OGH 10ObS5/12a

OGH10ObS5/12a14.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch als weitere Richter (Senat nach § 11a Abs 3 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Ing. Mag. Dr. Roland Hansely, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Ausgleichszulage, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Oktober 2011, GZ 10 Rs 113/11b-11, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. In einer Leistungssache wie der vorliegenden darf vom Versicherten eine Klage nur erhoben werden, wenn der Versicherungsträger darüber bereits mit Bescheid entschieden hat (§ 67 Abs 1 Z 1 ASGG) oder die Voraussetzungen einer Säumnisklage gegeben sind (§ 67 Abs 1 Z 2 ASGG).

2. Der Versicherungsträger muss also, damit der Versicherte eine Klage nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG erheben darf, über den sozialversicherungsrechtlichen Anspruch mit Bescheid entschieden haben. Anderenfalls ist eine Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen (§ 73 ASGG).

2.1 Der mit der vorliegenden Klage bekämpfte Bescheid spricht über die Ausgleichszulage ausdrücklich nur bis zum 31. 12. 2008 ab und erklärt, dass über die der Klägerin ab 1. 1. 2009 gebührende Ausgleichszulage gesondert entschieden werde. Weiters wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass ihr die Ausgleichszulage ab Jänner 2009 vorläufig im Betrag von 352,75 EUR monatlich, ab April 2009 vorläufig im Betrag von 0,00 EUR monatlich und ab Februar 2010 vorläufig im Betrag von 413,67 EUR monatlich ausgezahlt werde. Damit wurde von der beklagten Partei hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass bezüglich der gewährten Ausgleichszulage der erlassene Bescheid für den Zeitraum 1. 1. 2008 bis 31. 12. 2008 als Teilbescheid, mit den insofern abschließend und endgültig über den Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage abgesprochen wird, zu qualifizieren ist, während die Entscheidung über den Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage für den Zeitraum ab 1. 1. 2009 einer weiteren (gesonderten) Entscheidung vorbehalten bleibt. Dieser Bescheidwille ergibt sich bei der gebotenen objektiven Auslegung des von der beklagten Partei erlassenen Bescheids (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 110 mwN).

2.2 Es hat das Rekursgericht auch bereits darauf hingewiesen, dass die Behörde gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG - die Trennbarkeit und die Spruchreife einzelner Punkte vorausgesetzt - auch über jeden von mehreren Punkten gesondert, das heißt durch Teilbescheide, absprechen kann, wenn dies zweckmäßig erscheint. Will sich eine Behörde die Entscheidung über einen oder über mehrere trennbare Punkte vorbehalten, dann ist dies nach herrschender Ansicht im zunächst ergehenden Teilbescheid - vorzugsweise im Spruch - zum Ausdruck zu bringen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 101 mwN). Es ist dabei - wie im vorliegenden Fall - im Spruch des Bescheids in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zum Ausdruck zu bringen, hinsichtlich welchen Zeitraums die Behörde absprechen wollte (vgl VwSlg 13.267/A).

2.3 Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, die beklagte Partei habe im angefochtenen Bescheid ihren Bescheidwillen, über die ab 1. 1. 2009 der Klägerin gebührende Ausgleichszulage gesondert zu entscheiden, hinreichend deutlich dargelegt, sodass der vorliegenden Klage, in der der Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage für den Zeitraum vom 1. 1. 2009 bis 31. 1. 2010 geltend gemacht wird, kein Bescheid des Versicherungsträgers zugrunde liege, weshalb eine Bescheidklage nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG nicht erhoben werden könne, steht daher im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 10 ObS 264/97i, SSV-NF 11/150; zuletzt 10 ObS 109/11v).

3. Die Erhebung einer Klage vor Bescheiderlassung ist nur in den Säumnisfällen (§ 67 Abs 1 Z 2 ASGG) zulässig. Die Säumnisklage soll den Versicherten vor den mit Untätigkeit oder längerfristiger Verzögerung der Antragserledigung verbundenen Folgen schützen. Die Säumnisklage setzt voraus, dass der Versicherungsträger einen Bescheid über den vom Versicherten bei ihm gestellten Leistungs- (bzw Feststellungs-)Antrag nicht innerhalb von 6 Monaten - bei Leistungen aus der Krankenversicherung nicht innerhalb von 3 Monaten - erlassen hat. Diese Frist läuft, wenn ein Bescheid nur über ausdrückliches Verlangen zu erlassen war, vom Eingang des Antrags auf Bescheiderlassung beim Versicherungsträger an; sonst beginnt sie nach dem Eingang des Antrags auf Zuerkennung der Leistung bzw Feststellung der Versicherungszeiten (Fasching/Klicka in Tomandl, SV-System 12. ErgLfg 743; Neumayr in ZellKomm² § 67 Rz 14 mwN). Der Säumnisfall erfordert, dass der Versicherungsträger zur Erlassung eines Bescheids verpflichtet ist (Neumayr aaO § 67 Rz 12 mwN).

3.1 Hat der Versicherungsträger einen Bescheid zu erlassen, kann er dies aber innerhalb der nach § 368 Abs 1 ASVG für die Bescheiderteilung vorgesehenen Frist nicht, weil der Sachverhalt noch nicht genügend geklärt ist, so hat er, wenn seine Leistungspflicht dem Grunde nach feststeht, die Leistung zu bevorschussen (§ 368 Abs 2 ASVG). Nach der Rechtsprechung (vgl 10 ObS 37/93, SSV-NF 7/27 ua) trägt diese Bestimmung des § 368 Abs 2 ASVG dem Versicherungsträger nur die (tatsächliche) Zahlung eines Vorschusses, nicht aber die Erlassung eines diesbezüglichen Bescheids auf. Etwas anderes könnte nach der Rechtsprechung lediglich in jenen Fällen gelten, in denen eine bereits bescheidmäßig zuerkannte Ausgleichszulage in der Folge mangels ausreichender Einkommensnachweise zunächst nicht neu festgestellt werden kann (vgl 10 ObS 264/97i, SSV-NF 11/50 mwN).

3.2 Auch wenn man im Sinne dieser zuletzt zitierten Rechtsprechung davon ausgeht, dass die beklagte Partei auch im vorliegenden Fall, bei dem es sich um keine erstmalige Leistungsgewährung an die Klägerin handelte, mit Bescheid über die Vorschussgewährung an die Klägerin ab 1. 1. 2009 hätte absprechen müssen, liegen die Voraussetzungen für eine Säumnisklage nach § 67 Abs 1 Z 2 ASGG nicht vor. Es hat ebenfalls bereits das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass nach den Ergebnissen der vom Erstgericht in der Tagsatzung am 27. 4. 2011 mit beiden Parteien vorgenommenen Erörterung unbestritten davon auszugehen ist, dass von der Klägerin für den klagsgegenständlichen Zeitraum kein eigener Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszulage gestellt wurde, sondern die Überprüfung eines Ausgleichszulagenanspruchs der Klägerin durch die beklagte Partei von Amts wegen aus Anlass der Pensionserhöhung erfolgte. Die Klägerin hat auch in weiterer Folge kein Sachvorbringen erstattet, welches auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Säumnisklage (Antragstellung) hindeuten könnte. Damit ist aber nach zutreffender Rechtsansicht des Rekursgerichts davon auszugehen, dass die neue Feststellung der Ausgleichszulage ab 1. 1. 2009 nicht auf Antrag der Klägerin, sondern von Amts wegen erfolgt, weshalb auch die Voraussetzungen für eine Säumnisklage nach § 67 Abs 1 Z 2 ASGG nicht erfüllt sind.

4. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO iVm § 528a ZPO).

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