OGH 10ObS56/96

OGH10ObS56/9630.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Hübner und Dr.Theodor Zeh (beide aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Friederike D*****, Pensionstin, ***** vertreten durch den Sachwalter Karl D*****, dieser vertreten durch Dr.Horst Klammbauer, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wieder die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rückforderung eines Überbezuges an Ausgleichszulage (S 654.781,90), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.November 1995, GZ 9 Rs 130/95-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 16.Mai 1995, GZ 4 Cgs 324/94w-12, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

In der Sache selbst wird zu Recht erkannt, daß das Urteil des Gerichtes erster Instanz wiederhergestellt wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 5.12.1950 geborene Klägerin leidet seit Geburt an Mongolismus. Nachdem ihre Eltern bei einem Unfall am 27.6.1981 ums Leben gekommen waren, wurde sie am 24.11.1981 voll entmündigt. Aufgrund eines Bescheides der Beklagten vom 17.11.1981 bezieht die Klägerin seit 1.7.1981 eine Waisenpension, einen Hilflosenzuschuß (nunmehr Pflegegeld) und eine Ausgleichszulage. In der Rechtsbelehrung dieses Bescheides ist festgehalten, daß eine Änderung der Einkünfte des Pensionisten zu melden ist und Überbezüge, die durch Nichtbeachtung dieser Meldevorschrift entstanden sind, zurückerstattet werden müssen. Im folgenden wurde mit verschiedenen Beschlüssen Anfang 1982 der Klägerin je ein 1/3-Anteil des Nachlasses ihrer Großmutter und ihrer Eltern eingeantwortet. In einem am 21.1.1982 vor dem Bezirksgericht Neunkirchen mit dem Kurator der Klägerin aufgenommenen Protokoll wurde ua festgehalten, daß die Klägerin eine Ausgleichszulage beziehe und "möglicherweise die Zinserträge aus den Sparbüchern anzurechnen" seien. Der Kurator werde diesbezüglich noch nähere Informationen einholen. Dies hat er jedoch in der Folge unterlassen. Am 17.2.1982 ging auf ein für die Klägerin errichtetes Sparkonto aus der Verlassenschaft der Mutter ein Betrag von S 13.334 ein; das Guthaben betrug dann durch eine weitere Anweisung von S 244.174,66 aus den Verlassenschaften am 26.4.1982 S 299.044,12. Zugunsten der Klägerin wurden dann Kommunalbriefe um einen Kaufpreis von S 250.000 erworben. Die Zinserträge für die Jahre 1982 bis zum 24.6.1994 betrugen insgesamt S 581.141,03. Zur Überprüfung des Anspruches der Klägerin auf Ausgleichszulage übermittelte die Beklagte mehrmals Formblätter an den Kurator bzw Sachwalter der Klägerin, in denen nach sonstigen Einkünften in Geld und Geldeswert gefragt wurde. Solche Einkünfte wurden jeweils vom Kurator bzw Sachwalter verneint. Erstmalig im Jahr 1994 wurde im Anfrageformular die Frage nach sonstigen Einkünften in Geld und Geldeswert durch in Klammer gesetzte Beispiele (Kapitalerträge, Zinsen) ergänzt, worauf der Sachwalter nunmehr angab: "Zinserträge, Höhe unbekannt, können beim BG Neunkirchen erfragt werden". Vor Mai 1994 waren der Beklagten diese Zinseinkünfte nicht bekannt.

Am 29.8.1994 erließ die Beklagte gemäß § 194 GSVG einen Bescheid folgenden Inhalts:

"1. Die Ausgleichszulage (§ 149 GSVG) gebührt vom 1.11.1982 bis 31.12.1982 mit monatlich S 1.242,20,

vom 1.1.1983 bis 31.12.1983 mit monatlich S 839,50,

vom 1.1.1984 bis 31.12.1984 mit monatlich S 308,70,

vom 1.1.1985 bis 31.12.1985 nicht,

vom 1.1.1986 bis 31.12.1986 mit monatlich S 20,30 und

vom 1.1.1987 bis 31.7.1994 nicht.

2. Gemäß § 153 Abs 5 GSVG wurde der Ausgleichszulagen-Jahresausgleich durchgeführt. Der Erstattungsbetrag beträgt für das Kalenderjahr 1983

S 4.750,80, für das Kalenderjahr 1984 S 6.069,80 und für das Kalenderjahr 1986 S 7.108,80.

3. Der Überbezug von S 654.781,90 wird zurückgefordert (§ 76 GSVG). Die zu Unrecht bezogene Geldleistung wird aufgerechnet (§ 71 GSVG)."

In der Begründung dieses Bescheides wurde zu Punkt 1) ausgeführt, im Jahr 1985 und vom 1.1.1987 bis 31.7.1994 übersteige das Gesamteinkommen einschließlich der Pensionsleistung die Höhe des Richtsatzes, daher bestehe kein Anspruch auf Ausgleichszulage. Für die Zeit vom 1.11.1982 bis 31.12.1984 und vom 1.1. bis 31.12.1986 werde durch die zuerkannte Ausgleichszulage unter Anrechnung der Pension und der weiteren Einkünfte der Richtsatz erreicht. Die Neuberechnung der Ausgleichszulage erfolge aufgrund der Einkünfte aus Kapitalerträgen. Punkt 3) des Bescheides wurde damit begründet, daß zu Unrecht erbrachte Geldleistungen zurückzufordern seien, wenn der Überbezug durch Verletzung der Meldevorschriften entstanden sei.

Gegen diesen Bescheid, soweit mit ihm eine Rückforderung von S 654.781,90 erfolgte, erhob die Klägerin Klage mit folgenden Einwendungen: In den an den Sachwalter ergangenen Fragebögen wegen weiterer Einkünfte der Klägerin sei bis zum Jahr 1993 nie direkt und allgemein verständlich nach Zinserträgen gefragt worden. Dies sei erstmals für das Jahr 1994 erfolgt, wobei der Sachwalter in der entsprechenden Spalte korrekt auf das vom Pflegschaftsgericht verwaltete Vermögen verwiesen habe. Der Rückforderungsanspruch bis einschließlich 1993 werde daher nicht anerkannt und ersucht, die Vorschreibung in diesem Sinne abzuändern.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und erwiderte, daß mehrere Anfragen über den Vermögensstand und laufende Einkünfte neben der Pension allgemein verständlich gestellt worden seien und die Klägerin aufgrund der eindeutigen Gesetzeslage die Meldepflicht bezüglich von Einkünften neben dem Pensionsbezug treffen würde.

In der mündlichen Streitverhandlung präzisierte die Klägerin ihr Klagebegehren dahingehend, daß die Beklagte "schuldig" sei, von einer Rückforderung des genannten Betrages "abzusehen." Abgesehen von der grundsätzlichen Bestreitung des Rückforderungsanspruches brachte sie noch vor, daß eine Rückforderung höchstens für drei Jahre möglich, sei also für die Jahre 1991, 1992 und 1993 (infolge Verjährung).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und erkannte die Klägerin schuldig, der Beklagten den rückgeforderten Betrag von S 654.781,90 binnen sechs Monaten bei sonstiger Exekution zu zahlen. Es stellte ergänzend fest, daß der Sachwalter der Klägerin vier Jahre Volksschule, drei Jahre Hauptschule und drei Jahre Berufsschule besucht habe, den Beruf des Koches erlernt habe und zuletzt als Küchenleiter eines Krankenhauses tätig gewesen sei. Er habe erst durch den nunmehr bekämpften Bescheid der Beklagten erfahren, daß Zinserträge unter "sonstige Einkünfte in Geld oder Geldeswert" zu subsumieren seien. Er hätte dies jedoch bereits vor November 1982 erkennen müssen und wäre verpflichtet gewesen, wie von ihm gemäß dem zitierten Protokoll vom 21.1.1982 angekündigt, diesbezüglich nähere Informationen einzuholen; dadurch wäre ein Überbezug vermieden worden. Für den Zeitraum vom 1.11.1982 bis 31.8.1994 ist es nach den Feststellungen des Erstgerichtes zu einem Überbezug von S 654.781,90 gekommen.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß die Beklagte erst durch den Erhebungsbogen vom 27.Mai 1994 Kenntnis davon erlangt habe, daß die Klägerin zur Berechnung des Ausgleichszulagenanspruches heranzuziehende Zinserträge beziehe. Somit sei eine Verjährung des Rückforderungsanspruches nicht eingetreten, weil die Beklagte binnen angemessener Frist reagiert habe. Nach § 20 GSVG sei ein Leistungs- und Zahlungsempfänger verpflichtet, jede Änderung in den für den Fortbestand der Bezugsberechtigung maßgebenden Verhältnissen binnen zwei Monaten dem Versicherungsträger anzuzeigen. Dieser habe nach § 76 Abs 1 GSVG zu Unrecht erbrachte Geldleistungen zurückzufordern, wenn der Leistungsempfänger bzw Zahlungsempfänger den Bezug ua durch Verletzung der Meldevorschriften und der Auskunftspflicht herbeigeführt habe. Den gesetzlichen Vertreter der Klägerin treffe nicht bloß eine objektive Verletzung der Meldepflicht, sondern es liege zumindest leichte Fahrlässigkeit vor, die insbesondere dann anzunehmen sei, wenn der Leistungsempfänger einer ausdrücklich erteilten Belehrung zuwiderhandle oder eine an ihn gestellte Frage unrichtig beantworte. Der Sachwalter der Klägerin wäre verpflichtet gewesen, nähere Informationen im Zusammenhang mit den Zinserträgen einzuholen. Die Unterlassung dieses Schrittes begründe bereits für sich allein die für die Rückforderung notwendige Fahrlässigkeit.

Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin Berufung aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Das Erstgericht habe das Verhalten des Sachwalters unrichtig beurteilt, weil es nicht zutreffe, daß ihm eine ausdrückliche Belehrung erteilt worden sei. Das zitierte Protokoll vom 21.1.1982 enthalte keine ausdrückliche Belehrung darüber, daß Zinserträge aus einem späteren Sparguthaben anzurechnen seien. Gerade der Umstand, daß der Sachwalter, nachdem er erstmals im Jahr 1994 durch das geänderte Anfrageformular ausdrücklich belehrt worden sei, auch Zinsen fielen unter die sonstigen Einkünfte, und er daraufhin bekanntgegeben habe, daß die Klägerin Zinserträge beziehe, weise darauf hin, daß er vorher niemals ausdrücklich belehrt worden sei und ihm die vom Erstgericht vorgeworfene Fahrlässigkeit tatsächlich nicht zur Last falle, sodaß ein Rückforderungsanspruch nicht eingetreten sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Berufungsgericht teilte die Meinung des Erstgerichtes, daß der Sachwalter der Klägerin fahrlässig Meldevorschriften verletzt habe und daß sich die Klägerin dessen Verhalten im Zusammenhang mit den geltend gemachten Pensions- und Ausgleichszulagenansprüchen, mit deren Abhandlung er betraut worden sei, zurechnen lassen müsse. Als Voraussetzung für die Rückforderung wegen Verletzung der Meldepflichten und auch wegen unrichter Angaben sei schon ein leicht fahrlässiges Verhalten ausreichend. Dabei sei auch auf die besondere Schwierigkeit allfälliger Rechtsfragen sowie auf die Belehrung durch den Versicherungsträger Bedacht zu nehmen. Dem Sachwalter sei die Einordnung der Zinserträge als meldepflichtige Einkünfte nicht bewußt gewesen, auch die Formulare der Beklagte seien insoweit nicht eindeutig gewesen. Als leicht fahrlässig sei jedoch schon jedes Verhalten zu beurteilen, das auf einem Fehler beruhe, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterlaufe. Wenn der Sachwalter nach den entsprechenden Anmerkungen im Protokoll bereits im Jahr 1982 vermutete, daß die Zinserträge aus dem Sparguthaben auf die Ausgleichszulage anzurechnen sein könnten und angab, daß er sich darüber noch nähere Informationen einholen würde, was er jedoch unterlassen habe, so sei sein Verhalten jedenfalls als leicht fahrlässig anzusehen. Im Hinblick darauf sei auch nicht entscheidend, ob die Beklagte zusätzlich eine weitere ausdrückliche Belehrung über diese Frage erteilt habe. Nicht berechtigt sei die Berufung auch, soweit sie sich darauf stütze, daß in den Jahren 1987 bis 1994 insgesamt S 273.069,70 aus den Erträgen der Klägerin an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen als Zuschuß zu den Pflegekosten des Landespensionistenheimes überwiesen worden sei. Der Anspruch auf Ausgleichszulage stelle nicht darauf ab, welche Aufwendungen der Pensionist habe, sondern nur auf die jeweiligen Einkünfte bzw den Richtsatz. Eine abschließende Beurteilung durch das Berufungsgericht sei jedoch nicht möglich, da die jeweils ausgezahlten Nettopensionsansprüche nicht festgestellt worden seien, ebenso nicht die konkret ausbezahlten Ausgleichszulagen. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht die jeweils konkret ausbezahlten Nettopensionen sowie die Ausgleichszulagen bezogen auf das jeweilige Jahr festzustellen haben. Im folgenden würden dann von dem mit dem Faktor 14 multiplizierten Ausgleichszulagenrichtsatz für das betreffende Jahr jeweils sämtliche Nettopensionen und Zinserträgnisse dieses Jahres abzuziehen sein. Aus der Differenz errechne sich dann der jeweilige Ausgleichszulagenanspruch für das betreffende Jahr. Dieser werde dann mit der tatsächlich ausbezahlten Ausgleichszulage zu vergleichen sein. Das Verfahren erweise sich somit in mehrfacher Hinsicht als ergänzungsbedürftig. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, da zu der Frage, ob bei einer nachträglichen Neufeststellung der Ausgleichszulage und einer darauf beruhenden Rückforderung einer Überzahlung auch nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres von Amts wegen ein Jahresausgleich durchzuführen sei, keine Rechtsprechung vorliege.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei, mit dem ua Spruchreife der Sache geltend gemacht wird.

Die Klägerin erstattete eine Rekursbeantwortung und beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und im Ergebnis auch berechtigt.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Rechtsstreitigkeit über die Pflicht zum Rückersatz einer zu Unrecht empfangenen Versicherungsleistung (§ 65 Abs 1 Z 2 ASGG). Wird in einer Leistungssache nach § 65 Abs 1 Z 1, 2 oder 4 bis 8 ASVG die Klage rechtzeitig erhoben, so tritt nach § 71 Abs 1 ASGG der Bescheid des Versicherungsträgers im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft. Der Bescheid, der außer Kraft tritt, ist also jener Bescheid, der zur Erhebung der Klage Anlaß gibt und der somit über jenen Leistungsanspruch entschieden hat, welcher der Klage zugrundeliegt. Lehnt der betreffende Bescheid den Antrag des Versicherten zur Gänze ab und richtet sich die Klage auf den gesamten im Bescheid abgelehnten Leistungsanspruch, dann tritt der Bescheid zur Gänze außer Kraft. Diese Rechtsfolge tritt auch dann ein, wenn in der Klage eine höhere Leistung begehrt wird, als im Bescheid zuerkannt worden ist (SSV-NF 1/1, 2/42, 4/71, 4/153 ua), wenn in der Klage eine Leistung von einem früheren als dem im Bescheid genannten Zeitpunkt an (SSV-NF 6/137 ua) oder wenn in der Klage die Feststellung weiterer Versicherungszeiten begehrt wird, als im Bescheid festgestellt wurde (SSV-NF 1/18, 1/41, 3/31, 7/24 ua). Der Bescheid tritt außer Kraft, soweit er vom Klagebegehren berührt wird. Trotz der Klage wird jener Teil des Bescheides rechtskräftig, der sich inhaltlich von dem angefochtenen Bescheid trennen läßt, weil die darin behandelten Fragen auf einem anderen Rechtsgrund beruhen oder jedenfalls nicht eng zusammenhängen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist allerdings ein möglichst weitgehendes Betroffensein des Bescheides durch das Klagebegehren anzunehmen (SSV-NF 1/18, 1/60, 3/78, 4/54 ua; Kuderna ASGG2 459 f in Anm 4 zu § 71 mwN). Eine inhaltliche Trennbarkeit ist weiters anzunehmen, wenn ein Bescheid über verschiedene Leistungen abspricht. Hat etwa der Sozialversicherungsträger eine Pension zuerkannt und zugleich die Ausgleichszulage festgesetzt, so sind diese Bescheidteile zumindest dann trennbar, wenn die Klage sich nur gegen die Höhe der Ausgleichszulage richtet; diesfalls erwächst die Zuerkennung der Pension in Teilrechtskraft (SSV-NF 1/60, 4/54 ua). Begehrt der Kläger hingegen eine höhere Pension, so trittt wegen des inneren Zusammenhanges auch der die Ausgleichszulage betreffende Teil außer Kraft. Inhaltlich trennbar sind auch Bescheide, die in einem über die Zuerkennung einer Rente oder Pension und über den Anspruch auf Pflegegeld absprechen; ebenso Bescheide, die über den Bestand und Umfang einer Versicherungsleistung entscheiden und zugleich deren Ruhen verfügen.

Bei einem kombinierten Entziehungs- und Rückforderungsbescheid ist nach den dargelegten Grundsätzen der die Leistung entziehende (oder neue festsetzende) Teil von jenem über die Rückforderung inhaltlich trennbar: Wendet sich der Kläger nur gegen die Rückforderung, so tritt auch nur dieser Teil außer Kraft (Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen, 404 unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Wien SSV 15/22). Der Oberste Gerichtshof schließt sich dieser Auffassung an:

Wie oben ausführlich dargestellt, enthält der im vorliegenden Verfahren bekämpfte Bescheid der Beklagten vom 29.8.1984 drei voneinander getrennte und auch zu trennende Aussprüche, nämlich 1. daß der Klägerin im Zeitraum 1.11.1982 bis 31.7.1994 eine Ausgleichszulage in bestimmter Höhe gebührt bzw nicht gebührt, daß 2. nach Durchführung eines Ausgleichszulagen-Jahresausgleiches Erstattungsbeträge festgesetzt wurden, und daß schließlich 3. der Überbezug von S 654.781,90 wegen Verletzung der Meldevorschriften zurückgefordert werde.

Die vorliegende Klage richtet sich sowohl nach ihrem Inhalt wie nach ihrem Begehren eindeutig nur gegen den die Rückforderung des Überbezuges aussprechenden Teil des Bescheides mit der Begründung, daß eine fahrlässige Verletzung der Meldepflicht nicht vorliege; hilfsweise wurde Verjährung nach § 76 Abs 2 lit b GSVG eingewendet, wonach das Recht auf Rückforderung binnen drei Jahren nach dem Zeitpunkt verjährt, in dem dem Versicherungsträger bekanntgeworden ist, daß die Leistung zu Unrecht erbracht wurde. Daß die Voraussetzungen für die Neufeststellung der Ausgleichszulage nach § 153 GSVG nicht gegeben gewesen seien, daß die in Punkt 1. des Bescheides neu festgestellten Ausgleichszulagenbeträge unrichtig seien oder die Entziehung für die Jahre 1985 und 1987 bis 1994 zu Unrecht erfolgt sei oder daß schließlich die im Punkt 2. festgestellten Erstattungsbeträge unrichtig errechnet seien, wurde von der Klägerin nicht behauptet. Damit sind die Punkte 1. und 2. des angefochtenen Bescheides, die sich inhaltlich von Punkt 3. trennen lassen, als nicht angefochten zu betrachten und daher auch durch die Klage nicht außer Kraft getreten. Außerdem wurde hiedurch auch die Art der eingeklagten Leistung im Sinne des § 65 ASGG festgelegt, nämlich, daß es sich um ein Begehren betreffend die Pflicht zum Rückersatz einer zu Unrecht empfangenen Versicherungsleistung (§ 65 Abs 1 Z 2), nicht aber um eine Rechtsstreitigkeit über den Bestand, den Umfang oder das Ruhen eines Anspruchs auf Versicherungsleistung (Z 1) handelt. Die Höhe der Ausgleichszulage für die von der Rückforderung betroffenen Zeiträume bildete dabei nur eine Vorfrage der Rückforderungsansprüche (SSV-NF 3/12 und 4/37; vgl auch SSV-NF 5/86).

Im vorliegenden Verfahren war also lediglich zu prüfen, ob die Beklagte nach § 76 Abs 1 GSVG berechtigt ist, die zu Unrecht erbrachten Ausgleichszulagenbeträge wegen Verletzung der Meldevorschriften zurückzufordern. Diese Frage wurde vom Berufungsgericht mit zutreffender Begründung bejaht, sodaß es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG). Was die Höhe des Rückforderungsanspruchs betrifft, so war dabei von den durch die Klage unberührt gebliebenen Punkten 1. und 2. des angefochtenen Bescheides auszugehen. Bei Gegenüberstellung der somit rechtskräftig neu festgesetzten bzw entzogenen Ausgleichszulagenbeträge und der Erstattungsbeträge ergibt sich aber, wie das Erstgericht - insoweit von der Klägerin auch völlig unbekämpft - festgestellt hat, ein Überbezug von S 654.781,90. Da nach den Feststellungen der Beklagten erst im Jahr 1994 bekanntgeworden ist, daß die Leistung zu Unrecht erbracht worden ist, ist auch keine Verjährung nach § 76 Abs 2 lit b GSVG eingetreten, wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat. Die Ergänzungsaufträge des Berufungsgerichtes betreffen aber ausschließlich die Berechnung der Höhe der gebührenden Ausgleichszulage bzw der Erstattungsbeträge aufgrund der Ausgleichszulagen-Jahresausgleiche, also Fragen, die nach den obigen Darlegungen nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sein konnten, weil darüber bereits mit rechtskräftigem Bescheid abgesprochen worden ist. Berücksichtigt man schließlich, daß das Erstgericht unter Aufschlüsselung der einzelnen Zeiträume den Überbezug auf Seite 10 seines Urteils detalliert feststellte, und daß diese Feststellungen von der Klägerin in ihrer Berufung, die ausschließlich unrichtige rechtliche Beurteilung im Zusammenhang mit der Verletzung der Meldevorschriften geltend machte, nicht bekämpft worden waren, so konnten und durften sie auch nicht vom Berufungsgericht zum Gegenstand von weiteren Erörterungen gemacht werden.

Aus dem bisher Gesagten folgt, daß es der vom Berufungsgericht aus rechtlichen Gründen für notwendig erachteten, aber lediglich eine nicht mehr strittige Vorfrage betreffenden Verfahrensergänzung nicht bedarf. Der Rekurs der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß ist daher berechtigt. Nach § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO kann der Oberste Gerichtshof über einen solchen Rekurs durch Urteil in der Sache selbst erkennen, wenn die Streitsache zur Entscheidung reif ist. In diesem Sinne war das klageabweisende und die Verpflichtung zum Rückersatz aussprechende Urteil des Gerichtes erster Instanz wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an die unterlegene Klägerin aus Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und sind auch nach der Aktenlage nicht ersichtlich.

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