Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 21. Oktober 1987 entzog die beklagte Partei die für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 27. Dezember 1985 gewährte vorläufige Versehrtenrente von 20 % der Vollrente ab 1. Dezember 1987 und stellte fest, daß ein Anspruch auf Dauerrente nicht bestehe.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, eine Versehrtenrente im Ausmaß von mindestens 20 % der Vollrente (als Dauerrente) ab dem 1. Dezember 1987 zu gewähren, ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß bei der Klägerin seit 1. Dezember 1987 ein Zustand nach Speichenbruch der linken Hand mit Bewegungseinschränkungen, geringer Schwellneigung und Kraftreduktion bei glaubhaften Belastungsschmerzen besteht und die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin 10 % beträgt.
Da die Voraussetzungen des § 203 Abs. 1 ASVG bei der Klägerin nicht gegeben seien, stehe ihr kein Anspruch auf Unfallrente zu. Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der klagenden Partei keine Folge. Unter ausführlicher Darlegung der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Minderung der Erwerbsfähigkeit (SSV-NF 1/64) kam es zu dem Ergebnis, daß der ärztlichen Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu folgen sei, zumal ein Härtefall bei der Klägerin, die nach wie vor ihren Beruf als Heimhelferin ausübe, nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen dieses Urteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision der Klägerin kommt keine Berechtigung zu. Die der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes folgende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend (§ 48 ASGG).
Richtig ist, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht nur eine rein medizinische, sondern auch eine ökonomische Komponente insoweit hat, als die Auswirkungen der Einschränkungen der körperlichen und geistigen Fähigkeiten auf das gesamte Erwerbsleben zu berücksichtigen sind. Die Revisionswerberin übersieht aber, daß die Unfallversicherung keine Berufsversicherung darstellt und daß grundsätzlich der gesamte allgemeine Arbeitsmarkt das Verweisungsfeld bildet. Grundlage für die Ermittlung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit bildet regelmäßig ein ärztliches Gutachten über die Unfallfolgen und deren Auswirkungen. Dabei hat sich die Fragestellung an den ärztlichen Gutachter auch auf seine Meinung nach dem Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erstrecken. Dem Gericht bleibt dann die Aufgabe, auf Grund des Befundes und Gutachtens des Sachverständigen nachzuprüfen, ob diese Schätzung und dieses Ergebnis zutreffen können oder ob dabei wichtige Gesichtspunkte nicht berücksichtigt wurden und ein Abweichen von dieser ärztlichen Schätzung daher richtig und begründet ist. Der ärztlichen Einschätzung, die unter Berücksichtigung der in Jahrzehnten entwickelten und angewandten Richtlinien und Tabellen über die Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit, die auch die Verhältnisse auf dem Gebiet des Erwerbslebens berücksichtigen, erfolgt, kommt entscheidende Bedeutung zu. Der Beiziehung eines berufskundlichen Sachverständigen, der etwa sämtliche Berufe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzuzählen hätte, die wegen der Unfalleinschränkungen nicht mehr in Betracht kommen und diese prozentuell mit allen möglichen Erwerbstätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt in Beziehung setzen müßte, bedarf es ebenso wenig, wie eines Gutachtens zur Ermittlung von Durchschnittsverdiensten in diesen Erwerbstätigkeiten.
Der Revisionswerberin ist auch nicht beizupflichten, daß der medizinische Sachverständige die angeführten allgemeinen Richtlinien nicht beachtet hätte oder von ihnen abgewichen wäre. Wenn er anläßlich der Gutachtenserörterung ausführte, er habe die Einschränkungen der Klägerin in ihrer beruflichen Arbeitstätigkeit nicht berücksichtigt, so kann dies nur so verstanden werden, daß er die Auswirkungen der Bewegungseinschränkungen im linken Handgelenk der Klägerin auf die Ausübung ihrer Tätigkeit als Heimhelferin außer Betracht gelassen hat. Da es aber auf die konkret ausgeübte Berufstätigkeit nicht ankommt, mußte diese auch außer Betracht bleiben. Die Einschätzung des Sachverständigen entspricht aber durchaus den genannten Richtlinien, sie liegt sogar an deren Obergrenze. Danach ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei Bewegungseinschränkungen des Handgelenkes, wenn die Hand in Gebrauchstellung gebracht werden kann, für die Dauerrente mit 0 - 10 % einzuschätzen (Krösl-Zrubecky3 Seite 93).
Richtig ist, daß eine Änderung der rechtlichen Argumentation oder die Geltendmachung eines neuen Gesichtspunktes bei der rechtlichen Beurteilung auch im Rechtsmittelverfahren zulässig ist, wenn die hiezu erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet oder festgestellt wurden und dann keine Neuerung darstellt, doch hat das Berufungsgericht ohnedies zutreffend ausgeführt, daß die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Invalideneinstellungsgesetz 1969 nach den Grundsätzen des KOVG und damit nach anderen Kriterien als jenen des ASVG für die Gewährung der Versehrtenrente erfolgt und eine solche Einschätzung, wie selbst in der Revision zugegeben wird, für die Beurteilung des Gerichtes keineswegs bindend sein kann.
In der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin mit 10 % kann daher kein Rechtsirrtum der Vorinstanzen erblickt werden.
Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.
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