European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:010OBS00081.14F.0826.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Im Vordergrund des Beschwerdebilds des am 28. 11. 1961 geborenen Klägers steht eine paranoide Schizophrenie, eine Polytoxikomanie und eine Hepatitis‑C Erkrankung.
Aufgrund des Urteils des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 17. 3. 2009 wurde dem Kläger das Pflegegeld der Stufe 3 zuerkannt. Das in diesem Verfahren eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten der DDr. W***** erbrachte einen Gesamtpflegebedarf von 133 Stunden im monatlichen Durchschnitt. Die Besserung des Gesundheitszustands des Klägers wurde für möglich erachtet.
Mit Bescheid der beklagten Partei vom 14. 7. 2011 wurde das Pflegegeld ab 1. 9. 2013 auf Stufe 2 herabgesetzt.
Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Im Zuge des erstinstanzlichen Beweisverfahrens wurde Dr. H***** zum neurologisch-psychiatrischen Gerichtssachverständigen bestellt. Dieser ging in seinem Gutachten von einer wesentlichen Änderung im Sinne einer Besserung des Gesundheitszustands des Klägers gegenüber dem Vorgutachten aus, die die Herabsetzung auf die Pflegegeldstufe 2 rechtfertigt.
Zur Widerlegung dieses Gutachtens legte der Kläger daraufhin ein von ihm in Auftrag gegebenes Privatgutachten (Aktengutachten) der im Vorverfahren bestellten Sachverständigen DDr. W***** vor. Nach dem Ergebnis dieses Gutachtens ist keine wesentliche Besserung des Gesundheitszustands und des Pflegebedarfs gegenüber dem Gewährungszeitpunkt eingetreten.
Das Erstgericht folgte in seiner Beweiswürdigung dem Gutachten des Dr. H***** und ging davon aus, dass eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustands eingetreten ist.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
In seiner außerordentlichen Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend, es fehlten Feststellungen, worin die nachhaltige Besserung des Zustandsbilds bestehen sollte. Das Gutachten des Dr. H***** sei grob mangelhaft und verstoße gegen die allgemeine Lebenserfahrung. Der Sachverständige habe seine gutachterliche Einschätzung im Zuge des Verfahrens mehrfach abgeändert. In einem krassen, nicht auflösbaren Widerspruch zu der angenommenen wesentlichen Besserung des Gesundheitszustands stehe zudem die Tatsache, dass der Sachverständige die Voraussetzungen für die Gewährung eines Erschwerniszuschlags gemäß § 4 Abs 5 BPGG als gegeben ansehe. Ein Erschwerniszuschlag sei in der Regel aber nur bei schweren psychischen Erkrankungen zu gewähren.
Rechtliche Beurteilung
Dazu ist auszuführen:
1.1. Die Frage, ob ein rechtskräftig zuerkanntes Pflegegeld neu zu bemessen ist, richtet sich nach § 9 Abs 4 BPGG. Demnach muss eine für die Höhe des Pflegegelds wesentliche Veränderung eintreten. Dabei sind die Änderungen im Pflegebedarf, der für das Ausmaß der Pflegegeldstufe maßgeblich ist, zueinander in Beziehung zu setzen (10 ObS 32/10v, SSV-NF 24/23). Auf dieser Basis ist dann zu beurteilen, ob sich die objektiven Grundlagen für die seinerzeitige Leistungszuerkennung so wesentlich geändert haben, dass nun - im Hinblick auf eben diese wesentliche Änderung - Anspruch auf eine andere Pflegegeldstufe besteht (10 ObS 387/98d, SSV‑NF 12/166; RIS-Justiz RS0083884 [T11 und T12]). Eine Herabsetzung des Pflegegeldanspruchs setzt somit im Regelfall eine wesentliche Veränderung des Zustandsbilds des Pflegebedürftigen und in dessen Folge eine wesentliche Änderung im Umfang des Pflegebedarfs voraus, die die Gewährung einer anderen Pflegegeldstufe erforderlich macht.
1.2. Mit diesen Grundsätzen steht die Entscheidung des Berufungsgerichts in Einklang, indem das Berufungsgericht die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen dazu übernommen hat, worin die Besserung gegenüber dem Vorgutachten besteht und zu welchen Änderungen diese Besserung bei den Verrichtungen des täglichen Lebens geführt hat (siehe S 12 des Berufungsurteils).
2.1. Die Frage, ob ein Sachverständigengutachten schlüssig und nachvollziehbar ist, gehört zur Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen und kann im Revisionsverfahren nicht überprüft werden (RIS-Justiz RS0043320 [T12, T14]).
2.2. Mittels Rechtsrüge sind Gutachtensergebnisse nur bekämpfbar, wenn dabei ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze, (sonstige) Erfahrungssätze oder zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks unterlaufen sind (RIS‑Justiz RS0043168; RS0043404 ua). Einen Verstoß dieser Art zeigt die außerordentliche Revision des Klägers aber nicht auf:
2.3. Die angesprochene Frage, ob dem Sachverständigengutachten gefolgt werden kann oder ob die darin getroffenen Aussagen bedenklich oder nicht ausreichend nachvollziehbar sind, ist eine solche der nicht revisiblen Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0043163; RS0043320; RS0043414) und wurde von den Vorinstanzen (unanfechtbar) dahin beantwortet, dass die Ausführungen des Klägers, mit denen die Richtigkeit des Gutachtensergebnisses bezweifelt werden, nicht überzeugend sind. Die ‑ anhand des Gutachtens des Dr. H***** ‑ getroffenen Feststellungen sind in der Revision daher nicht mehr angreifbar und einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen.
Da eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht aufgezeigt wird, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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