Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 3.087 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 514,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 12. Oktober 1939 geborene Kläger ist seit 1. Jänner 1989 in der Lage, leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen in der normalen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen zu verrichten. Arbeiten, die in Nässe und Kälte sowie in feucht-kaltem Milieu zu verrichten sind, kann der Kläger nicht ausführen, wenn ein Kälteschutz nicht möglich ist. Er ist nicht in der Lage, Hebe- und Tragearbeiten in der Gemeinschaft, ausgesprochen feinmechanische Arbeiten sowie Akkord- und Bandarbeiten zu verrichten. Zufolge einer bestehenden Dickdarmentzündung ist aus dieser Ursache mit hoher Wahrscheinlichkeit mit jährlichen Krankenständen in der Dauer von 2 Monaten zu rechnen, die sich als Teilkrankenstände auf das Jahr verteilen.
Das Erstgericht gab dem auf Gewährung der Invaliditätspension ab 1. Juni 1987 gerichteten Begehren des Klägers teilweise Folge, verpflichtete die beklagte Partei, dem Kläger die Invaliditätspension ab 1. Jänner 1989 zu leisten und wies das Begehren für den davorliegenden Zeitraum (unangefochten) ab. Mit Beginn des Jahres 1989 sei eine Verschlechterung im Zustand des Klägers eingetreten, die nunmehr Krankenstände von jährlich 2 Monaten zur Folge habe. Krankenstände in dieser Dauer bedingten einen Ausschluß vom Arbeitsmarkt, zumal der Kläger einschließlich des Urlaubes an seinem Arbeitsplatz während eines Viertels des Jahres nicht zur Verfügung stehe. Dies stehe einer Verweisbarkeit entgegen. Davor sei der Kläger jedoch in der Lage gewesen, unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes einer zumutbaren Tätigkeit nachzugehen, sodaß die Voraussetzungen für die begehrte Leistung bis zum 31. Dezember 1988 nicht bestanden hätten. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Begehren des Klägers zur Gänze ab. Krankenstände hätten einen Ausschluß vom Arbeitsmarkt nur zur Folge, wenn sie häufig aufträten und von solcher Dauer seien, daß von einer geregelten Tätigkeit nicht mehr gesprochen werden könne. Seien Krankenstände in der Dauer von bis zu 2 Monaten zu erwarten, hätte die Rechtsprechung bisher einen Ausschluß vom Arbeitsmarkt nur angenommen, wenn diese als häufige Teilkrankenstände mit sehr ungünstiger Verteilung zu erwarten seien. Dafür bestehe jedoch hier kein Anhaltspunkt. Andernfalls bedingten jedoch Krankenstände in der Gesamtdauer von 2 Monaten jährlich noch keinen Ausschluß vom Arbeitsmarkt; daß der Kläger darüber hinaus auch während des Urlaubes an seinem Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stehe, habe außer Betracht zu bleiben. Da er in der Lage sei, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit eines Karosseurs weiterhin zu verrichten, seien die Voraussetzungen für die Gewährung der Invaliditätspension nicht erfüllt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die beklagte Partei zur Gewährung der Invaliditätspension ab 1. Jänner 1989 verpflichtet werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Im Rahmen der Mängelrüge werden ausschließlich Feststellungsmängel geltend gemacht. Die in diesem Zusammenhang relevierten Fragen sind jedoch, wie unten darzustellen sein wird, für die rechtliche Beurteilung nicht entscheidend.
Der Rechtsrüge kommt Berechtigung zu.
Der Oberste Gerichtshof hat bisher bei Krankenständen von durchschnittlich 6 Wochen (SSV-NF 3/45), 30 Krankenstandstagen (10 Ob S 128/89), 30 bis 40 Krankenstandstagen (10 Ob S 153/89) oder 30 Arbeitstagen (10 Ob S 157/89) im Jahr einen Ausschluß vom allgemeinen Arbeitsmarkt verneint. Es hat dies damit begründet, daß im Jahr 1986 in Österreich auf 1000 Beschäftigte insgesamt 1056 Krankenstandsfälle und auf jeden Fall 14,6 Krankstandstage kamen und daher Krankenstände in der in den vorzitierten Entscheidungen festgestellten Dauer das Maß des Üblichen nicht so beträchtlich übersteigen, daß von einem Ausschluß vom Arbeitsmarkt gesprochen werden könne. In der Entscheidung 10 Ob S 385/89 (SSV-NF 3/152 in Druck) wurde jedoch bei zu erwartenden Krankenständen in der Dauer von 8 Wochen jährliih ein Ausschluß vom Arbeitsmarkt angenommen. Die Grundsätze dieser Entscheidung sind auch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Die beim Kläger zu erwartenden Krankenstände übersteigen das bisher für unbeachtlich angesehene Ausmaß erheblich. Die Dauer erreicht mehr als das Vierfache der durchschnittlichen Krankenstandstage, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß zu den auf das Leiden des Klägers zurückzuführenden Krankenständen noch solche kommen können, die durch andere Ursachen wie Erkältungen bedingt sind. Unter diesen Umständen ist aber nach Ansicht des erkennenden Senates die Fähigkeit zu einer geregelten Beschäftigung nicht mehr gegeben, ohne daß es darauf ankäme, in welcher Dauer und in welchen Abständen Teilkrankenstände auftreten. Der Kläger ist schon wegen der Dauer der mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden leidensbedingten Krankenstände vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, sodaß die Voraussetzungen für die Gewährung der Invaliditätspension erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.
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