OGH 10ObS74/89 (10ObS75/89)

OGH10ObS74/89 (10ObS75/89)21.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Rudolf Oezelt (AG) und Mag. Michael Zawodsky (AN) in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Partei Josef K***, Jubiläumsstraße 15/7/1, 3133 Traismauer, vertreten durch Dr. Markus Distlberger, Rechtsanwalt in Herzogenburg, wider die beklagte Partei A***

U***, Webergasse 4, 1203 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Oktober 1988, GZ 31 Rs 181/88-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 16. März 1988, GZ 33 Cgs 1077/87-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit zwei Bescheiden vom 8. Jänner 1987 lehnte die beklagte Partei den Anspruch auf Entschädigung aus Anlaß der Erkrankung, die der Kläger sich nach seiner Angabe im Betrieb der Martin M*** AG Traismauer als Härter zugezogen habe, ab, weil keine entschädigungspflichtige Berufskrankheit gemäß § 177 Anlage 1 Nr. 27 ASVG (Asbeststaublungenerkrankung - Asbestose - mit objektiv feststellbarer Leistungsminderung von Atmung oder Kreislauf bzw. bösartigen Neubildungen der Lunge und des Rippenfelles durch Asbest) und gemäß § 177 Anlage 1 Nr. 1 ASVG (Erkrankung durch Blei, seine Legierungen oder Verbindungen) bestehe.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobenen Klagen die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden auf Gewährung einer Versehrtenrente auf Grund einer Berufskrankheit, ab. Es stellte fest, daß der Kläger von 1973 bis 1986 bei der Firma Martin M*** AG in der Metallhärterei tätig war. In der Metallhärterei werden die Bandstähle in einem Härtebad gehärtet, das bei der Firma Martin M*** AG bis 1979 in einem Ölhärtebad bestand, zwischen 1974 und 1979 erfolgte die Umstellung auf Bleihärtebad. Nach dem Bleihärtebad wird die verbliebene Bleiflüssigkeit, die noch an den Bandstählen haftet, maschinell abgestreift, wobei der Bandstahl durch die Maschine gezogen wird. In der Maschine sind Asbestplatten eingelegt. Beim Ölhärtebad sind Asbestabstreifplatten nicht notwendig. Seit 1980 werden Schutzmasken verwendet. Es kann nicht festgestellt werden, daß in der Metallhärterei der Firma Martin M*** gesundheitsschädigende Werte an Asbeststaub vorhanden waren.

Beim Durchziehen des Bandstahles durch das Bleibad entstehen Dämpfe, es ist jedoch eine Absauganlage vorhanden. Es kann nicht festgestellt werden, daß Bleidämpfe in einem gesundheitsbeeinträchtigenden Ausmaß bei der Firma M*** AG vorhanden waren.

Beim Kläger besteht eine ältere fibrinöse Pleuritis sowie eine mäßiggradige peribronchiale interstitielle Lungenfibrose. Bei der offenen Biopsie wurden keine Asbestnadeln gefunden. Im Blutbild waren die Nierenparameter und Leberparameter im Normbereich. Eine allfällige Auswirkung von Bleidämpfen auf den Gesundheitszustand des Klägers und deren Folgen sind nicht feststellbar. Der Leidenszustand des Klägers ist nicht auf eine berufsbedingte Staubasbest- und Bleibelastung zurückzuführen. Auf Grund dieses Sachverhaltes verneinte das Erstgericht das Vorliegen einer Berufskrankheit. Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers keine Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und führte rechtlich aus, dem Kläger sei der Beweis einer gesundheitsschädigenden Asbestexposition nicht gelungen. Der vom Kläger behauptete Zusammenhang zwischen der Einwirkung schädigender Stoffe und seinem Leidenszustand liege nicht vor. Eine Berufskrankheit im Sinne des § 177 Abs. 1 ASVG sei daher zu verneinen.

Rechtliche Beurteilung

Die wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht berechtigt. Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt der Revisionswerber nur angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen schon das Berufungsgericht verneint hat. Solche behaupteten Mängel können auch in Sozialrechtssachen mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden (SSV-NF 1/32). Auf das umfangreiche neue Tatsachenvorbringen kann nicht Bedacht genommen werden.

Die Frage, ob ein eingeholtes Sachverständigengutachten die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen rechtfertigt, gehört ebenso wie jene, ob ein Gutachten erschöpfend ist oder ob noch weitere Fragen an den Sachverständigen zu stellen gewesen wären, in das Gebiet der irrevisiblen Beweiswürdigung.

Nach § 177 Abs. 1 ASVG gelten als Berufskrankheiten die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten unter den dort angeführten Voraussetzungen, wenn sie durch Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung in einem in Spalte 3 der Anlage bezeichneten Unternehmen verursacht sind. Da feststeht, daß der Leidenszustand des Klägers nicht auf eine berufsbedingte Staubasbest- oder Bleibelastung zurückzuführen ist, mangelt es an der nach der zitierten Gesetzesbestimmung erforderlichen Kausalität. Dem Kläger ist der Beweis eines sehr hohen Grades der Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Kausalzusammenhanges zwischen seiner Tätigkeit und der Erkrankung daher nicht gelungen. Auf die Frage der Beweislast der beklagten Partei (vgl. hiezu SSV-NF 2/65) muß daher nicht mehr eingegangen werden. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht das Vorliegen einer Berufskrankheit gemäß Anlage 1 Nr. 1 und Nr. 27 verneint. Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

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