European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00094.18Y.0913.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Rekurses selbst zu tragen.
Begründung:
Die Klägerin bezog bis 30. 9. 2014 eine befristet zuerkannte Berufsunfähigkeitspension. Am 3. 6. 2014 beantragte sie deren Weitergewährung.
Die beklagte Pensionsversicherungsanstalt lehnte mit Bescheid vom 2. 10. 2014 die Weitergewährung ab. Zugleich sprach sie aus, dass ab 1. 10. 2014 weiterhin vorübergehende Berufsunfähigkeit vorliege, als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitskraft der weitere Krankheitsverlauf abzuwarten sei, Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig seien und ab 1. 10. 2014 für die weitere Dauer der vorübergehenden Berufsunfähigkeit Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung bestehe.
Mit Schreiben vom 20. 11. 2015 teilte die Beklagte der Klägerin unter anderem Folgendes mit:
„Die Wiederbegutachtung hat ergeben, dass keine kalkülsrelevante Änderung Ihres Gesundheitszustands eingetreten ist und daher vorübergehende Berufsunfähigkeit weiterhin vorliegt. Als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung Ihrer Arbeitsfähigkeit ist nunmehr das Ergebnis weiterer Therapiemaßnahmen abzuwarten. Die angeführte Maßnahme der medizinischen Rehabilitation ist zur Besserung ihres Gesundheitszustands erforderlich und damit für die Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit notwendig.
Bitte beachten Sie, dass Sie verpflichtet sind, an der Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme entsprechend mitzuwirken. Andernfalls sind die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rehabilitationsgeld zu entziehen. Falls Sie eine bescheidmäßige Absprache über die angeführten Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation begehren, muss dies von Ihnen ausdrücklich beantragt werden.“
Am 17. 12. 2015 schrieb die Klägerin der Beklagten Folgendes:
„Hiermit stelle ich den Antrag auf bescheidmäßige Absprache, in Bezug auf Ihr Schreiben vom 20. 11. 2015.“
Die Beklagte sprach mit Bescheid vom 28. 1. 2016 aus, dass als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nunmehr das Ergebnis weiterer Therapiemaßnahmen abzuwarten sei.
Die Klägerin bezieht ab 1. 3. 2017 eine von der Beklagten mit Bescheid vom 3. 4. 2017 zuerkannte Berufsunfähigkeitspension.
Gegen den Bescheid vom 28. 1. 2016 erhob die Klägerin eine Klage , mit der sie die Berufsunfähigkeitspension bereits ab 1. 11. 2015 begehrt. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid sei der Gesundheitszustand nicht mehr besserungsfähig. Eine medizinische Rehabilitation sei nicht zweckmäßig. Mit Schreiben vom 17. 12. 2015 habe die Klägerin die bescheidmäßige Absprache über die Ablehnung der Weitergewährung einer Berufsunfähigkeitspension beantragt.
Die Beklagte wendete insbesondere ein, die Klägerin hätte einen Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension stellen müssen. Der angefochtene Bescheid habe nicht über die Weitergewährung der Berufsunfähigkeitspension abgesprochen.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension in gesetzlicher Höhe ab 1. 11. 2015. Seiner Ansicht nach enthalte das Schreiben der Klägerin vom 17. 12. 2015 den Antrag auf bescheidmäßige Absprache über die Berufsunfähigkeit.
Aus Anlass der Berufung der Beklagten hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichts sowie das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Das Schreiben der Klägerin vom 17. 12. 2015 enthalte keinen Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension. Gegenstand des Verfahrens bei der Beklagten sei nur der Ausspruch über Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation gewesen. Ein Bescheid über die Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension sei nicht ergangen.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Rekurs der Klägerin ist zufolge § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässig (RIS‑Justiz RS0043882 [T11]). Er ist aber nicht berechtigt.
2. Nach dem in Sozialrechtssachen geltenden Grundsatz der sukzessiven Kompetenz kann in einer Leistungssache – abgesehen vom Fall des § 65 Abs 1 Z 3 ASGG und vorbehaltlich des § 68 ASGG – das Gericht nur angerufen werden, wenn der Versicherungsträger entweder „darüber“, das heißt über den der betreffenden Leistungssache zugrundeliegenden Anspruch des Versicherten, bereits einen Bescheid erlassen hat oder mit der Bescheiderlassung säumig geworden ist (§ 67 Abs 1 ASGG; RIS‑Justiz RS0085867; 10 ObS 116/16f). Der Streitgegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens muss mit jenem des vorgeschalteten Verwaltungsverfahrens identisch sein. Ansonsten fehlt eine „darüber“ ergangene Entscheidung des Versicherungsträgers (RIS‑Justiz RS0124349). Die Klage ist dann nach § 73 ASGG von Amts wegen infolge Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen.
3. Mit dem SRÄG 2012, BGBl I 2013/3, ist für bestimmte Personengruppen (für die Jahrgänge ab 1964), zu denen auch die am 2. 1. 1964 geborene Klägerin zählt, ein Rechtsanspruch auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation im Fall der Ablehnung von beantragten Pensionsleistungen mangels Vorliegens dauernder Invalidität (Berufsunfähigkeit) und bei Feststellung vorübergehender Invalidität (Berufsunfähigkeit) im Ausmaß von mindestens sechs Monaten eingeführt worden. Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation in der Pensionsversicherung, die im Zusammenhang mit einem Pensionsantrag stehen, sind als Leistungssachen mit bedingter Bescheidpflicht iSd § 367 Abs 1 ASVG ausgestaltet (10 ObS 119/15w mwN, DrdA 2016/39, 349 [ Panhölzl ] = SSV‑NF 30/3, RIS‑Justiz RS0130606). Ein Fall einer bedingten Bescheidpflicht liegt vor, wenn die beantragte Leistung ganz oder teilweise abgelehnt wird und der Anspruchswerber ausdrücklich einen Bescheid verlangt (§ 367 Abs 1 Z 2 ASVG).
4. Von einer bedingten Bescheidpflicht in Ansehung einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation ist die Beklagte in ihrem Schreiben vom 20. 11. 2015 eindeutig ausgegangen, indem sie zunächst eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation bezeichnete (in Form des Abwartens auf das Ergebnis weiterer Therapiemaßnahmen) und auf die ausdrückliche Antragspflicht der Klägerin in Ansehung eines Bescheids über diese Maßnahme hinwies. Nach dem klaren und unmissverständlichen Inhalt des Schreibens der Klägerin vom 7. 12. 2015 beantragte die Klägerin als Reaktion auf die Mitteilung der Beklagten einen Bescheid über die angeführte Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Ausschließlich eine solche Maßnahme war daher Gegenstand sowohl des Antrags als auch des darüber absprechenden Bescheids vom 28. 1. 2016, den die Klägerin nunmehr im sozialgerichtlichen Verfahren anficht. Für die gewünschte Interpretation des Inhalts von Antrag und Bescheid, die nach der Vorstellung der Klägerin auch die Entscheidung über die Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension von 1. 11. 2015 bis 30. 6. 2017 erfassen soll, gibt es keine Grundlage.
5. Das Berufungsgericht ist somit zutreffend von der Unzulässigkeit des Rechtswegs nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG ausgegangen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 528a ZPO).
6. Die Voraussetzungen für einen Kostenersatz nach Billigkeit iSd § 77 Abs 2 lit b ASGG liegen nicht vor.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)