OGH 10ObS31/01h

OGH10ObS31/01h20.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Waltraud Bauer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Egon S*****, gegen die beklagte Partei Tiroler Gebietskrankenkasse, 6020 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2, vertreten durch Dr. Hans-Peter Ullmann und Dr. Stefan Geiler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen restlich S 18.439,08 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Dezember 2000, GZ 23 Rs 91/00d-57, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Juni 2000, GZ 47 Cgs 195/95w-49, als Endurteil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen.

Text

Begründung

Dem Kläger wurden im Zuge einer zahnärztlichen Behandlung Amalgamfüllungen durch Keramik-Inlays und Goldfüllungen ersetzt. Nach den vom Erstgericht im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen sei eine Amalgamunverträglichkeit des Klägers nicht feststellbar. Eine Amalgamunverträglichkeit sei beim Kläger nie ausgetestet worden. Die vom Kläger beschriebene Beschwerdesymptomatik (Müdigkeit usw) könne zwar grundsätzlich auch bei einer Quecksilberbelastung auftreten, für eine solche Diagnose lägen jedoch keine ausreichenden Untersuchungsergebnisse vor. Auch die deutliche Besserung des Gesundheitszustandes nach Durchführung der zahnärztlichen Behandlung lasse zwar die Vermutung naheliegen, dass die Beschwerden des Klägers durch eine Quecksilberbelastung hervorgerufen worden seien, ein Beweis dafür fehle jedoch.

Das Berufungsgericht übernahm diese Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und lehnte die vom Kläger in seiner Berufung stattdessen begehrte Feststellung, die bei ihm aufgetretenen und nach der Zahnbehandlung wieder abgeklungenen Beschwerden seien aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine Amalgamunverträglichkeit zurückzuführen, im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass eine Amalgamunverträglichkeit des Klägers nie ausgetestet worden sei und das Auftreten und Verschwinden der Beschwerden des Klägers auch zahlreiche andere Ursachen haben könne. Damit habe der Kläger den ihm obliegenden Beweis des Vorliegens einer Amalgamunverträglichkeit und der medizinischen Notwendigkeit seiner zahnärztlichen Behandlung als Voraussetzung für einen über die übliche Behandlung hinausgehenden Kostenersatz nicht erbracht. Auch ein für die Zulässigkeit des Anscheinsbeweises notwendiger typischer Geschehensablauf, der nach der Lebenserfahrung auf einen bestimmten Kausalzusammenhang hinweise, liege nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG nicht zulässig.

Wie bereits in dem vom erkennenden Senat im ersten Rechtsgang gefassten Aufhebungsbeschluss (ON 25) ausgeführt wurde, wäre Voraussetzung für den vom Kläger über die übliche Behandlung hinaus begehrten Kostenersatz, dass diese Behandlung - durch die vom Kläger behauptete Amalgamunverträglichkeit - medizinisch-unbedenklich notwendig und somit jedenfalls medizinisch indiziert war. Auch in Sozialrechtssachen gelten - abgesehen von den in § 87 Abs 4 ASGG besonders geregelten Fällen - die allgemeinen Grundsätze über die Verteilung der Beweislast. Jeder, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, muss daher die rechtsbegründenden Tatsachen beweisen (SSV-NF 13/42 mwN). Demnach gereicht es dem Kläger objektiv zum Nachteil, dass die von ihm behauptete Amalgamunverträglichkeit nicht festgestellt werden konnte.

Um Härten eines unzumutbaren Beweisnotstandes für den Versicherten zu vermeiden, hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass besonders im Verfahren über einen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch aus Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Regeln des sogenannten Anscheinsbeweises modifiziert anzuwenden sind (SSV-NF 11/41 ua; RIS-Justiz RS0110571). Die Zulässigkeit des Anscheinsbeweises beruht darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist (RIS-Justiz RS0040266 uva). Steht ein typischer Geschehensablauf fest, der nach der Lebenserfahrung auf einen bestimmten Kausalzusammenhang hinweist, gelten diese Tatbestandsvoraussetzungen auch im Einzelfall auf Grund ersten Anscheins als erwiesen. Der Anscheinsbeweis ist somit zulässig, wenn eine typische formelhafte Verknüpfung zwischen der tatsächlichen bewiesenen Tatsache und dem gesetzlich geforderten Tatbestandselement besteht. Er darf daher nicht dazu dienen, Lücken der Beweisführung durch bloße Vermutungen auszufüllen (RIS-Justiz RS0040287 ua). Ob in einem bestimmten Fall ein Anscheinsbeweis zulässig ist, kann als Frage der rechtlichen Beurteilung auch vom Obersten Gerichtshof geprüft werden. Ob der Anscheinsbeweis erbracht oder erschüttert worden ist, ist hingegen eine vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbare Beweiswürdigungsfrage (SSV-NF 4/150 mwN ua).

Von diesen dargelegten Grundsätzen ist das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung nicht abgewichen. Wenn das Berufungsgericht im konkreten Fall auf Grund der getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangte, dass der Anscheinsbeweis nicht zulässig sei, weil kein Tatbestand mit typischen formelhaftem Geschehensablauf angenommen werden könne, da die beim Kläger aufgetretenen Symptome abgesehen von der Möglichkeit einer Amalgamunverträglichkeit auch zahlreiche andere Ursachen gehabt haben können, kann darin eine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende unrichtige rechtliche Beurteilung nicht erblickt werden. Damit kann aber entgegen dem Prozessstandpunkt des Klägers auch nicht von der medizinischen Notwendigkeit einer das gegenständliche Kostenersatzbegehren des Klägers rechtfertigenden Zahnbehandlung ausgegangen werden.

Die außerordentliche Revision des Klägers war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 46 Abs 1 ASGG als unzulässig zurückzuweisen.

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