European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:010OBS00030.24W.0514.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sozialrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Mit gerichtlichem Vergleich vom 1. 2. 2023 wurde zwischen dem Kläger und der Pensionsversicherungsanstalt festgestellt, dass beim Kläger ab 1. 6. 2021 vorübergehende Berufsunfähigkeit vorliegt. Die Pensionsversicherungsanstalt teilte dem Kläger mit Schreiben vom 1. 3. 2023 mit, dass für die Dauer der vorübergehenden Berufsunfähigkeit ab 1. 6. 2021 ein Anspruch des Klägers auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung besteht. Der Kläger übte bis zu seiner Karenzierung ab 1. 4. 2023 seine Erwerbstätigkeit bei der Beklagten unverändert aus und bezog dafür volles Arbeitsentgelt.
[2] Mit dem angefochtenen Bescheid vom 4. 7. 2023 sprach die beklagte Österreichische Gesundheitskasse aus, dass der Anspruch des Klägers auf Rehabilitationsgeld aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit beginnend mit 1. 6. 2021 für den Zeitraum vom 1. 6. 2021 bis 31. 3. 2023 ruhe.
[3] Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt der Kläger die Zuerkennung von Teilrehabilitationsgeld in der gesetzlichen Höhe für den Zeitraum vom 1. 6. 2021 bis 31. 3. 2023. Die Voraussetzungen des Ruhens gemäß § 143a Abs 3 ASVG lägen nicht vor, der Anspruch ergebe sich jedenfalls aus § 143a Abs 4 ASVG.
[4] Die Beklagte wandte dagegen insbesondere ein, dass der Bezug von Entgelt aus dem aufrechten Arbeitsverhältnis zum Ruhen des Anspruchs im Sinn des § 143a Abs 3 Satz 1 ASVG führe. Eine Doppelversorgung des Klägers für denselben Zeitraum solle vermieden werden.
[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte den angefochtenen Bescheid wieder her.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
[7] In seiner gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
[8] 1. § 143a Abs 3 Satz 1 ASVG regelt das Zusammentreffen eines Anspruchs auf Rehabilitationsgeld mit dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus einer für die Bemessung des Rehabilitationsgelds maßgeblichen Erwerbstätigkeit und ordnet an, dass die Ruhensbestimmung des § 143 Abs 1 Z 3 ASVG sinngemäß anzuwenden ist. Dem Wortsinn nach erfasst der Begriff „Entgeltfortzahlung“ in § 143a Abs 3 Satz 1 ASVG jedenfalls den arbeitsrechtlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unglücksfall (§ 2 Abs 1 EFZG; § 1154a ABGB; § 8 AngG), aber auch – was sich aus dem Verweis auf § 143 Abs 1 Z 3 ASVG und auch aus der systematischen Auslegung ergibt – vertragliche Ansprüche auf Fortbezug des Entgelts (im sozialversicherungsrechtlichen Sinn 10 ObS 71/20v Rz 21; 10 ObS 102/20b Rz 21). Nach der Rechtsprechung ist § 143a Abs 3 Satz 1 ASVG dahin zu verstehen, dass bei Gewährung einer Urlaubsersatzleistung im Fall der Auflösung des Arbeitsverhältnisses während des Bezugs von Rehabilitationsgeld der Anspruch auf Rehabilitationsgeld während des der Urlaubsersatzleistung entsprechenden darauf entfallenden Zeitraums zur Gänze ruht (10 ObS 71/20v Rz 24; RS0107809 [T6]). Dieses Begriffsverständnis entspricht auch dem Zweck der Ruhensbestimmungen, eine sozialversicherungsrechtlich unerwünschte Doppelversorgung des Versicherten zu verhindern (10 ObS 102/20b Rz 22).
[9] 2. Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechung beachtet. Seine Rechtsansicht, dass aufgrund eines Größenschlusses auch der Fortbezug des Arbeitsentgelts aus dem aufrechten Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten zum Ruhen des Rehabilitationsgelds führt, steht mit ihr im Einklang. Denn auch dabei handelt es sich um einen vertraglichen Entgeltanspruch wie jenem auf Urlaubsersatzleistung. Mit dem Argument, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob der (uneingeschränkte) Bezug des Beschäftigungsentgelts zum Ruhen des Rehabilitationsgelds führe, laufendes Entgelt sei „bestimmt mit anderen Maßstäben“ zu beurteilen als Entgeltfortzahlung, zeigt der Revisionswerber daher keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts auf. Gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass bei Anwendung der Ruhensbestimmung des § 143a Abs 3 ASVG der Anspruch auf Rehabilitationsgeld im hier zu beurteilenden Zeitraum zur Gänze ruht, wendet sich der Revisionswerber nicht, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.
[10] 3. § 143a Abs 4 ASVG regelt den Fall, dass der Versicherte trotz vorübergehender Invalidität bzw Berufsunfähigkeit weiterhin ein Erwerbseinkommen bezieht. Trifft ein Anspruch auf Rehabilitationsgeld mit einem Anspruch auf Erwerbseinkommen zusammen, das den Betrag nach § 5 Abs 2 ASVG übersteigt, gebührt Teilrehabilitationsgeld. Dieses wird nach den Regeln des § 254 Abs 7 ASVG berechnet. Voraussetzung für den Anspruch auf Teilrehabilitationsgeld nach § 143a Abs 4 ASVG ist jedoch, worauf das Berufungsgericht ebenfalls hingewiesen hat, dass der Versicherte das Erwerbseinkommen aus einer Tätigkeit bezieht, die nicht für die Bemessung des Rehabilitationsgelds maßgeblich ist (10 ObS 102/20b Rz 24f; 10 ObS 71/20v Rz 13f, jeweils mwH). Einkünfte aus einer solchen „daneben“ ausgeübten Erwerbstätigkeit behauptet der Kläger nicht.
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