OGH 10Os163/78

OGH10Os163/7822.11.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.November 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Neutzler, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brachtel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rudolf E wegen des Verbrechens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1, 2 Z. 1, 128

Abs. 2, 130 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts St. Pölten als Schöffengerichts vom 26.Juni 1978, GZ. 18 Vr 1557/76-90, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Harramach und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15.Februar 1913 geborene Fleischhauer Rudolf E im zweiten Rechtsgang der Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 2, 130 StGB.

und der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 StGB. schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er I. in Gesellschaft abgesondert Verfolgter als Beteiligter (§ 12 StGB.) den Nachgenannten fremde bewegliche Sachen in einem 100.000 S übersteigenden Wert mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch deren

Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, 1. von 1973 bis 1975 in Steyr mit Karl F und Franz G der Firma J AG.

in wiederholten Angriffen mindestens 132 LKW Reifen mit Felgen im Gesamtwert von 650.000 S, wobei er die Diebstähle in der Absicht

beging, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine

fortlaufende Einnahme zu verschaffen, 2. in der Nacht zum 22. September 1976 in Neulengbach mit Johann K dem Ernst L ein Schwarz-weiß-Fernsehgerät im Wert von 4.000 S, einen Elektrogriller im Wert von 2.340 S und ein Eßbesteck im Wert von

600 S.

II. am 9.Oktober 1976 im Gebiete von Oberdambach von dem abgesondert verfolgten Johann K in der Nacht davor durch Einbruch gestohlene Sachen, die somit ein anderer durch eine strafbare Handlung gegen fremdes Eigentum erlangt hat, die (aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung) mit einer fünf Jahre erreichenden Freiheitsstrafe bedroht ist, nämlich ein Fernsehgerät im Wert von 4.106,40 S, eine Weckeruhr im Wert von 250 S und eine Standuhr im Wert von 700 S, durch übernahme dieser Gegenstände zum Verkauf an sich brachte.

Der Angeklagte bekämpft die eingangs erwähnten (wegen Diebstahls und Hehlerei gefällten) Schuldsprüche mit einer auf die Z. 4, 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Dieser kommt keine Berechtigung zu.

Den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO.

erblickt die Beschwerde darin, daß das Erstgericht die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf 'Beischaffung des Aktes 19 E Vr 185/77, korrespondierend damit auf Gegenüberstellung der bereits einvernommenen Zeugen M und N und auf Einvernahme des Fuhrwerkers O' abgewiesen hat (S. 230/II, dort allerdings: 19 E Hv 185/77). Er wurde jedoch - von der im erstgerichtlichen Urteil (S. 251/II) dargelegten sachlichen Unerheblichkeit der Beweisanträge ganz abgesehen - hiedurch in seinen Verteidigungsrechten schon deshalb nicht beeinträchtigt, weil er es inhaltlich des (vollen Beweis machenden) Hauptverhandlungsprotokolls (S. 230/II) bei der Antragstellung unterließ, jene Umstände anzuführen, die durch die beantragten Beweismittel erwiesen werden sollten. Da dies die Geltendmachung des bezeichneten Nichtigkeitsgrunds von vornherein ausschließt (vgl. EvBl. 1951

Nr. 349 u.a.) ist der daher unzulässige (und im übrigen der Sache nach auch nicht überzeugende) Versuch des Beschwerdeführers, die Relevanz seiner Beweisanträge nachträglich in der Nichtigkeitsbeschwerde aufzuzeigen, zum Scheitern verurteilt. In Ausführung des Nichtigkeitsgrunds des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. wirft der Beschwerdeführer dem angefochtenen Urteil Unvollständigkeit, unzureichende Begründung und Aktenwidrigkeit vor. Hiebei vermag er jedoch keine Begründungsmängel formaler Natur aufzuzeigen, wie sie zur Herstellung dieser Nichtigkeit erforderlich wären. Vielmehr unternimmt er nach Inhalt und Zielsetzung seiner bezüglichen Ausführungen nur den im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Versuch, die auf Grund einer Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse vorgenommene freie Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts zu bekämpfen. Das Erstgericht hat dem Gebot der Anführung der entscheidenden Tatsachen und der für deren Annahme maßgebenden Gründe in gedrängter Darstellung (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) im angefochtenen Urteil entsprochen. Insbesondere hat es die (den Angeklagten bezüglich der ihm zur Last liegenden Reifendiebstähle belastenden) Angaben der Zeugen Franz G und Karl F einer ausreichenden Erörterung unterzogen und dieselben entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung durchaus nicht unrichtig und aktenwidrig dargestellt. Unrichtig ist im Gegenteil die Behauptung des Beschwerdeführers, er werde durch die Angaben des Franz G vor der Kriminalpolizei vom 4.Jänner (nicht Februar) 1977 (S. 173 ff./I) und vom 19.Jänner 1977 (S. 339 ff. - nicht 359 - I) entlastet. Denn bei seiner Vernehmung am 4.Jänner 1977 gab der Zeuge sogar an, daß der Angeklagte in voller Kenntnis der Reifendiebstähle gewesen sei (S. 179/I) und bei der Vernehmung am 19.Jänner 1977 - bei der nur früher gemachte Angaben ergänzt wurden - hat G (richtig und im Zusammenhang verstanden) nicht eine Mitwisserschaft des Angeklagten, sondern nur eine solche anderer Bediensteter der J (genannt wurden die Namen P und Q) ausgeschlossen (S. 340/I).

Es sind aber auch den Angaben des Zeugen Karl F keine den Angeklagten entlastenden Umstände zu entnehmen.

Dieser Zeuge gab nämlich bei seiner polizeilichen Einvernahme am 14. Jänner 1977 (entgegen den Beschwerdebehauptungen) an, neben dem Angeklagten keine weiteren Abnehmer (für die gestohlenen Reifen) gehabt zu haben (S. 356/I), und bestätigte - ebenso wie der in der Beschwerde erwähnte Zeuge Helmut R (S. 81/II) - auch hinsichtlich der sogenannten Prozentreifen (das sind minimal beschädigte Reifen, die etwas verbilligt abgegeben werden) nur die grundsätzliche Möglichkeit eines legalen Erwerbs, der aber - anders als im vorliegenden Fall - über die zuständige Verkaufsabteilung (mit Lieferschein und Rechnung) hätte abgewickelt werden müssen (S. 352/I).

Da die Zeugen Franz G und Karl F auch bei ihren gerichtlichen Einvernahmen (S. 78, 79, 80, 203, 218, 225/II) immer dabei blieben, daß der Angeklagte die diebische Herkunft der Reifen sicher zumindest aus den Begleitumständen entnommen hat, konnte somit das Erstgericht - das die (entlastenden) Aussagen der Zeugen Rudolf E (Sohn und Enkel) und Anton S keineswegs unbeachtet ließ, sondern gleichfalls einer ausführlichen Erörterung und Würdigung unterzog (S. 240, 241/II) - für die Feststellung, daß der Angeklagte wußte, sich an (Reifen-) Diebstählen zu beteiligen, neben anderen Verfahrensergebnissen auch und vor allem ihre Angaben heranzuziehen. Wie den zum Punkt I 1 des Urteilssatzes ergangenen Schuldspruch (Reifendiebstähle) so bekämpft der Beschwerdeführer auch die weiteren Schuldsprüche (Punkte I 2 und II) lediglich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Seinem Versuch, die Verfahrensergebnisse - insbesondere die im Urteil ohnedies sorgfältig und gewissenhaft erörterten (S. 246 f./II) Aussagen der Zeugen K, T und U -

in einer für ihn günstigeren Weise zu deuten, als dies seitens des Erstgerichts geschehen ist, kann naturgemäß auch in dieser Beziehung kein Erfolg beschieden sein.

Die Mängelrüge hält daher nach keiner Richtung stand.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde geht schließlich auch insoweit fehl, als der Beschwerdeführer darin unter Anrufung des Nichtigkeitsgrunds des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO.

die Auffassung vertritt, es seien die Voraussetzungen für die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung nicht gegeben. Dies insbesondere deshalb, weil er angeblich über ausreichende andere Einkünfte verfügt und es daher nicht notwendig gehabt habe, sich durch Reifengeschäfte eine andauernde Einnahme zu verschaffen. Vielmehr sei er zu den Taten jeweils nur überredet worden und habe dadurch nur gelegentliche Einkünfte erzielt.

Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, daß gewerbsmäßiges Handeln im Sinn des § 130 (70) StGB. (in bezug auf einen schweren Diebstahl gemäß § 128 StGB.) die Absicht des Täters voraussetzt, sich durch

die Wiederholung von (schweren) Diebstählen eine - wenn auch in

strenger Begriffsbedeutung nicht unbedingt regelmäßige und ständige

- Einnahmsquelle zu verschaffen, die für einige Zeit ('fortlaufend')

wirksam werden soll. Daraus folgt aber, daß die Frage der Gewerbsmäßigkeit primär eine nach dem inneren Vorhaben des Täters zu

lösende Tatfrage ist (EvBl. 1977 Nr. 253).

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht - gedeckt durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens - diese Tatfrage dahin gelöst, daß sich der Angeklagte durch den Verkauf der immer wieder gestohlenen Reifen (absichtlich) eine Einnahmsquelle für längere Zeit verschaffen wollte und auch verschafft hat (S. 243/II). Für die Annahme, er habe nur fallweise und gelegentlich gleichartige Taten verübt, ist daher kein Raum.

Ohne Bedeutung ist dabei, inwieweit der Angeklagte neben dieser Einnahmsquelle über sonstige (legale) Einkünfte verfügte. Denn auf das Verhältnis zwischen den sonstigen Einkünften des Täters und dem aus den Straftaten erstrebten Einkommen kommt es nicht an. Vielmehr genügt es, wenn sich der Täter mit der kriminellen (fortlaufenden) Einnahmsquelle nur einen Zuschuß zu seinen anderen Einkünften verschaffen will (LSK. 1975/139, 1976/191 u.a.).

Da das Erstgericht mithin auch in rechtlicher Beziehung fehlerfrei angenommen hat, daß der Angeklagte die Reifendiebstähle gewerbsmäßig beging, war seine zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte Rudolf E (zugleich auch für das im ersten Rechtsgang einem rechtskräftigen Schuldspruch unterzogene Vergehen nach den § 12, 15, 151 Abs. 1 Z. 1 StGB.) nach dem § 128 Abs. 2 StGB.

unter Bedachtnahme auf § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Dabei wertete es die einschlägige Vorstrafe des Angeklagten, das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit einem Vergehen und den raschen Rückfall als erschwerend, das teilweise Zustandebringen des Diebsguts bzw. der verhehlten Sachen und den Versuch in einem Fall hingegen als mildernd. Mit seiner Berufung strebt Rudolf E eine Strafermäßigung an.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Im Hinblick auf die Verantwortung des Angeklagten kann vom Vorliegen

des Milderungsgrunds des § 34 Z. 17

StGB. nicht gesprochen werden. Die Gewerbsmäßigkeit des Diebstahls schließt begrifflich die Annahme der Unbesonnenheit aus. Ebenso kann bei den anderen inkriminierten Straftaten nach den Verfahrensergebnissen auf ein Handeln aus Unbesonnenheit nicht geschlossen werden.

Auch die weiteren, vom Berufungswerber ins Treffen geführten Milderungsgründe des längeren Zurückliegens der Tat und der verlockenden Gelegenheit sind nicht gegeben. Vielmehr kommt unter Berücksichtigung des bei den Diebstählen und bei der Hehlerei entstandenen hohen Schadens (rund 660.000 S) und der Tatsache, daß eine Versicherungssumme von 1,500.000 S auf dem Spiel stand (§ 12, 15, 151 Abs. 1 Z. 1 StGB.), ein weiterer, vom Erstgericht nicht berücksichtigter Erschwerungsgrund hinzu, sodaß die verhängte Freiheitsstrafe durchaus angemessen erscheint.

Die vom Berufungswerber begehrte Rücksichtnahme gemäß § 31 StGB. auf seine Verurteilung durch das Bezirksgericht St. Pölten vom 28. Oktober 1976, AZ. 6 U 1664/75, war wegen der Tatzeit des versuchten Versicherungsmißbrauchs - teilweise erst im November 1976 - nicht möglich.

Es war daher auch der Berufung der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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