OGH 10ObS86/11m

OGH10ObS86/11m8.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Andrea Eisler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Feststellung von Versicherungszeiten, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Mai 2011, GZ 25 Rs 24/11g-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. Juli 2010, GZ 33 Cgs 78/10p-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 31. 10. 1947 geborene Klägerin besuchte vom 1. 10. 1953 bis 15. 6. 1961 die Volksschule und war zum Zeitpunkt der Beendigung ihrer Schulpflicht 13 Jahre alt. Die Eltern der Klägerin betrieben eine Landwirtschaft, wobei die Klägerin bereits von Kindheit an immer am elterlichen Hof mitarbeiten musste. Auch vom 16. 6. 1961 bis 13. 5. 1962 und vom 16. 9. 1962 bis 31. 10. 1962 war sie in der elterlichen Landwirtschaft beschäftigt; sie ging während dieser Zeit - abgesehen vom Besuch der hauswirtschaftlichen Berufsschule - keiner sonstigen beruflichen Tätigkeit nach. Für diese Zeiten ihrer Mitarbeit in der elterlichen Landwirtschaft wurde die Klägerin nicht zur Sozialversicherung angemeldet; es wurden auch keine Sozial-(Pensions-)versicherungsbeiträge entrichtet bzw nachentrichtet.

Am 15. 12. 2008 stellte die Klägerin an die Sozialversicherungsanstalt der Bauern den Antrag auf Feststellung der Versicherungszeiten vom 1. 6. 1961 bis 31. 10. 1962. Nach einer formlosen Mitteilung, dass diese Versicherungszeiten nicht anrechenbar seien, beantragte sie am 13. 2. 2009 die Erlassung eines Bescheids. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern trat diesen Antrag zuständigkeitshalber an die beklagte Partei ab. Da die beklagte Partei über diesen Antrag nicht entschieden hat, stellte die Klägerin am 9. 9. 2009 einen Devolutionsantrag gemäß § 410 Abs 2 ASVG.

In der Zwischenzeit hatte die beklagte Partei mit Bescheid vom 6. 2. 2008 den Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Alterspension ab 1. 11. 2007 anerkannt und die monatliche Pension mit 1.186,49 EUR festgesetzt. Diesen Bescheid bekämpfte die Klägerin mit ihrer zur AZ 35 Cgs 118/08g des Erstgerichts rechtzeitig eingebrachten und auf die Gewährung einer höheren Pensionsleistung gerichteten Klage unter anderem mit dem Argument, dass die bei der Berechnung der Höhe der Penision herangezogenen Versicherungsmonate nicht nachvollziehbar seien. In diesem Verfahren listete die beklagte Partei sodann die von ihr berücksichtigten Versicherungszeiten auf, wobei sich unter diesen Versicherungszeiten hinsichtlich des hier verfahrensgegenständlichen Zeitraums vom 1. 6. 1961 bis 31. 10. 1962 nur der Zeitraum vom (beide Monate eingeschlossen) Mai 1962 bis September 1962, während dem die Klägerin für die Vorarlberger Landesregierung tätig war, befand. Während dieses laufenden Verfahrens setzte die beklagte Partei mit Bescheid vom 29. 7. 2008 die der Klägerin zuerkannte Alterspension ab 1. 11. 2007 aufgrund einer mittlerweile erfolgten Entrichtung verjährter Penisionsbeiträge mit 1.247,09 EUR monatlich neu fest, worauf das Erstgericht mit seinem in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 18. 11. 2008 diese Klage abgewiesen hat.

Den Bescheid der beklagten Partei vom 29. 7. 2008 bekämpfte die Klägerin mit ihrer zur AZ 34 Cgs 273/08v des Erstgerichts rechtzeitig eingebrachten und auf die Gewährung einer höheren Pensionsleistung gerichteten Klage, wobei sie auch in dieser Klage die bereits im Vorverfahren AZ 35 Cgs 118/08g des Erstgerichts erwähnte Argumentation wiederholte. Die beklagte Partei gab daraufhin auch in diesem Verfahren die von ihr berücksichtigten Versicherungszeiten bekannt, wobei hinsichtlich des hier maßgebenden Zeitraums wiederum nur die Zeit von Mai bis September 1962 Berücksichtigung fand. Im Zuge dieses Verfahrens gelang der Klägerin der Nachweis, dass einer ihrer Dienstgeber im Jahr 2004 zu geringe Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hatte. Da diese Beträge nachbezahlt wurden, setzte die beklagte Partei während des laufenden Verfahrens zur AZ 34 Cgs 273/08v des Erstgerichts mit Bescheid vom 23. 11. 2009 die Pension der Klägerin ab 1. 11. 2007 neu mit 1.249,35 EUR monatlich (und ab 1. 11. 2008 mit 1.291,38 EUR monatlich) fest, wobei auch aus diesem Bescheid die von der beklagten Partei der Bemessung der Pension zugrundegelegten Zeiten nicht hervorgehen. Infolge dieses Bescheids, den die Klägerin nicht bekämpfte und der daher in Rechtskraft erwuchs, wies das Erstgericht mit seinem Urteil vom 1. 12. 2009, AZ 34 Cgs 273/08v, die Klage wiederum rechtskräftig ab.

In der im gegenständlichen Verfahren erhobenen Säumnisklage trug die Klägerin vor, sie habe vom 1. 6. 1961 bis 31. 10. 1962 in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. Dadurch habe sie Versicherungszeiten erworben, die sich pensionsbegründend und -erhöhend auswirkten, bisher allerdings noch nicht festgestellt worden seien. Da über ihren Antrag, diese Zeiten als Versicherungszeiten festzustellen, nicht entschieden worden sei, begehre sie nunmehr die Feststellung, dass sie im Zeitraum vom 1. 6. 1961 bis 31. 10. 1962 Versicherungszeiten der Pensionsversicherung erworben habe.

Die beklagte Partei beantragte die Zurückweisung der Säumnisklage wegen entschiedener Rechtssache, weil mit ihrem Bescheid vom 23. 11. 2009 rechtskräftig über die Versicherungszeiten der Klägerin abgesprochen worden sei.

Das Erstgericht wies ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt das Begehren der Klägerin, es werde festgestellt, dass sie im Zeitraum vom 1. 6. 1961 bis 31. 10. 1962 (durch die Beschäftigung in der elterlichen Landwirtschaft) Versicherungszeiten der Pensionsversicherung erworben habe, ab. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, der Rechtsweg sei zulässig, weil die beklagte Partei über den Antrag der Klägerin auf Feststellung der Versicherungszeiten innerhalb von sechs Monaten nicht entschieden habe und auch dem Bescheid der beklagten Partei vom 23. 11. 2009 keinerlei Versicherungszeiten zu entnehmen seien. Während des hier verfahrensgegenständlichen Zeitraums sei das landwirtschaftliche Zuschussrentenversicherungsgesetz (LZVG) in Geltung gestanden. Dieses habe in seinem § 2 Abs 1 Z 2 geregelt, dass unter anderem Kinder von Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitergesetzes, BGBl Nr 140/1948, führten, in diesem Betrieb regelmäßig beschäftigt werden und hauptberuflich keiner anderen Beschäftigung nachgehen, in der landwirtschaftlichen Zuschussrentenversicherung pflichtversichert seien, wobei nach § 2 Abs 3 LZVG jene Beschäftigung „als regelmäßig“ gelte, die innerhalb eines Kalenderjahres mindestens sechs Monate dauere. Nach § 4 Abs 1 Z 2 LZVG bestehe diese Pflichtversicherung jeweils im ganzen Kalenderjahr, in dem durch mindestens sechs Monate die die Pflichtversicherung begründende Tätigkeit ausgeübt werde, sie beginne jedoch nach § 4 Abs 2 LZVG frühestens mit dem Beginn des Kalenderjahres, in dem der Versicherte das 20. Lebensjahr vollendet habe. Nach § 107 Abs 1 Z 1 BSVG würden zwar Zeiten der Ausübung einer Tätigkeit in der Landwirtschaft vor Einführung der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach den BSVG grundsätzlich als Ersatzzeiten angerechnet, jedoch sei auch der subsidiäre Erwerb von Ersatzzeiten gemäß § 107 Abs 1 BSVG hier ausgeschlossen, weil solche erst nach Vollendung des 15. Lebensjahres (im Fall der Klägerin ab dem 1. 11. 1962) erworben werden könnten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

Die Säumnisklage der Klägerin sei zulässig, weil die beklagte Partei über den Antrag der Klägerin auf Feststellung der Versicherungszeiten nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Eingang des Antrags entschieden habe. Dass der im gegenständlichen Fall von der Klägerin relevierte Zeitraum vom 1. 6. 1961 bis 31. 10. 1962 auch Zeiten (Mai 1962 bis Oktober 1962) umfasse, welche von der beklagten Partei bei der Erlassung des Pensionsbescheids - offensichtlich - berücksichtigt worden seien, schade nicht, weil eine nicht unter den Voraussetzungen des § 247 ASVG bzw § 108a BSVG ergangene Verständigung über Versicherungszeiten durch den Versicherungsträger als bloße Mitteilung immer unverbindlich sei. Da in keinem der Pensionsbescheide diese Zeit im erörterten Sinn „bescheidmäßig erfasst“ sei und das Vorbringen der beklagten Partei in den beiden erwähnten Vorverfahren vor dem Erstgericht reine Prozessbehauptungen darstellten, denen keineswegs die Eignung zukomme, daraus jedenfalls und rechtlich bindend anzunehmen, dass auch die Zeit vom Mai 1962 bis Oktober 1962 als Versicherungszeit anzurechnen sei, stehe der Umstand, dass die beklagte Partei - offensichtlich und tatsächlich - diesen Zeitraum bereits berücksichtigt habe, dem erhobenen Klagebegehren nicht entgegen. Da die von der Klägerin relevierten Zeiten (höchstens) Ersatzzeiten nach § 107 Abs 1 Z 1 BSVG sein könnten, sei auch eine Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 74 ASGG nicht erforderlich.

Im Hinblick auf die Argumentation der Klägerin sei damit zu prüfen, ob die gesetzliche Regelung des § 107 Abs 1 Z 1 BSVG, wonach Arbeitsleistungen, die bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres erbracht werden, keine Versicherungszeiten seien, eine Diskriminierung aufgrund des Alters darstelle und insofern dem Unionsrecht widerspreche.

Die im § 107 Abs 1 Z 1 BSVG normierte Altersgrenze ab „Vollendung des 15. Lebensjahres“ stehe mit der Bestimmung des § 2 Abs 4 BSVG im Zusammenhang, wonach die Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 2 BSVG mit Vollendung des 15. Lebensjahres (im LZVG gar erst mit Vollendung des 20. Lebensjahres) eintrete. Diese Altersgrenze ergebe sich aus der Schulpflicht, welche bis zum Bundesgesetz vom 25. 7. 1962 über die Schulpflicht (BGBl 1962/241) nach § 25 Abs 4 dieses Gesetzes acht Schuljahre betragen habe. Erst mit 1. 9. 1966 sei die Schulpflicht mit neun Jahren festgelegt worden. Allerdings habe das Schulpflichtgesetz 1962 in seinem § 28 vorgesehen, dass bis zu einer anderweitigen bundesgesetzlichen Regelung im Land Vorarlberg für Mädchen, die ihre allgemeine Schulpflicht erfüllt haben (wie es für die Klägerin demnach mit Ablauf des Schuljahres 1960/61 mit 15. 6. 1961 der Fall gewesen sei) und keine mittlere oder höhere Schule (einschließlich der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen und der höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten) besuchten und auch nicht zum Besuch einer anderen Berufsschule verpflichtet gewesen seien, die Pflicht zum Besuch der hauswirtschaftlichen Berufsschule bestanden habe. Diese hauswirtschaftliche Berufsschulpflicht habe mit dem der Beendigung der allgemeinen Schulpflicht folgenden Schulanfang begonnen und habe zwei Schuljahre, längstens jedoch bis zur Erreichung des 18. Lebensjahres oder der früheren Verehelichung gedauert. Daraus folge, dass die Klägerin ihre Schulpflicht erst mit Ablauf des Schuljahres 1962/63 abgeschlossen habe und damit die hier verfahrensgegenständlichen Zeiten bis 31. 10. 1962 jedenfalls noch innerhalb der Schulpflicht und vor Vollendung des 15. Lebensjahres gelegen seien.

Der Klägerin sei zwar darin zu folgen, dass der EuGH in einer Reihe von Entscheidungen ein Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters nach der Richtlinie 2000/78/EG bejaht habe. Diese Richtlinie sei aber, da sie ausdrücklich auf die Gleichbehandlung in Beschäftigung und im Beruf abziele, auf die hier interessierenden sozial- bzw pensionsversicherungsrechtlichen Fragen keineswegs unmittelbar anwendbar, sodass für die Klägerin aus diesen Entscheidungen unmittelbar nichts zu gewinnen sei.

Zu berücksichtigen sei weiters, dass die Arbeitsleistungen der Klägerin vor dem Hintergrund des Bundesgesetzes vom 1. 7. 1948 über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen (BGBl 1948/146) zu betrachten seien. Danach hätten bis April 1962 Kinder zu Arbeiten irgendwelcher Art grundsätzlich nicht herangezogen werden dürfen, wobei als „Kinder“ in diesem Sinne alle jene Personen gegolten haben, die die gesetzliche Schulpflicht noch nicht vollendet hatten. Als Kinderarbeit sei die entgeltliche bzw die, wenn auch nicht besonders entlohnte, regelmäßige Verwendung von Kindern zu Arbeiten jeder Art definiert worden, es sei denn, diese Arbeiten seien zu Zwecken des Unterrichts und/oder der Erziehung geschehen. Auch die Heranziehung von Kindern zu vereinzelten Dienstleistungen und die Beschäftigung eigener Kinder mit leichten, wenn auch regelmäßigen Leistungen von geringer Dauer im Haushalt (und nicht wie hier in der Landwirtschaft) sei erlaubt gewesen. Im April 1962 seien diese Regelungen dahingehend abgeändert worden, dass Kinder, die das 12. Lebensjahr vollendet hatten, außerhalb der für den Schulbesuch vorgesehenen Stunden im „Familienbetrieb“ mit leichten und vereinzelten Arbeiten beschäftigt werden durften, wobei auch diese leichten Arbeiten nicht mehr als zwei Stunden/Tag und die Gesamtzahl der dem Schulunterricht und der den leichten Arbeiten gewidmeten Zeiten keinesfalls mehr als sieben Stunden/Tag betragen durften.

Aus dieser Gesetzeslage ergebe sich, dass „Kinderarbeit“ grundsätzlich nur ausnahmsweise in besonderen Fällen unter massiven Einschränkungen zulässig gewesen sei und im Verhältnis zwischen mj Kindern und ihren Eltern zu vermuten gewesen sei, dass sie bei einer Mitarbeit im elterlichen Betrieb einer familienrechtlichen Mitarbeitsverpflichtung entsprochen hätten. Damit sei aber insgesamt die hier verfahrensgegenständliche Altersgrenze von 15 Jahren insofern nicht unsachlich (und damit nicht diskriminierend), als nach der oben dargestellten Gesetzeslage, die wohl den damaligen gesellschaftlichen Konsens widerspiegle, „Kinderarbeit“ grundsätzlich unerwünscht gewesen sei und eine solche nicht durch Erlangung pensions- bzw sozialversicherungsrechtlicher Vorteile gefördert werden sollte.

Das Abstellen auf den Zeitpunkt der „Vollendung des 15. Lebensjahres“ sei als eine Stichtagsregelung zu betrachten. Nach einhelliger Rechtsprechung sei der Gesetzgeber in seinen rechts- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei und es stehe ihm insofern ein Gestaltungsspielraum zu. Da der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen habe, dass gegen § 107 Abs 1 Z 1 BSVG keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden, da wegen der mit der beitragsfreien Anrechnung von Ersatzzeiten verbundenen besonderen Belastungen der Versichertengemeinschaft eine Einschränkung derartiger Anrechnungen sachgerecht erscheine, vermöge auch das Berufungsgericht eine Diskriminierung der verfahrensgegenständlichen Bestimmungen nicht zu erkennen. Damit fehle es aber an einer gesetzlichen Grundlage, um die Zeit vom 16. 6. 1961 bis 31. 10. 1962 (abgesehen von der Zeit vom 14. 5. 1962 bis 15. 9. 1962) als Ersatzzeiten zu qualifizieren. Das Begehren der Klägerin sei daher nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine aktuelle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Altersgrenze des § 107 Abs 1 Z 1 BSVG dem Verbot der Diskriminierung wegen des Lebensalters widerspreche, vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin vertritt in ihrem Rechtsmittel weiterhin die Ansicht, die Regelung des § 107 Abs 1 Z 1 BSVG, wonach Ersatzzeiten erst nach Vollendung des 15. Lebensjahres erworben werden können, sei verfassungswidrig bzw verstoße diese Regelung gegen das Verbot der Diskriminierung des Alters im Sinne der Gleichbehandlungsrahmen-RL 2000/78/EG .

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

1. Soweit die Revisionswerberin verfassungsrechtliche Bedenken gegen die erwähnte Regelung des § 107 Abs 1 Z 1 BSVG geltend macht, kann auf die Richtigkeit der Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).

1.1 Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Dieser hat in seiner Entscheidung AZ 9 ObA 38/07i zur vergleichbaren Regelung des § 7 Abs 1 Z 1 BThPG, wonach für die Bemessung des Ruhegenusses von Baletttänzern - unter hier nicht interessierenden Voraussetzungen - jede in den Bundestheatern nach Vollendung des 18. Lebensjahres, bei Bediensteten des Balettkorps nach Vollendung des 15. Lebensjahres, zurückgelegte Dienstzeit anzurechnen ist, bereits ausgesprochen, dass die Altersgrenze für die Balettmitglieder mit der Vollendung des 15. Lebensjahres den schon damals geltenden Bestimmungen über die Schulpflicht und über die Zulässigkeit der Kinder- und Jugendbeschäftigung sowie den daraus ersichtlichen gesellschaftlichen Wertvorstellungen entspricht und diese für die Anrechnung von Balettdienstzeiten normierte Altersgrenze daher nicht verfassungswidrig ist (idS auch 9 ObA 76/07b, wbl 2008/159).

1.2 Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise auch im vorliegenden Fall. Bei Ersatzzeiten handelt es sich um Zeiten, die, ohne dass für sie ein Beitrag entrichtet worden wäre, in der Pensionsversicherung als leistungswirksam berücksichtigt werden. Wegen der besonderen finanziellen Belastung, die die Versichertengemeinschaft durch solche beitragsfreie anzurechnenden Ersatzzeiten trifft, sieht der Gesetzgeber bei verschiedenen Ersatzzeiten Anrechnungsbeschränkungen für die Leistungsbemessung vor, die teilweise an das Lebensalter des Versicherten geknüpft, teilweise von diesem unabhängig sind. Gegen die Regelung des § 107 Abs 1 Z 1 BSVG über die Anrechnung von Ersatzzeiten erst ab dem vollendeten 15. Lebensjahr bestehen daher auch im vorliegenden Fall keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl 10 ObS 179/06f, SSV-NF 20/83; 10 ObS 300/02v, SSV-NF 16/118 ua).

2. Der Oberste Gerichtshof hat in der bereits zitierten Entscheidung AZ 9 ObA 38/07i auch die Auffassung vertreten, dass die für die Anrechnung von Balettdienstzeiten normierte Altersgrenze als legitimes Ziel der Bildungspolitik im Sinne des notwendigen Schutzes von Jugendlichen auch nach den Kriterien der Gleichbehandlungsrahmen-RL 2000/78/EG gerechtfertigt sei.

2.1 Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Frage kann im vorliegenden Fall unterbleiben, weil sich die RL 2000/78/EG lediglich auf ungerechtfertigte Benachteiligungen in der Arbeitswelt erstreckt, während sich die RL 2000/43/EG gegen rassistische und ethnische Diskriminierungen auch in Bezug auf Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste, soziale Vergünstigungen, Bildung sowie den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen richtet. Die Gleichbehandlungsrahmen-RL 2000/78/EG hingegen gilt gemäß ihrem Art 3 Abs 3 ausdrücklich nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes (vgl auch Erwägungsgrund 13 dieser Richtlinie; vgl Winkler, Die neuen europäischen Gleichbehandlungsregeln, ZAS 2004/10, 52 ff [53]; R. Schindler, Zur Umsetzung der EU-Richtlinien in Österreich, DRdA 2003, 402 ff und 523 ff [530]). Von der Gleichbehandlungsrahmen-RL 2000/78/EG sind daher gesetzliche Systeme der sozialen Sicherheit iSd VO 1408/71 /EWG bzw nunmehr 883/2004/EG nicht erfasst (vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 1 Rz 2 und § 30 Rz 7).

2.2 Auch der Umstand, dass das Gebot der Gleichbehandlung auch ein (ungeschriebenes) Grundrecht der Gemeinschaft ist, ändert nichts an dem Charakter des Art 19 AEUV als Kompetenznorm und erweitert deshalb auch nicht den auf das Arbeitsrecht beschränkten Geltungsbereich des Diskriminierungsverbots der Gleichbehandlungsrahmen-RL 2000/78/EG in das Sozialrecht. Werden in einigen speziellen Bereichen des Sozialrechts Regelungen erlassen, wie in der RL 79/7/EWG das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts, dann gilt das gemeinschaftsrechtliche Grundrecht der Nichtdiskriminierung auch nur im Rahmen dieser Richtlinie und ihrer Schranken (vgl Bieback in Fuchs, Europäisches Sozialrecht5 503). Der gegenständliche Fall fällt daher nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts (vgl G. P.Reissner, Der ältere Arbeitnehmer - Altersbezogene Schutzbestimmungen im Lichte des Antidiskriminierungsrechts, DRdA 2010, 24 ff [35]).

Die Revision der Klägerin musste daher aufgrund der dargelegten Erwägungen erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Gründe für einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

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