OGH 10ObS358/01x

OGH10ObS358/01x13.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Waltraud Bauer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ulrike Legner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Svetislav D*****, Tischlerhelfer, *****, vertreten durch Dr. Dipl. Dolm. Johann Zivic, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen vorzeitiger Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit und Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juli 2001, GZ 7 Rs 222/01w-45, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. Jänner 2001, GZ 8 Cgs 48/98z-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 9. 6. 1937 geborene Kläger arbeitete seit 17. 9. 1973 als Tischlerhelfer in der Tischlerei KR Johann G*****. Über das Vermögen des Arbeitgebers wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 21. 2. 2000 das Konkursverfahren eröffnet; der Betrieb wurde geschlossen.

Seit 1. 7. 2001 bezieht der Kläger von der beklagten Partei eine vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit (§ 253a ASVG).

Das Einsatzgebiet des Klägers in der Tischlerei umfasste die Plattensäge, die Leimmaschine, die Fräsmaschine und das Tucken mit unterschiedlicher Zeitdauer. Der Kläger verrichtete Hilfsarbeiten, und zwar nur Tätigkeiten, die ihm vorgegeben wurden oder die er sich im Laufe der Zeit angeeignet hat. Er übte keine selbständige Tätigkeit aus und arbeitete immer unter Aufsicht eines Fachmanns. Der Kläger ist nicht in der Lage einen Plan zu lesen. Die Arbeiten wurden in der Halle verrichtet; es bestand keine Akkordarbeit und auch keine Bandarbeit.

Die vorwiegende Tätigkeit des Klägers bestand im Zuschneiden von Spanplatten auf der Plattensäge. Die Platten wurden in unterschiedlicher Größe und Stärke geliefert und im Plattenlager abgestellt, das sich in einer Entfernung von 10 m von der Zuschneidemaschine befand. Der Kläger musste gemeinsam mit einem Helfer die Platten zur Maschine tragen. Generell musste der Kläger die Platten nicht allein tragen. Für längere Transportwege, wenn die Platten nicht in der Halle abgeladen wurden, wurde ein Plattenwagen verwendet. Im Regelfall wurden die Platten nicht getragen, sondern teilweise auch gezogen, nämlich an Stellen, wo infolge der räumlichen Gegebenheiten der Plattenwagen nicht eingesetzt werden konnte. Die Platten wurden auf die Plattensäge aufgekantet und hinaufgeschoben. Die Platten wurden zu zweit aufgehoben, ein paar Meter zur Säge getragen bzw gezogen und zu zweit aufgehoben bzw aufgekantet. Diese Vorgänge dauerten jeweils maximal 15 Sekunden. Durchschnittlich wurden ca 10 Platten pro Tag an der Säge bearbeitet. Eine Spanplatte im Ausmaß von 280 x 207 x 19 mm hat ein Gewicht von 72 kg, die üblichen und am häufigst verwendeten größeren Platten haben ein Ausmaß von 280 x 185 x 19 mm und ein Gewicht von ca 64 kg.

Die fertigen Sicherheitstüren wiegen je nach Größe bis 120 kg, diese wurden zu viert getragen. Platten mit einem Gewicht von 40 - 60 kg wurden zu zweit getragen.

Bei der vom Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag 1. 8. 1997 überwiegend ausgeübten Tätigkeiten kam das Heben und Tragen schwerer Lasten nicht sehr oft vor, und wenn, dann nur kurzzeitig, dh 2 1/2 Minuten über den Tag verteilt.

Aufgrund seines Gesundheitszustands kann der Kläger noch leichte und mittelschwere Arbeiten gehend, stehend und sitzend verrichten. Der Kläger ist in der Lage die von ihm bisher verrichtete Arbeit weiter auszuüben; es sind ihm die oben beschriebenen Tragebelastungen (beim Tragen von Sicherheitstüren und Platten) möglich.

Er ist in der Lage, unter anderem als Verpacker, Sortierer, Arbeiter an Maschinen- und Halbautomaten sowie Tischabräumer bei McDonalds zu arbeiten. Solche Stellen kommen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausreichend vor.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 4. 2. 1998 wurde der Antrag des Klägers auf Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bzw der Invaliditätspension abgelehnt.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Zahlung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bzw der Invaliditätspension (ab dem Stichtag 1. 8. 1997) gerichtete Klagebegehren ab. Dem Kläger sei es zumutbar, die in den letzte 15 Jahren vor dem Stichtag ausgeübte gleiche Tätigkeit weiter auszuüben. Im Übrigen sei die Arbeitsfähigkeit des Klägers nicht derart herabgesunken, dass er keine Arbeit mehr leisten könne, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch bewertet werde; aus diesem Grund liege beim Kläger auch keine Invalidität vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sah die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht als gegeben an, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab dem Stichtag abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Kann ein Versicherter die von ihm im Beobachtungszeitraum überwiegend ausgeübte Tätigkeit auch unter Berücksichtigung der gesundheitsbedingten Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit weiterhin verrichten, fehlt es an der im § 253d Abs 1 Z 4 ASVG (in der hier anzuwendenden Fassung vor dem SVÄG 2000) genannten Voraussetzung für die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, weil der Versicherte dann noch imstande ist, durch diese Tätigkeit wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein völlig gesunder Versicherter regelmäßig dadurch zu erzielen pflegt (10 ObS 148/01i).

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen, die das Berufungsgericht als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung übernommen hat, kann der Kläger leichte bis mittelschwere Arbeiten gehend, stehend und sitzend verrichten. Bei der vom Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend ausgeübten Tätigkeit kommt das Heben und Tragen schwerer Lasten nicht sehr oft vor, und wenn dann nur kurzzeitig, dh 2 1/2 Minuten über den Tag verteilt. Dem Kläger sind diese schweren, aber nur kurzzeitigen Tragebelastungen (beim Tragen von Sicherheitstüren und Platten) möglich.

Diese Feststellungen resultieren aus der freien Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden können (RIS-Justiz RS0043061 [T11]). Es ist nicht möglich, im Revisionsverfahren die in der Revisionschrift analysierten Ergebnisse der medizinischen Begutachtung aufzugreifen. Dem Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, ist es verwehrt, aus den medizinischen Sachverständigengutachen andere Schlüsse als die Vorinstanzen zu ziehen.

Da der Kläger somit die zuletzt ausgeübte Tätigkeit noch verrichten kann und sich daher die Frage der Verweisung nicht mehr stellt (SSV-NF 12/72 ua), haben die Vorinstanzen zu Recht die Voraussetzungen für die Erlangung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach § 253d ASVG verneint.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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