Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 31. 3. 1946 geborene Kläger erlitt am 5. 7. 1989 einen Arbeitsunfall, als er im Rahmen seines Spenglerbetriebes von einer Leiter stürzte.
Im Verfahren 13 Cgs 169/93z des Erstgerichts wurde die Beklagte mit Urteil vom 8. 9. 1994 schuldig erkannt, dem Kläger aus Anlass dieses Arbeitsunfalls eine Versehrtenrente im Ausmaß von 45 vH der Vollrente für die Zeit vom 1. 8. 1991 bis zum 4. 7. 1993 sowie eine Versehrtenrente von 30 vH der Vollrente ab dem 5. 7. 1993 zu gewähren.
Am 29. 2. 1996 beantragte der Kläger die Erhöhung der Dauerrente. Mit Bescheid vom 4. 6. 1996 wies die Beklagte den Erhöhungsantrag ab und sprach aus, dass die Dauerrente ab 1. 8. 1996 auf 20 vH der Vollrente herabgesetzt werde.
Das Erstgericht gab dem erhobenen, auf Gewährung einer Versehrtenrente in Höhe von 40 vH der Vollrente ab 29. 2. 1996 gerichteten Klagebegehren insoweit statt, als die Beklagte schuldig erkannte, dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 5. 7. 1989 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 vH der Vollrente ab 1. 8. 1996 unter Anrechnung geleisteter Zahlung zu gewähren. Das darüber hinausgehende Klagebegehren wies es ab.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung und billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn einer Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die behauptete Aktenwidrigkeit liegen nicht vor. Diese Beurteilung bedarf zwar gemäß § 510 Abs 3 ZPO keiner Begründung. Den Revisionsausführungen sei jedoch entgegengehalten:
Der Sachverständige Dr. Seemann erklärte sich nach Erstattung seines Gutachtens für befangen, worauf ihn das Erstgericht von seiner Bestellung zum Sachverständigen enthob. Im Fall einer erfolgreichen nachträglichen Ablehnung eines Sachverständigen (§ 355 Abs 2 Satz 2 ZPO) darf ein schon erstatteter Befund oder ein schon vorliegendes Gutachten nicht als Prozessstoff berücksichtigt werden (SSV-NF 2/118; SZ 46/94). Nach dem Wortlaut des § 355 ZPO ist der Sachverständige nicht zu einer "Selbstablehnung" verpflichtet, doch wird er schon wegen seiner eidlich übernommenen Amtspflicht zur Unparteilichkeit und wegen der Unannehmlichkeit einer begründeten Ablehnung durch die Parteien selbst auf alle Gründe hinweisen müssen, die eine unparteiische Führung seines Amts auch nur theoretisch in Zweifel ziehen könnten (Fasching III 487). Der Fall einer "Selbstablehnung" durch den Sachverständigen ist daher dem Fall der Ablehnung des Sachverständigen durch eine Partei gleichzuhalten. Die Heranziehung von Befund und/oder Gutachten eines befangenen Sachverständigen bewirkt zwar mangels besonderer Sanktion keine Nichtigkeit, kann aber ein wesentlicher Verfahrensmangel (§ 496 Abs 1 Z 2 ZPO) sein (SSV-NF 2/118; Fasching III 486 f; Rechberger in Rechberger, ZPO2 §§ 355, 356 Rz 6).
Der Kläger rügte schon in der Berufung, das Erstgericht habe sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Seemann gestützt. Das Berufungsgericht verneinte dies mit einer durch die Aktenlage gedeckten Begründung. Nach ständiger Rechtsprechung (zB SSV-NF 7/74) können Verfahrensmängel, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneinte, im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden. Der Kläger lehnte den Sachverständigen Dr. Soukop vor Erstattung des Gutachtens ab. Das Erstgericht verwarf den Ablehnungsantrag, weil es die behaupteten Ablehnungsgründe für eine Ablehnung nicht ausreichend ansah. Das Berufungsgericht verneinte die vom Kläger unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens vorgetragene Beschwerde gegen die Verwerfung der Ablehnung, weil es keinen Anhaltspunkt dafür gebe, dass sich der Sachverständige von anderen als rein sachlichen Motiven leiten lasse.
Bei dieser Entscheidung handelt es sich inhaltlich um einen im Berufungsverfahren ergangenen Beschluss des Berufungsgerichts, gegen den nach § 519 Abs 1 ZPO ein weiterer Rekurs nicht statthaft ist, der aber auch nicht in der Revision bekämpft werden kann (SSV-NF 3/144; Fasching IV 407 f, 409 f und LB2 Rz 1833, 1979). Deshalb war auf die diesbezüglichen Revisionsausführungen nicht weiter einzugehen. Der Revisionswerber meint, das vom Erstgericht eingeholte und den Feststellungen zu Grunde gelegte Gutachten des Sachverständigen Dr. Soukop berücksichtige in Bezug auf das Bestehen einer posttraumatischen Epilepsie klinische Aspekte nicht, wiewohl sich dies aus den Aussagen der sachverständigen Zeugen Univ. Prof. Dr. Gerstenbrand und Oberärztin Dr. Fuchs ergeben hätten. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. Soukop stehe im Widerspruch zum Gutachten des Neurologischen Krankenhauses der Stadt Wien-Rosenhügel und den Aussagen der beiden genannten sachverständigen Zeugen. Weil seinen Anträgen auf Beiziehung eines dritten Sachverständigen zur Klärung des Widerspruchs und eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychologie nicht stattgegeben worden sei, sei das Verfahren mangelhaft. Ein drittes Gutachten wäre schon deshalb einzuholen gewesen, weil nur ein Provokations-EEG einen eindeutigen Schluss zulasse.
Die Fragen, ob ein Sachverständigengutachten erschöpfend ist und die getroffenen Feststellungen rechtfertigt oder ob ein weiterer Sachverständiger vernommen werden soll, sind Fragen der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung (SSV-NF 3/160; 6/28; 7/12 uva). Das Gericht ist nicht gezwungen, dann, wenn zwei Sachverständigengutachten einander widersprechen, einen dritten Sachverständigen zu bestellen, sondern kann sich einem der beiden Gutachten anschließen (EFSlg 41.693; Fasching III 495; Rechberger aaO § 362 Rz 7).
Der Rekurswerber rügt auch, das Berufungsgericht sei von der aktenwidrigen Auffassung des Erstgerichts ausgegangen, dass es sich bei dem von Oberarzt Dr. Pelzl verfassten Gutachten des Neurologischen Krankenhauses der Stadt Wien-Rosenhügel nicht um ein vom Gericht beauftragtes Gutachten handle. Deshalb habe es zu Unrecht die Mängelrüge als Beweisrüge behandelt. Die Aussagen des als sachverständigen Zeugen vernommenen Gutachtensverfassers seien richtigerweise als Sachverständigenaussagen zu qualifizieren. Eine Beweiswürdigung seiner Aussage und des von ihm verfassten Gutachtens sei dem Gericht daher verwehrt. Dem ist nur entgegenzuhalten, dass das Gesetz den Sachverständigen insofern ganz eindeutig als Beweismittel ansieht, als ein Gutachten so wie die Aussage des Zeugen stets der freien Beweiswürdigung unterliegen soll (Rechberger aaO vor § 351 Rz 2, § 362 Rz 9). § 367 ZPO verweist nämlich für den Beweis durch Sachverständige auch auf § 327 ZPO, wonach die Aussage des Zeugen nach freier Überzeugung sorgfältig zu würdigen ist, womit der im § 272 ZPO normierte Grundsatz der freien Beweiswürdigung bekräftigt wird.
Die Rechtsrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil nicht ausgehend vom festgestellten Sachverhalt aufgezeigt wird, dass dem Berufungsgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen ist (SSV-NF 7/15). Mit den Ausführungen unter diesem Revisionsgrund bekämpft der Revisionswerber lediglich auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Soukop getroffene Feststellungen. Wenn - wie im vorliegenden Fall - in der Würdigung eines Sachverständigengutachtens kein Verstoß gegen die Denkgesetze zu erblicken ist und nicht nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige erheblichen Verhandlungsstoff außer Acht gelassen hat, so liegt die Beurteilung, zu der das Gericht auf Grund des Gutachtens gelangt, auf dem Gebiet der Beweiswürdigung (SSV-NF 2/74; 3/14).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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