Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Mit Bescheid vom 15. 9. 2000 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension ab. Dagegen richtet sich die Klage mit dem Begehren auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension in gesetzlicher Höhe ab dem Stichtag. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es holte für die Beurteilung des medizinischen Leistungskalküls des Klägers ein internistisches, ein nervenfachärztliches, ein orthopädisches und ein lungenfachärztliches Gutachten ein, wobei der Kläger von den medizinischen Sachverständigen auf Grund der in ihr Fachgebiet fallenden Leidenszustände noch zur Verrichtung leichter und mittelschwerer Arbeiten (internistisches Gutachten ON 5), mittelschwerer und fallweiser schwerer Arbeiten (nervenfachärztliches Gutachten ON 8), ausschließlich leichter Arbeiten (orthopädisches Gutachten ON 9) sowie aller körperlichen Arbeiten (lungenfachärztliches Gutachten ON 10) mit den in den einzelnen Fachgutachten jeweils beschriebenen weiteren Einschränkungen als befähigt angesehen wurde. Diese Beurteilung in den erwähnten Fachgutachten wurde vom nervenfachärztlichen Sachverständigen in einem zusammenfassenden Gutachten (ON 12) dahingehend zusammengefasst, dass der Kläger damit noch für (leichte und für) mittelschwere und fallweise schwere Arbeiten mit den in den einzelnen Fachgutachten angeführten weiteren Einschränkungen geeignet sei. Dieses zusammenfassende medizinische Leistungskalkül übernahm das Erstgericht in seine Feststellungen und gelangte in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, dass der im maßgebenden Zeitraum ausschließlich als Busfahrer auf dem Flughafen Wien-Schwechat tätig gewesene Kläger keinen Berufsschutz genieße und auf Grund seines nur geringfügig eingeschränkten medizinischen Leistungskalküls eine große Zahl von zumutbaren Verweisungstätigkeiten noch verrichten könne. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Soweit in der Berufung unter Hinweis auf die im orthopädischen und internistischen Gutachten enthaltene Einschränkung auf leichte bzw mittelschwere Arbeiten die offenbare Unrichtigkeit des vom Erstgericht seinen Feststellungen zugrunde gelegten zusammenfassenden medizinischen Leistungskalkül gerügt wurde, hielt das Berufungsgericht diesen Ausführungen entgegen, dass alle eingeholten Gutachten in der Tagsatzung vom 12. 7. 2001 verlesen worden seien und der damals bereits qualifiziert vertreten gewesene Kläger in keiner Weise dargelegt habe, inwieweit die verlesenen Gutachten, insbesondere das zusammenfassende Gutachten des nervenfachärztlichen Sachverständigen, unrichtig sein soll.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet. Die Revision ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.
Der Kläger bekämpft unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Richtigkeit der im zusammenfassenden Leistungskalkül enthaltenen und vom Erstgericht übernommenen Feststellungen, wonach er unter Berücksichtigung aller Leidenszustände noch für (leichte und für) mittelschwere und fallweise schwere Arbeiten geeignet sei. Nach ständiger Rechtsprechung sei ein Sachverständigengutachten der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof im Rahmen einer Rechtsrüge zugänglich, wenn es auf Schlussfolgerungen beruhe, die gegen zwingende Denkgesetze verstoßen. Der Kläger sei auf Grund des orthopädischen Gutachtens nur mehr für leichte Arbeiten und auf Grund des internistischen Gutachtens nur mehr für leichte und mittelschwere Arbeiten geeignet. Da es gerichtsnotorisch sei und der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass sich bei Beurteilung eines Leidenszustandes und damit der Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch mehrere Sachverständige aus verschiedenen Fachgebieten diese bei Zusammenfassung sämtlicher Leidenszustände nicht verbessern sondern allenfalls infolge gegenseitiger Beeinflussung oder Potenzierung (nur) verschlechtern könne, stünden die auf dem zusammenfassenden Gutachten gegründeten Feststellungen, wonach der Kläger noch leichte, mittelschwere und fallweise schwere Arbeiten verrichten könne, mit den allgemeinen Denkgesetzen in Widerspruch. Dieser Umstand sei im Rahmen der Überprüfung der rechtlichen Beurteilung wahrzunehmen.
Diese Ausführungen sind berechtigt.
Nach dem auch in Sozialrechtssachen geltenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist das Gericht an Beweisregeln nicht gebunden, sondern es hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse der Verhandlung und des Beweisverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine tatsächliche Angabe für wahr zu halten sei oder nicht. Auch der Sachverständigenbeweis unterliegt der freien Würdigung des Gerichtes. Es ist dem Gericht daher nicht verwehrt, in freier Beweiswürdigung auch einem Sachverständigengutachten keinen Glauben zu schenken, wenn die eigenen Fachkenntnisse oder schon die allgemeine Lebenserfahrung zur Beurteilung ausreichen (MGA, ZPO15 ENr 29 zu § 272 mwN ua).
Der Revisionswerber hat zutreffend aufgezeigt, dass das im Zusammenfassungsgutachten angegebene und vom Erstgericht übernommene medizinische Leistungskalkül mit den in die Feststellungen ebenfalls vorbehaltlos übernommenen Ergebnissen des orthopädischen und internistischen Sachverständigengutachtens in einem unauflösbaren Widerspruch steht. Damit fehlt es aber an einem der rechtlichen Beurteilung notwendigerweise zugrunde zu legenden geeigneten zusammenfassenden medizinischen Leistungskalküls des Klägers. Erst wenn dieses vorliegt, kann die Frage entschieden werden, ob es für den Kläger zumutbare Verweisungstätigkeiten gibt. Das Verfahren erweist sich daher als ergänzungsbedürftig, weshalb der Revision Folge zu geben war. Da es offenbar auch einer Verhandlung und erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, war unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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