Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Sozialrechtssachen wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 14.3.1990 wurde der Antrag der Klägerin auf Zuerkennung einer Witwenpension nach dem am 19.1.1990 verstorbenen Versicherten Oswald K. abgelehnt.
Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage Folge und erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin die Witwenpension nach dem verstorbenen geschiedenen Ehegatten ab 19.1.1990 "in der gesetzlichen Höhe" zu gewähren. Es stellte fest, daß die Ehe der Klägerin mit Oswald K. durch rechtskräftiges Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 8.9.1972 aus dem alleinigen Verschulden des Mannes geschieden wurde. Ein gerichtlicher Unterhaltstitel der Klägerin (Urteil oder Vergleich) liegt nicht vor. Die Klägerin wohnte mit ihrem geschiedenen Gatten auch nach der Scheidung weiter im gemeinsamen Haushalt. Eine schriftliche Unterhaltsvereinbarung vor der Ehescheidung für die Zeit danach ist nicht zustandegekommen. Allerdings hat die Klägerin mit ihrem damaligen Ehegatten eine mündliche Unterhaltsvereinbarung getroffen. Die Höhe des zwischen der Klägerin und ihrem Mann damals mündlich vereinbarten Unterhaltsbeitrages konnte das Erstgericht jedoch nicht feststellen. In seiner Beweiswürdigung führte das Erstgericht dazu aus, daß die diesbezüglichen Angaben der Klägerin zu ungenau seien, um darauf eine entsprechende Feststellung stützen zu können.
Rechtlich war das Erstgericht der Meinung, daß es nach § 258 Abs 4 ASVG genüge, wenn der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt auf Grund einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte. Da zwischen der Klägerin und ihrem verstorbenen Gatten vor der Scheidung eine mündliche Unterhaltsvereinbarung zustande gekommen sei, habe die beklagte Partei der Klägerin die Witwenpension "in der gesetzlichen Höhe" zu leisten.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der beklagten Partei erhobenen Berufung Folge und änderte das Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Voraussetzung für den Anspruch der geschiedenen Ehegattin auf Witwenpension sei, daß die Unterhaltsverpflichtung des Versicherten im Zeitpunkt seines Todes auf Grund eines der im § 258 Abs 4 ASVG taxativ aufgezählten Rechtstitel nicht nur dem Grunde nach feststehe, sondern aus ihm auch die Anspruchshöhe bestimmt oder zumindest ohne weiteren Verfahrensaufwand bestimmbar sei. Das Vorliegen eines den Anspruch auf Unterhalt begründenden bloß abstrakten Tatbestandes nach dem Ehegesetz genüge hiezu nicht. Hinsichtlich der Anspruchshöhe würde es lediglich genügen, wenn diese ohne weiteren Verfahrensaufwand und insbesondere Durchführung eines Beweisverfahrens unmittelbar bestimmbar wäre, wie zB bei Vorliegen eines sogenannten Bruchteilstitels gemäß § 10 a EO. Da das Erstgericht jedenfalls die Höhe einer (allenfalls) zustande gekommenen Unterhaltsverpflichtung zugunsten der Klägerin nicht feststellen konnte und bezüglich der anspruchsvoraussetzenden Tatsachen die Beweislast die Klägerin treffe, sie aber ihren Beweis nicht habe erbringen können, bestehe ein Anspruch auf Witwenpension nicht zu Recht.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Klägerin erhobene, nach Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als rechtzeitig anzusehende Revision ist berechtigt.
Die Rechtsrüge geht insofern nicht von den getroffenen Tatsachenfeststellungen aus, als sie unterstellt, daß die Klägerin mit ihrem Mann einen Unterhalt von zumindest S 4.000 monatlich vereinbart habe. Wie oben ausgeführt, hielt das Erstgericht die Aussagen der Klägerin über die angeblich vereinbarte Unterhaltshöhe für zu ungenau, um darauf eine Feststellung stützen zu können.
Wenn die Revisionswerberin weiters meint, auch von den erstgerichtlichen Feststellungen ausgehend wäre ihrer Klage stattzugeben gewesen, so übersieht sie, daß gemäß § 264 Abs 4 ASVG die Witwenpension nach § 258 Abs 4 ASVG den gegen den Versicherten zur Zeit seines Todes bestehenden...Anspruch auf Unterhalt (Unterhaltsbeitrag)...nicht übersteigen darf (dazu Teschner in Tomandl, SV-System 4.ErgLfg 400). Die Voraussetzungen des § 264 Abs 5 ASVG sind im vorliegenden Fall nach den erstgerichtlichen Feststellungen nicht gegeben. Der Hinweis der Revisionswerberin darauf, ihr verstorbener Mann habe bis zu seinem Tod für die Klägerin wie bei aufrechter Ehe gesorgt, da nach der Ehescheidung eine "vollständige" Lebensgemeinschaft vorgelegen habe, geht fehl. Wie der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat, begründet die bloße Lebensgemeinschaft mit dem Versicherten, auch wenn sie dem typischen Erscheinungsbild des Zusammenlebens von Ehegatten entspricht, nach dem Tod des Versicherten keinen Anspruch auf Witwenpension; dies gilt auch für geschiedene Ehegatten, die nach der Scheidung wie bisher weiter zusammenleben (SSV-NF 4/115). Die bloße Vereinbarung, der Klägerin nach der Scheidung einen Unterhalt zu leisten, ohne daß die Höhe dieses Unterhaltsbetrages oder Unterhaltsbeitrages feststellbar wäre, erfüllt mangels Festlegung einer konkreten Unterhaltsleistung nicht die Voraussetzungen des § 258 Abs 4 ASVG (vgl außer der vom Berufungsgericht zitierten Judikatur auch SSV-NF 4/161 und die nicht veröffentlichte Entscheidung 10 Ob S 384/90). Daß die Nichtfeststellbarkeit der vereinbarten Unterhaltshöhe im Sinne der Regeln über die Beweislast (vgl SSV-NF 1/48) im vorliegenden Fall zu Lasten der Klägerin geht, wurde vom Berufungsgericht zutreffend dargelegt; diese Rechtsansicht wird in der Revision auch nicht bekämpft.
Dennoch kommt der Revision im Ergebnis Berechtigung zu. Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) bekämpft die Klägerin die negative Feststellung, die Höhe des zwischen ihr und ihrem Ehegatten mündlich vereinbarten Unterhaltes könne nicht festgestellt werden. Nach richtiger Auffassung ist auch die in einem gerichtlichen Urteil getroffene Aussage, daß etwas nicht festgestellt werden kann eine Tatsachenfeststellung (JBl 1981, 206; ZVR 1982/16; SSV-NF 4/50 ua). Die Klägerin verweist in ihrer Revision unter anderem darauf, daß sie sowohl gegenüber der beklagten Partei als auch vor Gericht konkrete Unterhaltszusagen angegeben habe und der vor der Ehescheidung vereinbarte Unterhalt von 4.000 S monatlich tatsächlich bezahlt worden sei; auch die gemeinsamen Kinder hätten wahrheitsgemäß erklärt, daß der geschiedene Ehegatte regelmäßig Unterhaltsbeträge von 4.000 S geleistet habe. Wenngleich der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist und eine Bekämpfung der Tatsachenfeststellungen mit Revision im allgemeinen scheitern muß, stand es der Klägerin im vorliegenden Fall offen, die für sie ungünstige (negative) Tatsachenfeststellung des Erstgerichtes über die Nichtfeststellbarkeit der Höhe des vereinbarten Unterhaltes erst in der Revision zu bekämpfen. Als in erster Instanz siegreiche Partei war sie nämlich nicht gezwungen, in ihrer Berufungsbeantwortung eine Stellungnahme zu dem von der beklagten Partei angefochtenen Urteil selbst abzugeben, sie war insbesondere nicht verpflichtet, ihrerseits ausdrücklich die ihr nachteilige (negative) Feststellung des Erstgerichtes zu bekämpfen; nach herrschender Lehre (Fasching, Komm IV 71 und ZPR2 Rz 1785) und Rechtsprechung (SZ 26/262, SZ 48/9, SZ 51/137 uva) konnte sie dies in der Revision nachholen, weil sich erst das Berufungsgericht infolge abweichender rechtlicher Beurteilung auf diese ihr nachteilige (negative) Feststellung stützte. Daran hat auch die Umbenennung der früheren Berufungsmitteilung in "Berufungsbeantwortung" durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 nichts geändert (Fasching aaO Rz 1785). Die Bekämpfung setzt allerdings voraus, daß die Feststellung für die rechtliche Beurteilung relevant ist und das Berufungsgericht nicht ausgesprochen hat, daß es der Beweiswürdigung des Erstgerichtes jedenfalls beitrete (EFSlg 34.505; SZ 54/160 = JBl 1984, 88; JBl 1986, 121). Unter welchem Revisionsgrund die Ausführungen zur Bekämpfung der Feststellungen des Erstgerichtes erstattet werden, spielt keine Rolle (vgl § 84 Abs 2 Satz 2 ZPO; SZ 54/160 mwN). Eine solche Beweisrüge führt zur Aufhebung des Berufungsurteiles wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (Fasching Komm IV 71; SZ 51/137).
Da sich das Berufungsgericht mit einer nach den vorstehenden Ausführungen für die Entscheidung wesentlichen Tatsachenfeststellung, die in der Revision zulässigerweise bekämpft worden ist, nicht auseinandergesetzt hat, mußte sein Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Dabei wird allenfalls auch auf die bisher unerledigt gebliebene, denselben Tatsachenkomplex (Unterhaltsvereinbarung) betreffende Tatsachenrüge in der Berufung der beklagten Partei einzugehen sein.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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