Einverständnis für die Annahme einer verabredeten Verbindung nicht genüge.
Der Begriff der 'Verabredung' (im Sinne der § 84 Abs. 2 Z. 2; 277 StGB) ist jenem der 'Vereinbarung', also der - ernstlichen - (Willens-)Einigung über die geplante Tatausführung wesensgleich (Leukauf-Steininger, Kommentar, 1116) und bedeutet nichts anderes als den gemeinsamen Tatentschluß. Von der (schlichten) Mittäterschaft, für die schon ein spontanes, vom gleichen Vorsatz getragenes - bewußtes und gewolltes - Zusammenwirken bei der Tat und damit ein während deren Verübung gefaßter Entschluß genügt, unterscheidet sich die Verabredung ( = Komplott) dadurch, daß hiefür die vor dem Beginn der Tatausführung gelegene - sei es auch allenfalls sukzessive entstandene - Willenseinigung gefordert wird, kraft deren die zur Begehung entschlossenen Personen am Tatort als Einheit auftreten (Foregger-Serini, StGB2, S 39, Erl. V zu § 12 StGB; Kienapfel a.a.O. S. 53 RN. 354).
Ungeachtet des vom Gesetz gebrauchten Wortes 'Verabredung' kann dabei eine solche Willenseinigung auch durch Zeichen zustandekommen oder sich in einem sonstigen - die Willensübereinstimmung (zwar 'stillschweigend' aber) schlüssig zum Ausdruck bringenden - Verhalten (§ 863 Abs. 1 ABGB.) äußern. So hat die Rechtsprechung schon bisher ein Einverständnis, das sich in - der Tat vorangehenden - konkludenten Handlungen ausdrückte, als dem Begriff der Verabredung durchaus entsprechend angesehen (SSt. 38/60). Im vorliegenden Fall umfaßte das festgestellte stillschweigende Einverständnis der Angeklagten nach dem als erwiesen angenommenen Sachverhalt die sich hieran unmittelbar anschließende sofortige Mißhandlung ihres Opfers und damit die tatsächliche Tatbestandsverwirklichung. Denn für die Körperverletzung (nach § 83 Abs. 2, 84 Abs. 2 Z. 2
StGB) genügt auf der subjektiven Tatseite bloß Mißhandlungsvorsatz (Leukauf-Steininger, 432; RZ. 1977/130 u.a.) und auf der äußeren Tatseite demgemäß ein als Mißhandlung - d.i.
die Einwirkung physischer Kraft auf den Körper eines anderen, die das körperliche Wohlbefinden nicht ganz unerheblich beeinträchtigt, also Schmerzen oder Unbehagen hervorruft (ÖJZ-LSK. 1975/228 u.a.) - zu wertendes Verhalten. Daß das Erstgericht entgegen seinen Feststellungen in den Urteilsgründen über den gemeinsamen (bloßen) Mißhandlungsvorsatz (§ 83 Abs. 2 StGB) den Angeklagten im Spruch des Urteils die vorsätzliche Verletzung (§ 83 Abs. 1 StGB) zur Last legte und gemäß der letzteren Annahme das Verhalten der Angeklagten dem (Grund-) Tatbestand des § 83 Abs. 1 StGB unterstellte, ist - dies sei, da von den Angeklagten nicht gerügt, nur der Vollständigkeit halber festgehalten - von keinerlei Relevanz, da die beiden Begehungsformen des Grundtatbildes der Körperverletzung nach § 83 StGB rechtlich gleichwertige Begehungsweisen ein und desselben Deliktes darstellen (ÖJZ-LSK. 1975/171).
Soweit der Angeklagte C letztlich die mangelnde Tatbildlichkeit seines Verhaltens deshalb reklamiert, weil ein stillschweigendes Einverständnis objektiv nicht nachweisbar sei und er, obwohl am Tatort anwesend, nicht 'Hand angelegt' habe, weicht er von den bei Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes bindenden Sachverhaltsfeststellungen über das (stillschweigende) Einverständnis und seine aktive Tatbeteiligung ab und bringt deshalb seine Rechtsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Er übersieht hiebei zudem, daß für die Zurechenbarkeit des Erfolges im Sinne des Tatbestandes nach § 83, 84 Abs. 2 Z. 2 StGB unmittelbar zu Verletzungen führende Aktivitäten des Mittäters in verabredeter Verbindung gar nicht erforderlich sind. Beiden (unbegründeten) Nichtigkeitsbeschwerden war sohin ein Erfolg zu versagen.
Das Erstgericht verhängte über die Angeklagten B und C Geldstrafen; dem Letztgenannten gewährte es bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB, dem Erstgenannten versagte es diese Rechtswohltat hingegen aus spezialpräventiven Gründen unter Hinweis auf sein Vorleben und seine Schulduneinsichtigkeit.
Der Angeklagte B strebt mit seiner Berufung die bedingte
Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB an.
Auch die Berufung erweist sich als unbegründet.
Der Angeklagte B weist vier Vorverurteilungen wegen Eigentumsdelikten auf. Bei seiner ersten Verurteilung erfolgte gemäß § 13 JGG. ein Schuldspruch ohne Strafe, bei zwei weiteren Verurteilungen wurden bedingte Freiheitsstrafen über ihn verhängt. Mögen seine bisherigen Verurteilungen auch nicht auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, stehen sie dennoch der Gewährung der bedingten Strafnachsicht entgegen, da bei dem nunmehr auch in Richtung einer Gewalttätigkeit mit nicht unbeträchtlichem Unrechtsgehalt straffällig gewordenen Angeklagten die primäre Voraussetzung für die Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB, nämlich das Vorliegen von Gründen, die ungeachtet der bisherigen Verfehlungen für künftiges Wohlverhalten sprechen, fehlt; außerdem kann es bei dem Vorleben des Angeklagten nicht zweifelhaft sein, daß nur einer unbedingt ausgesprochenen und damit von ihm auch wirklich zu bezahlenden Geldstrafe die nötige Effektivität zukommt. Das Erstgericht hat diesem Angeklagten daher zu Recht die bedingte Strafnachsicht versagt.
Die vom Angeklagten C erhobene Berufung wurde von dessen Verteidiger im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof zurückgezogen.
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