Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 9. Juni 1987 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Gewährung des Hilflosenzuschusses ab. Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin einen Hilflosenzuschuß im gesetzlichen Ausmaß ab 21. April 1987 zu bezahlen und trug der beklagten Partei eine vorläufige Zahlung von monatlich S 2.000 auf.
Es stellte fest, daß sich die Klägerin allein an- und ausziehen, Speisen zubereiten, essen, die Notdurft verrichten und einen Wohnraum beheizen kann. Sie ist in der Lage, sich Nahrungsmittel in kleineren Mengen und Medikamente selbst zu besorgen und leichte Reinigungsarbeiten in der Wohnung vorzunehmen. Für grobe Reinigungsarbeiten, die mit Knien oder Hocken verbunden sind und für die Reinigung der Wäsche, falls keine Waschmaschine vorhanden ist, ist sie nicht geeignet. Sie kann sich im und außer Haus allein fortbewegen. Außer Haus ist bei schlechtem Wetter mit Sichtbehinderungen oder bei starkem Verkehr das Gehen nur eingeschränkt möglich. Einfaches und unbelastetes Bücken ist der Klägerin möglich, nicht aber unter Belastungen, wie etwa zum Heben von Gegenständen oder bei Reinigungsarbeiten, weil auf Grund der operierten Netzhautablösung Rezidivgefahr besteht. Für größere Einkäufe benötigt die Klägerin eine Hilfsperson. Wegen des Leidenszustandes der Klägerin ist die teilweise Anwesenheit einer anderen Person lediglich zu den genannten Hilfeleistungen erforderlich.
Da die Klägerin außerstande sei, die Wohnungsreinigung, die Besorgung von Einkäufen und die Wäschereinigung selbst durchzuführen und hiefür zwei- bis dreimal wöchentlich die Anwesenheit einer Hilfskraft erforderlich sei, müsse der wöchentliche Betreuungsaufwand mit 15 Stunden angesetzt werden. Bei einem Stundensatz von S 100 ergebe sich ein monatlicher Aufwand von rund S 4.500, die Kosten für notwendige Hilfe überstiegen damit erheblich die Höhe des durchschnittlichen Hilflosenzuschusses. Hilflosigkeit im Sinne des § 105 a ASVG liege daher vor.
Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Klageabweisung ab.
Die für fremde Wartung und Hilfe erforderlichen Kosten seien nicht bis ins einzelne, sondern überschlagsmäßig nach § 273 ZPO zu ermitteln. Ausgehend von den Feststellungen, daß die Klägerin für gröbere Wohnungsarbeiten, für die Besorgung größerer Einkäufe und für die Wäschereinigung fremder Hilfe bedürfe, sei der dafür erforderliche Zeitaufwand vom Erstgericht überhöht veranschlagt worden. Berücksichtige man, daß die Klägerin kleine Einkäufe für den täglichen Bedarf ebenso vornehmen könne wie die oberflächliche Wohnungsreinigung, die weder mit Hebe- oder Bückarbeiten verbunden sei, sei für die größeren Einkäufe, die grobe Wohnungsreinigung und die Besorgung der Wäsche kein größerer Zeitaufwand erforderlich als 25 Stunden monatlich. Die Annahme eines Stundensatzes von S 100 in Anlehnung an den Stundensatz der Salzburger Krankenpflege erscheine schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil es sich bei den notwendigen Verrichtungen nicht um solche handle, die medizinische Fachkenntnisse erforderten, sondern um einfache Hilfsarbeiten, für die man üblicherweise einen Stundensatz von S 60 bis 70 veranschlagen könne. Der für fremde Hilfe erforderliche Aufwand sei daher wesentlich geringer als der monatliche Durchschnitt des Hilflosenzuschusses. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen. Die wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wie der Oberste Gerichtshof schon in seiner Grundsatzentscheidung zum Hilflosenzuschuß ausgeführt hat (SSV-NF 1/46) liegt ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe nur dann vor, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Rentners oder Pensionisten üblicherweise aufzuwendenden Kosten im Monatsdurchschnitt mindestens so hoch sind, wie der begehrte Hilflosenzuschuß, wobei die üblicherweise aufzuwendenden Kosten nicht bis ins einzelne, sondern nur überschlagsmäßig (vgl. § 273 ZPO) festzustellen sind. Denn zur Beurteilung, welchen Aufwand fremde Hilfe bei den immer wiederkehrenden einfachen Bedürfnissen des täglichen Lebens erfordert, reichen richterliche und allgemeine Lebenserfahrung aus, ohne daß es eines förmlichen Beweisverfahrens und einer detaillierten Auflistung bedürfte. Es genügt, wenn die richterlichen Erwägungen zur Ermittlung der ungefähren Kosten in nachvollziehbarer Weise dargelegt werden. Ein Mangel des Berufungsverfahrens durch Anwendung des § 273 ZPO liegt daher nicht vor.
Da die Klägerin in der Lage ist, kleine Besorgungen des täglichen Bedarfes und die oberflächliche Wohnungsreinigung selbst durchzuführen, sind Großeinkäufe und grobe Hausarbeiten nur in größeren Zeitintervallen erforderlich. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Klägerin die Reinigung der Wäsche nicht selbst ausführen kann - aus dem Gutachten des augenärztlichen Sachverständigen ergibt sich nämlich, daß sie dazu nur dann nicht in der Lage sei, wenn keine maschinelle Waschereinigung möglich ist und daß die Klägerin über eine Waschmaschine verfügt (ON 5) - hat das Berufungsgericht den erforderlichen Zeitaufwand für fremde Hilfe sehr großzügig bemessen und auch richtig darauf verwiesen, daß für bloß gelegentliche einfache Hilfstätigkeiten im Haushalt nicht vom Stundensatz einer Hauskrankenpflegerin, sondern nur von den üblicherweise für solche Dienstleistungen bezahlten Kosten auszugehen ist.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.
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