OGH 10ObS77/94

OGH10ObS77/9414.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing. Walter Holzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Robert Eheim (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann H*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Herbert Grass und Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. Dezember 1993, GZ 8 Rs 74/93-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 14. Juni 1993, GZ 32 Cgs 21/93i-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt am 28.10.1991 als Monteur im Betrieb seines Dienstgebers einen Arbeitsunfall, bei dem er eine Quetschung des rechten Fußes erlitt. Am 25.2.1992 wurde er wegen Gonarthrose bei Patella luxurians links und degenerativen medialen Meniscusschaden sowie ausgedehnten Knorpelschaden des medialen Oberschenkelrollhöckers stationär behandelt.

Mit Bescheid der beklagten Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt vom 2.2.1993 wurde die Gewährung einer Rente aus Anlaß des Arbeitsunfall vom 28.10.1991 mangels anspruchsbegründenden Ausmaßes der Minderung der Erwerbsfähigkeit abgewiesen.

Der Kläger begehrt die Zuerkennung einer "Invaliditätspension" (richtig: Versehrtenrente) im gesetzlichen Ausmaß aus diesem Arbeitsunfall. Es liege eine zumindest 50%-ige Minderung der Erwerbsfähigkeit vor. Bis Oktober 1991 seien beim Kläger keinerlei Erkrankungen der Extremitäten vorgelegen. Die Erkrankungen des linken Kniegelenkes seien als unfallskausale Folge des Arbeitsunfalls anzusehen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Kniegelenksoperation links sei unfallsunabhängig und die Erkrankungen des linken Kniegelenkes seien auf degenerative Erscheinungen zurückzuführen. Die unfallsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit liege unter 10 v.H.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest, die Gonarthrose am linken Kniegelenk bei Patella luxurians links sowie der degenerative mediale Meniscusschaden und ausgedehnten Knorpelschaden könnten nicht als unfallskausales Geschehen angesehen werden. Die aufgetretenen Beschwerden am linken Kniegelenk seien durch Mehrbelastung verursacht, sie wären beim Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit auch ohne das Unfallgeschehen aufgetreten. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, ein Anspruch auf Versehrtenrente bestehe gemäß § 203 Abs 1 ASVG nur dann, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalls über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20 v.H. vermindert sei. Da die unfallskausale Minderung der Erwerbsfähigkeit unter 10 v.H. betrage, habe der Kläger keinen Anspruch auf Versehrtenrente.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte die geltend gemachten Verfahrensmängel und hatte gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung keine Bedenken. Der Rechtsrüge des Klägers hielt es entgegen, daß der Körperschaden nur dann der Unfallversicherung zugerechnet würde, wenn er ohne den Umstand aus der Gefahrensphäre der Unfallversicherung erheblich später oder erheblich geringer eingetreten wäre. Dabei sei eine Verfrühung des Körperschadens durch den Unfall um mehr als ein Jahr jedenfalls erheblich anzusehen (SSV-NF 5/22). Nach den Feststellungen wären beim Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit auch ohne das Unfallsgeschehen die Beschwerden am linken Kniegelenk aufgetreten, wobei der Sachverständige den anzunehmenden Zeitraum mit drei Monaten näher umschrieben habe. Unter diesen Voraussetzungen könnten die beim linken Knie des Klägers eingetretenen Beschwerden nicht als ursächlich im Sinne der Unfallversicherung angesehen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens macht der Kläger geltend, das Berufungsgericht habe seine Feststellungsrüge nicht erledigt. Dies ist aber nicht richtig, weil das Berufungsgericht, wie oben dargestellt, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes überprüfte und dagegen keine Bedenken hatte. Es führte aus, das Erstgericht sei mit Recht dem schlüssigen Gutachten des medizinischen Sachverständigen gefolgt; dessen Darlegung, daß massive degenerative Veränderungen wie im Fall des Klägers nicht in einen kurzen Zeitraum auftreten könnten, seien ebenso überzeugend wie die weiteren Ausführungen bei der mündlichen Gutachtenserörterung. Ob ein Sachverständigengutachten die getroffenen Feststellungen rechtfertigt, gehört ebenso in das Gebiet der irrevisiblen Beweiswürdigung wie die Frage, ob außer den bereits vorliegenden noch weitere Gutachten oder noch andere Kontrollbeweise zu demselben Beweisthema aufzunehmen gewesen wären (SSV-NF 6/28 uva). Die gerügte Mangelhaftigkeit liegt daher nicht vor.

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache führt der Kläger aus, nach der im Unfallversicherungsrecht herrschenden Bedingungstheorie seien sämtliche Folgen einem Arbeitsunfall zuzurechnen, mit denen nicht bloß abstrakt gerechnet werden müsse, sondern die bei einem normalen auch ungünstigen Heilungsverlauf eintreten könnten. Es stehe fest, daß die aufgetretenen Beschwerden im linken Kniegelenk nicht auf eine schicksalhafte Veränderung einer anlagebedingten Vorerkrankung zurückzuführen seien, sondern daß die Veränderungen im linken Kniegelenk darauf zurückzuführen seien, daß es im Rahmen der Heilbehandlung nach dem Arbeitsunfall zu einer Mehrbelastung des linken Kniegelenkes gekommen sei. Der Arbeitsunfall sei daher Auslöser und Ursache für sämtliche beim Kläger derzeit vorliegenden Beeinträchtigungen, die in ihrer Gesamtheit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. zur Folge hätten. Mit diesen Rechtsausführungen verläßt der Kläger jedoch die von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen. Danach stand im Vordergrund nicht das Unfallsgeschehen, sondern eine bereits vorhandene degenerative Erkrankung, die auch ohne Unfallsbelastung (die nur den rechten Fuß betraf) innerhalb kurzer Zeit zu denselben Beschwerden am linken Kniegelenk geführt hätte. Da die Rechtsrüge nicht von diesen auch den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfest- stellungen ausgeht, kann auf sie nicht weiter eingegangen werden.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenersatz an den unterlegenen Kläger aus Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

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