OGH 10ObS3/96

OGH10ObS3/9627.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Steinbauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Friedrich Hötzl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Günther Trausznitz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Norbert J*****, ***** vertreten durch Dr.Karl Muzik, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, wegen Höhe der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13.Oktober 1995, GZ 10 Rs 95/95-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 9.März 1995, GZ 10 Cgs 178/94b-6, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 5.10.1994 anerkannte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab 1.6.1994 in der monatlichen Höhe von S 5.875,70 und sprach aus, daß ein Anspruch auf Ausgleichszulage nicht bestehe. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt der Kläger die Berücksichtigung seiner Beschäftigungszeiten beim Kurier vom Jänner 1972 bis Dezember 1975 als Versicherungszeiten. Diese Tätigkeit habe er neben seinem Dienstverhältnis als Hilfsarbeiter bei der Wiener Bestattung ausgeübt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Der Kläger wurde mit Wirkung vom 1.1.1976 in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis aufgenommen. Die Beklagte leistete für alle Zeiten, die der Dienstgeber (Wiener Stadtwerke - Bestattung) für die Bemessung eines künftigen Ruhegenusses zur Anrechnung brachte, gemäß § 308 Abs 1 ASVG einen Überweisungsbetrag. Die Wiener Stadtwerke rechneten dem Kläger die Zeiten vom 9.11.1970 bis 31.12.1975 zur Gänze als Versicherungszeiten an. Der Antrag des Klägers vom 11.11.1985, den Zeitraum von Oktober 1971 bis Dezember 1975 als Versicherungszeiten festzustellen und dem Kläger den bis zur Übernahme in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis geleisteten Beitragsteil zurückzuerstatten, wurde mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 17.12.1987 als nicht rückerstattbar - weil erloschen - abgewiesen.

Das Erstgericht wies das oben dargestellte Klagebegehren ab und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß gemäß § 310 ASVG mit der Leistung des Überweisungsbetrages bzw der Erstattung von Beiträgen alle Ansprüche aus den Versicherungszeiten, für die Überweisungen/Erstattungen geleistet wurden, erlöschen. Von Versicherungszeiten, die sich zeitlich decken, sei jeweils nur eine zu zählen, gleich wie viele versicherungspflichtige Beschäftigungen gleichzeitig ausgeübt würden.

Das Gericht der zweiten Instanz bestätigte unter Wiederherstellung des Bescheidinhaltes dieses Urteil. Es vertrat die Rechtsmeinung, daß dem zulässigerweise im Verwaltungsverfahren ergangenen Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung bindende Wirkung zukäme und daß schon aus diesem Grunde das Begehren auf Berücksichtigung weiterer Versicherungszeiten abzuweisen wäre.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei, inhaltlich insgesamt wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Erst mit der Gesetzesbestimmung des § 247 idF der 35.Novelle zum ASVG (BGBl 1980/585) wurde erreicht, daß unter den darin genannten Voraussetzungen, nämlich einer frühestens zwei Jahre vor Vollendung einer für eine Leistung aus einem Versicherungsfall des Alters maßgebenden Lebensalters möglichen Antragstellung, der vollständigen Feststellung der Versicherungszeiten außerhalb des Leistungsfeststellungsverfahrens Rechtsverbindlichkeit zukommt (535 BlgNR 15.GP, 26; Teschner/Widlar, ASVG, 56.ErgLfg 1239; Fink, Die sukzessive Zuständigkeit des Verfahrens in Sozialrechtssachen, 372 f; SSV-NF 1/41 = ZAS 1989/4 [Rudda]). Vor diesem Alter gibt es weder auf Antrag noch von Amts wegen eine bescheidmäßige Entscheidung über die Versicherungszeiten. Die Feststellung von Versicherungszeiten nach § 247 ASVG ist gemäß § 354 Z 4 ASVG eine Leistungssache (SSV-NF 1/41 = ZAS 1989/4 [Rudda]). Ein Bescheid des Versicherungsträgers tritt daher bei rechtzeitiger Klageerhebung gemäß § 71 Abs 1 ASGG im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft. Das Sozialgericht prüft dann selbständig den durch die Klage geltend gemachten sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch. Der zum Gesetz gewordene § 247 der 35.ASVG-Novelle entsprach nicht den Vorstellungen des Österreichischen Arbeiterkammertages. Dieser hatte im Rahmen seiner Stellungnahme zum Entwurf der 33.ASVG-Novelle angeregt, daß über die Feststellung von Versicherungszeiten nach Abschluß des REV-Verfahrens (rückwirkende Erfassung von Versicherungszeiten) auf Antrag des Versicherten ein verbindlicher Bescheid zu ergehen hätte. Es war nämlich zu Unzukömmlichkeiten gekommen, indem Versicherte im Vertrauen auf die Mitteilung über die Versicherungszeitenfeststellung das Dienstverhältnis auflösten und den Pensionsantrag stellten, der Versicherungsträger aber nachträglich unter Hinweis auf die Unverbindlichkeit seiner früheren Mitteilung die Versicherungszeitenfeststellung zu Ungunsten des Versicherten geändert hat (535 BlgNR 15.GP, 26). Eine nicht unter den Voraussetzungen des § 247 ASVG ergangene Mitteilung über Versicherungszeiten durch den Versicherungsträger war im Hinblick auf die Änderungen durch die 35.Novelle zum ASVG als bloße Mitteilung im REV-Verfahren immer unverbindlich (SSV-NF 1/41 = ZAS 1989/4 [Rudda]).

Mit Antrag vom 11.11.1985 hat der Kläger sich mit einer solchen, nicht unter den Voraussetzungen des § 247 ASVG ergangenen, vom Versicherungsträger selbst veranlaßten Mitteilung der Beklagten über die Aufstellung der Versicherungszeiten nicht einverstanden erklärt und ersucht, auch die während seines Dienstverhältnisses beim Kurier in der Zeit von Oktober 1971 bis Dezember 1975 erworbenen Versicherungsmonate als solche festzustellen, hat aber weiters beantragt, ihm den bis Übernahme in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis auf diese Versicherungszeiten entfallenden und geleisteten Beitragsteil zurückzuerstatten. Über Devolutionsantrag des Klägers entschied dann das Amt der Wiener Landesregierung mit Bescheid vom 17.12.1987 rechtskräftig, daß der Zeitraum von Oktober 1971 bis Dezember 1975 aufgrund des § 310 ASVG als Versicherungszeit zufolge Leistung des Überweisungsbetrages erloschen sei und die für diesen Zeitraum entrichteten Beiträge aufgrund des § 69 ASVG nicht rückerstattbar seien.

Ungeachtet des im verwaltungsbehördlichen Rechtszug festgestellten Erlöschens der Ansprüche und Berechtigungen aus der Pensionsversicherung, die aus den Versicherungsmonaten erhoben werden können, für die der Überweisungsbetrag geleistet oder die Beiträge erstattet wurden (§ 310 ASVG) und der Nichtrückerstattbarkeit der Beiträge, liegt im Rahmen dieses hier abgeführten Leistungsfeststellungsverfahrens und der selbständig nur bei Gericht und nur unter den Voraussetzungen des § 247 ASVG, nicht jedoch im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Rechtszuges zu prüfenden Vorfrage der Versicherungszeiten keine bindende Wirkung des Bescheides vor. Der Ausspruch über das Erlöschen der Versicherungszeiten aufgrund des § 310 ASVG zufolge Leistung des Überweisungsbetrages ist daher als eine auch sonst im REV-Verfahren als unverbindlich anzusehende Mitteilung, der keine Rechtskraftwirkung zukommt, zu werten. Die im Rahmen der sukzessiven Kompetenz zu prüfende Frage der Feststellung der Beschäftigungszeiten beim Kurier als Versicherungszeiten kann daher ohne Bindung an den Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung beantwortet werden.

Jedes Dienstverhältnis begründet ein eigenes Pflichtversicherungsverhältnis, für das entsprechende Beiträge zu leisten sind (Grillberger, Österreichisches Sozialrecht2, 19; Tomandl SV-System, 5.ErgLfg 43, 7.ErgLfg 72). Dadurch können auch zeitlich sich deckende Versicherungszeiten entstehen. Für die Feststellung der dadurch erworbenen Versicherungsmonate gelten die §§ 231, 233 ASVG (Cutka, Das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis, VersRdSch 1956, 276). Zur Feststellung der Leistungen aus der Pensionsversicherung und der Überweisungsbeträge nach den §§ 308 und 311 ASVG sind Versicherungszeiten in Versicherungsmonate zusammenzufassen, wobei Versicherungszeiten, die sich zeitlich decken, hier ebenso nur einfach zu zählen sind (§ 231 Z 1 b ASVG), wie bei der Feststellung des Überweisungsbetrages (§ 308 Abs 8 ASVG).

Das bedeutet, daß alle Ansprüche und Berechtigungen aus den sich mit anderen Versicherungszeiten deckenden versicherten Beschäftigungszeiten des Klägers beim Kurier bereits durch die Leistung des seinerzeitigen Überweisungsbetrages gemäß § 310 ASVG tatsächlich erloschen sind und infolge der nur einfach vorzunehmenden Zählung nicht neuerlich als Versicherungsmonate bei der Bemessung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit berücksichtigt werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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