Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an
das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Berufungs- und Revisionskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Mit Bescheid vom 23. 3. 1984 anerkannte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf Invaliditätspension nach § 254 Abs 1 Z 2 ASVG iVm den Bestimmungen der Abkommen über Soziale Sicherheit zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland bzw der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien vom 10. 3. 1982 (Antragstag) an. Diesem Bescheid lag ein Gutachten des OMR Dr. B*** vom 8. 2. 1984 zugrunde, der sich dabei auf die Diagnosen 1. coronare Herzkrankheit bei Zustand nach Vorderwandinfarkt im Dezember 1980 mit Vorderwandspitzenaneurysma und 2. mäßige Funktionseinschränkung der unteren Wirbelsäule durch Abnützung stützte, den Kläger seit Antragstellung als vorübergehend invalid erachtete und eine Nachuntersuchung im Februar 1986 vorschlug.
Mit Bescheid vom 19. 10. 1987 entzog die beklagte Partei die Invaliditätspension mit Ablauf des Monates November 1987 unter Berufung auf § 99 ASVG.
In der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage behauptete der Kläger, daß sich sein Gesundheitszustand seit 1980 ständig verschlechtert habe, und beantragte die Weitergewährung der entzogenen Leistung.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, daß gegenüber dem Zeitpunkt der Pensionszuerkennung insoferne eine wesentliche Änderung eingetreten sei, als der Kläger neuerlich belastbar sei und nunmehr alle leichten Arbeiten überwiegend im Sitzen leisten könne.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Nach seinen wesentlichen Feststellungen hat der Kläger seit dem Herzinfarkt im Jahr 1980 Anfälle von raschem Herzschlag mit Druckgefühl über der Brust und Atemnot. Er erhält neben anderen Medikamenten eine Macumarbehandlung mit zwei ärztlichen Kontrollen pro Monat. Seit der Entziehung bestehen ein Zustand nach Vorderwandinfarkt, ein sekundäres Herzaneurysma, eine coronare Herzerkrankung und möglicherweise eine Herzneurose. Deshalb kann der Kläger während der normalen Arbeitszeit bei Einhaltung der üblichen Pausen nur mehr leichte Arbeiten vorwiegend im Sitzen ohne erhöhte Verletzungesgefahr und ohne ständigem besonderen Zeitdruck leisten. "Eine wesentliche Besserung besteht auf Grund der nunmehr wieder bestehenden Belastbarkeit des Klägers". Die seit der Entziehung bestehende Arbeitsfähigkeit reicht für die bisher ausgeübten Tätigkeiten als Forstarbeiter, Sägewerksarbeiter und Montagearbeiter nicht mehr aus, wohl aber für die auf dem Arbeitsmarkt bewerteten und in ausreichender Zahl vorhandenen, vom Erstgericht aufgezählten Tätigkeiten. Der Kläger war in den letzten 15 Jahren vor der Pensionszuerkennung als Hilfsarbeiter (Fertigungsarbeiter) tätig. Weil der Kläger auf die ihm mit Rücksicht auf seine bisherigen Tätigkeiten zumutbaren Verweisungstätigkeiten verwiesen werden könne, sei er nicht invalid im Sinne des § 255 Abs 3 ASVG. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Dagegen richtet sich die unbeantwortet gebliebene Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Die nach § 46 ASGG zulässige Revision ist berechtigt. Sind die Voraussetzungen des Anspruches auf eine laufende Leistung nicht mehr vorhanden, so ist die Leistung nach § 99 Abs 1 ASVG zu entziehen, sofern nicht der Anspruch gemäß § 100 Abs 1 leg cit ohne weiteres Verfahren erlischt. Die Entziehung einer Leistung wird, wenn der Entziehungsgrund in der Wiederherstellung oder Besserung des körperlichen oder geistigen Zustandes des Anspruchsberechtigten gelegen ist, mit dem Ablauf des Kalendermonates wirksam, der auf die Zustellung des Bescheides folgt (Abs 2 der erstzitierten Gesetzesstelle).
Nach stRsp des erkennenden Senates (SSV-NF 1/27, 43, 44; 2/43, 90 mit weiteren Nachweisen) setzt die Entziehung eine wesentliche (entscheidende) Änderung der Verhältnisse zur Zeit der Entziehung gegenüber der Zeit der Leistungszuerkennung voraus. Eine Entziehung ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des Anspruches bei Leistungszuerkennung vorhanden waren. Die nachträgliche Erkenntnis, daß das nicht der Fall war, rechtfertigt die Entziehung nicht, weil dies gegen die Rechtskraft des Gewährungsbescheides und damit gegen den Vertrauensschutz und gegen die Rechtssicherheit verstoßen würde. Ob im vorliegenden Fall eine wesentliche Änderung der Verhältnisse zur Zeit der Entziehung gegenüber der Zeit der Leistungszuerkennung im Jahre 1984 vorliegt, kann noch nicht beurteilt werden, weil mangels ärztlicher Vergleichsgutachten weder Feststellungen über den Zustand und die Arbeitsfähigkeit des Klägers zur Zeit der Zuerkennung noch darüber vorliegen, ob und in welchem Ausmaß sich diese Faktoren zum Entziehungszeitpunkt gebessert haben.
Die Ausführungen im Urteil des Erstgerichtes: "Eine wesentliche Besserung besteht aufgrund der nunmehr wieder bestehenden Belastbarkeit des Klägers." finden in den bisherigen Sachverständigengutachten keine Deckung und stellen offensichtlich eine durch die bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht gedeckte unrichtige rechtliche Beurteilung dar.
Auch zur Beurteilung, ob der Kläger überwiegend in angelernten oder in nicht angelernten Berufen tätig war und ob seine Invalidität daher nach Abs 1 oder Abs 3 des § 255 ASVG zu beurteilen wäre, reichen die bisherigen Feststellungen nicht aus.
Auch dann, wenn die Leistung nach § 99 Abs 1 ASVG zu entziehen wäre, müßte im Hinblick auf Abs 2 dieser Gesetzesstelle festgestellt werden, wann der Entziehungsbescheid zugestellt wurde. Daher war der Revision Folge zu geben.
Nach den §§ 496, 499, 510 und 513 ZPO waren die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und war die Sozialrechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Berufungs- und der Revisionskosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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