Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Teilurteil wird dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, es werde festgestellt, daß es sich bei dem Unfall des Klägers vom 7.10.1993 um einen Dienstunfall handle, abgewiesen wird.
Der Kläger hat die Kosten aller drei Instanzen selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 12.1.1957 geborene Kläger ist Offizier beim Österreichischen Bundesheer. Er versieht seinen Dienst bei dem in H***** stationierten Landwehrstammregiment *****. Dieses veranstaltete im Jahr 1993 ein Herrendoppeltennisturnier, das für Offiziere, Unteroffiziere und Bedienstete der Heeresverwaltung im Bereich des Militärkommandos Tirol ausgeschrieben und in der Zeit vom 7. bis 9.10.1993 auf den Tennisplätzen der Standschützenkaserne in Innsbruck ausgetragen wurde. An dem Turnier nahmen 16 Personen, darunter auch der Kläger teil. Während eines im Rahmen dieses Turniers in der Dienstzeit durchgeführten Spieles wurde der Kläger von einem Tennisball am linken Ohr getroffen, wodurch er eine Trommelfellperforation erlitt. Dies ist zwar verheilt, doch es verblieb eine verminderte Beweglichkeit des linken Trommelfelles. Eine künftige Verschlechterung des Zustandes ist nicht auszuschließen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28.1.1994 die Anerkennung dieses Unfalls als Dienstunfall und die Gewährung von Leistungen ab.
Mit der rechtzeitig dagegen erhobenen Klage stellt der Kläger das Begehren, die Beklagte sei "schuldig, den genannten Unfall als Dienstunfall anzuerkennen" und eine Zahlung im gesetzlichen Ausmaß zu leisten. Er brachte im wesentlichen vor, er sei als Offizier im Truppendienst verpflichtet, seine körperliche Leistungsfähigkeit durch entsprechende Sportausübung zu erhalten, welchem Ziel - auch nach dem einschlägigen Dienstbehelf - unter anderem der Tennissport diene. Der Unfall habe sich im Rahmen einer befohlenen Kadersportausbildung ereignet, so daß er als Dienstunfall zu beurteilen sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Unfallschutz bestehe nicht, wenn die sportliche Betätigung Wettkampfchararkter annehme oder Spitzenleistungen angestrebt würden. Der Unfall des Klägers habe sich im Zuge eines Tennisturniers, also im Rahmen eines Wettkampfes ereignet; zu einer Teilnahme an dem Turnier sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen. Eine derartige Verpflichtung könne aber auch nicht aus dem Dienstbehelf "Körperausbildung" abgeleitet werden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden weiteren Sachverhalt fest:
Das Bundesministerium für Landesverteidigung gab am 19.11.1990 einen Dienstbehelf für das Bundesheer betreffend die Körperausbildung heraus, dieser wurde an alle Dienststellen des Bundesheers verteilt. Im Vorwort dieses Dienstbehelfes wird als Zweck der Körperausbildung die Entwicklung und größtmögliche Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit dargelegt. Im Teil II des Dienstbehelfes finden sich Richtlinien für die Durchführung der Körperausbildung; dabei werden Trainingsformen näher beschrieben. Jeder Berufssoldat hat bis zum 40. Lebensjahr jährlich einen Körperleistungstest zu absolvieren, der aus einem 2.400 Meterlauf, Liegestützen und Kniebeugen besteht. Zur Überprüfung des Leistungszustandes werden im Dienstbehelf auch Sportwettkämpfe genannt. Dabei wird zwischen großen und kleinen Sportwettkämpfen unterschieden. Große Sportwettkämpfe sind Wettkämpfe des Bundesministeriums für Landesverteidigung (Heeresmeisterschaften) bzw des Militärkommandos (Bereichsmeister- schaften), die vom Bundesministerium angeordnet bzw genehmigt werden müssen. Kleine Sportwettkämpfe sind solche der Truppe, die vom jeweiligen Kommandanten angeordnet werden. Für Kadersoldaten wird diesbezüglich auf die Sportarten verwiesen, die in den "besonderen Wettkampfbestimmungen" geregelt sind: Es handelt sich dabei um militärischen Biathlon, Triathlon, Patrouillenlauf, Gewehrschießen, Pistolenschießen, militärischen Fünfkampf und Orientierungslauf. Der Dienstbehelf regelt weiters, daß den Kadersoldaten zum Zwecke der Körperausbildung grundsätzlich wöchentlich ein Zeitraum von dreimal 60 Minuten während der Normaldienstzeit zur Verfügung zu stellen ist; die Inanspruchnahme bleibt dem einzelnen überlassen. Es besteht keine Verpflichtung, pro Tag ein bestimmtes Mindestpensum an Sport zu betreiben, es ist auch nicht vorgeschrieben, zu welchem Zeitpunkt und wie lange welcher Sport auszuüben ist. Im Teil II des Dienstbehelfes sind auch Sportarten und Spiele vorgesehen. Es dürfen nur solche Sportarten betrieben werden, die der körperlichen Leistungsfähigkeit in bezug auf Kraft bzw Kraftausdauer entsprechen. In weiterer Folge werden die Sportarten aufgezählt, die diesbezüglich jedenfalls zulässig sind: Neben Leichtathletik, Orientierungslauf, Radfahren, Bergsteigen, alpiner Schilauf, Schilanglauf, Schwimmen, Zillenfahren, Rudern, Paddeln und Ballsportarten werden auch Tennis und Squash aufgezählt.
Bei dem gegenständlichen Tennisturnier handelte es sich nicht um eine Heeresmeisterschaft. Die Teilnahme an dem Turnier war nicht verpflichtend, sondern freiwillig. Für die Teilnahme mußte jeder Spieler ein Nenngeld von 50 S zahlen. Ein spezielles Training wurde für dieses Turnier nicht durchgeführt. Die Spiele wurden im "doppelten KO-System" ausgetragen, was bedeutet, daß zwei Raster (Turnierpläne) gebildet wurden. Im zweiten Raster wurden die Verliererpaare aus dem Hauptraster eingetragen, die auf diese Weise um die Ränge 2 und 3 spielten. Jene beiden Tennispaare, die im Hauptraster nie verloren haben, kamen in das dortige Finale und spielten um den 1. Rang.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den genannten Unfall nicht als Dienstunfall. Offiziere des Bundesheeres seien zwar verpflichtet, ihre körperliche Leistungsfähigkeit zu erhalten und demgemäß auch Sport zu betreiben; die Grenze für den Unfallversicherungsschutz sei aber dort zu ziehen, wo die Veranstaltung Wettkampfcharakter annehme und die Erzielung von Spitzenleistungen beabsichtigt sei. Für Wettkämpfe und die Ausübung von Leistungssport bestehe also in der Regel kein Unfallversicherungschutz. Bei Teilnahme an einem Sport mit Wettkampfcharakter - wie einem Tennisturnier - bestehe Unfallversicherungsschutz nur dann, wenn entweder der zu beurteilende Sport zum verpflichtenden Inhalt der typischen Dienstverrichtung, also zur Haupttätigkeit gehöre und die dienstliche Normalsituation etwa der Wettkampfsituation entspreche, oder wenn eine Verpflichtung zur Teilnahme am konkreten Wettkampf bestehe. Keine dieser Voraussetzungen treffe hier zu.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil im Umfang der Entscheidung über das Feststellungsbegehren dahin ab, daß es mit Teilurteil zu Recht erkannte: "Es wird festgestellt, daß es sich beim Unfall des Klägers vom 7.10.1993 um einen Dienstunfall handelt." Im übrigen, also im Umfang der Entscheidung über das Zahlungsbegehren, wurde das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Sache insoweit dem Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Es sei allgemein anerkannt, daß auch die sportliche Betätigung von Dienstnehmer im betrieblichen Interesse liegen könne. Organisiere daher ein Dienstgeber zum Ausgleich für die meist einseitige körperliche, geistige oder nervliche Belastung einen Ausgleichssport, der dazu dienen solle, Gesundheits- oder Körperschädigungen vorzubeugen, so stehe ein dabei erlittener Unfall unter Versicherungsschutz. Die Grenze zwischen dem betrieblichen Interesse einerseits und den privaten Interessen des Verletzten andererseits sei dort zu ziehen, wo die Veranstaltung sportlichen Wettkampfcharakter annehme und die Erzielung von Spitzenleistungen beabsichtigt werde. Sportarten mit Wettkampfcharakter würden nämlich im allgemeinen nicht mehr der für den Betriebssport vorausgesetzten Zielrichtung entsprechen, wenn der Wettkampfcharakter im Vordergrund stehe. Von diesen Grundsätzen sei ausnahmsweise dann abzugehen, wenn ein Beamter einen Sport mit Wettkampfcharakter nicht als bloßen Ausgleichssport, sondern im Rahmen seiner dienstlichen Stellung und in enger Verbindung zu seinen dienstlichen Aufgaben betrieben habe, seine Teilnahme an der Sportveranstaltung also als Dienst angesehen werden müsse (SSV-NF 8/8; 5/124). Das Österreichische Bundesheer habe offenkundiges Interesse an einer körperlichen Leistungsfähigkeit seiner Soldaten, was sich schon daraus ergebe, daß die Ausübung bestimmter Sportarten im Einzelfall befohlen werden könne, aber auch für freiwillig zu gestaltende Körperausbildung Dienstzeit in erheblichem Ausmaß zur Verfügung gestellt werde; auch die Ausübung des Tennissportes sei als für das angestrebte Ziel der Körperertüchtigung taugliche Sportart angesehen worden. Der gegenständliche Unfall habe sich ereignet, als der Kläger während der Dienstzeit an einem von seiner Dienststelle organisierten und im Bereich einer Dienststelle durchgeführten Tennisturnier teilgenommen habe. Auch wenn er hiezu dienstrechtlich nicht verpflichtet gewesen sei, habe doch unter Berücksichtigung der genannten Umstände ein hinreichender örtlicher, zeitlicher und ursächlicher Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis iS des § 90 Abs 1 B-KUVG bestanden. Die Teilnahme am Tennisturnier habe auch das Verletzungsrisiko nicht erhöht. Der Unfall sei daher als Dienstunfall zu beurteilen. Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens sei die Sache nicht spruchreif, da der Kläger bisher nicht dargelegt habe, welche Leistung er begehre.
Gegen das dem Feststellungsbegehren stattgebende Teilurteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Es wird beantragt, dieses Begehren abzuweisen.
Der Kläger erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Gemäß § 90 Abs 1 B-KUVG sind nur jene Unfälle als Dienstunfälle zu qualifizieren, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis ereignen. Was sportliche Wettkämpfe betrifft, so hat der Senat wiederholt ausgesprochen, daß die Grenze zwischen dem betrieblichen Interesse einerseits und den privaten Interessen des Versicherten andererseits dort zu ziehen ist, wo die Veranstaltung sportlichen Wettkampfcharakter annimmt und die Erzielung von Spitzenleistungen beabsichtigt ist. Sportarten mit Wettkampfcharakter entsprechen der für den Betriebssport vorausgesetzten Zielrichtung, nämlich dem Ausgleichszweck, nicht mehr, wenn der Wettkampfcharakter im Vordergrund steht. Selbst wenn daher der Leistungssport vom Dienstgeber finanziert und organisiert wird, ist er versicherungsrechtlich nicht geschützt, es sei denn, daß dienstvertraglich die Durchführung der betrieblichen Arbeit mit der Verpflichtung zur Sportausübung gekoppelt ist (SSV-NF 7/128 mwN). Nimmt ein Beamter an sportlichen Wettkämpfen teil und betreibt er diesen Sport nicht als bloßen Ausgleichssport, sondern im Rahmen seiner dienstlichen Stellung und in enger Verbindung zu seinen dienstlichen Aufgaben, so kann ausnahmsweise Unfallversicherungsschutz angenommen werden, wie dies etwa bei einem Angehörigen des Alpinen Kaders der Zollwache der Fall ist (SSV-NF 8/8 mwN).
Das Erstgericht hat zutreffend erkannt, daß im vorliegenden Fall der Wettkampfcharakter eindeutig im Vordergrund stand. Es handelte sich um ein Tennisturnier, an dem verhältnismäßig wenige Personen teilnahmen, das nach dem "doppelten KO-System" ausgetragen wurde, für das jeder Spieler ein Nenngeld zahlen mußte und an dessen Ende an die Sieger Pokale verteilt wurden. Vom Dienstgeber wurde nicht angeordnet, wer an dem Turnier teilzunehmen habe oder daß überhaupt die Teilnahme für irgendjemand verpflichtend sei; auch für den Kläger war die Teilnahme völlig freiwillig. Die Teilnahme an einem Tennisturnier gehört auch in keiner Weise zum verpflichtenden Inhalt der typischen Dienstverrichtung eines Bundesheeroffiziers. Ungeachtet der Durchführung des Tennisturniers während der Dienstzeit kann von einer engen Verbindung zu den dienstlichen Aufgaben - anders als etwa im Falle SSV-NF 8/8 - keine Rede sein. Das Tennisturnier, das zur Verletzung des Klägers führte, stand somit nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weshalb das angefochtene Teilurteil im klageabweisenden Sinne abzuändern war. Dies hat zur Folge, daß nicht mehr geprüft werden muß, ob die vom Berufungsgericht gewählte Fassung des Feststellungsbegehrens dem Gesetz entspricht (§§ 65 Abs 2, 82 Abs 5 ASGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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