Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es als Teilurteil zu lauten hat:
"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger ab 1.9.1987 den Kinderzuschuß im gesetzlichen Ausmaß für ein Kind zu bezahlen."
Die beklagte Partei ist ferner schuldig, dem Kläger die mit 2.829,75 S (darin 257,25 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
II. den
B e s c h l u ß
gefaßt:
Im übrigen, also bezüglich des Begehrens auf Bezahlung des Kinderzuschusses für die Zeit von Jänner bis August 1987, werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger bezieht von der beklagten Partei eine Alterspension, zu der ihm bis Dezember 1986 für seinen am 18.Dezember 1968 geborenen Sohn Karl der Kinderzuschuß bezahlt wurde. Seinen Antrag auf Weitergewährung des Kinderzuschusses über das 18.Lebensjahr des Kindes hinaus wies die beklagte Partei ab.
Das Erstgericht wies das auf Weitergewährung des Kinderzuschusses gerichtete Klagebegehren ebenfalls ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Der Sohn des Klägers besuchte im Sommersemester 1987 eine Maturaschule und seit dem Beginn des Schuljahres 1987/88 das Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Berufstätige in Innsbruck. Die Unterrichtszeit beträgt dort 20 Stunden in der Woche. Der Unterricht findet von Montag bis Freitag jeweils in der Zeit von 18 Uhr 40 bis 21 Uhr 55 statt. Der Sohn des Klägers steht in keinem Dienstverhältnis.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß der Besuch eines Bundesgymnasiums oder Bundesrealgymnasiums für Berufstätige die Kindeseigenschaft nicht gemäß § 252 Abs 2 Z 1 ASVG in der hier maßgebenden Fassung der 31. ASVGNov. verlängere, weil in einer solchen Schule darauf Bedacht genommen werde, daß die Ausbildung neben einer Erwerbstätigkeit absolviert werden könne. Die Ausbildung beanspruche daher bei Berücksichtigung des für die Vorbereitung im Durchschnitt notwendigen Zeitaufwandes die Arbeitskraft des Schülers nicht überwiegend. Daran ändere nichts, wenn der Schüler keine Berufstätigkeit ausübe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, wobei es sich der rechtlichen Beurteilung der Sache durch das Erstgericht anschloß.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der Anspruch auf Kinderzuschuß hängt gemäß § 262 Abs 1 ASVG davon ab, ob ein Kind im Sinn des § 252 dieses Gesetzes vorhanden ist. Dies setzt nach Vollendung des 18. Lebensjahres voraus, daß die im § 252 Abs 2 ASVG festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind, wobei hier diese Bestimmung zufolge des Art. VI Abs 13 der
44. ASVGNov. BGBl. 1987/609 noch in der alten Fassung anzuwenden ist. Unter den im Gesetz umschriebenen Tatbeständen kommt hier nur jener der Ziffer 1 erster Satz (idF der 29. ASVGNov. BGBl. 1973/31) in Betracht, wonach die Kindeseigenschaft auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres besteht, wenn und solange das Kind sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres. Das Erfordernis der überwiegenden Beanspruchung wurde im übrigen in der geltenden, durch die 44. ASVGNov. geschaffenen Fassung beibehalten.
Der Oberste Gerichtshof vermag sich der von den Vorinstanzen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien als damaligen Höchstgerichtes (zB SVSlg. 29.402 - 29.404) vertretenen Auffassung nicht anzuschließen, daß bei Besuch einer Schule für Berufstätige die Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend beansprucht sein könne. Es ist zwar richtig, daß das Gymnasium und das Realgymnasium für Berufstätige gemäß § 37 Abs 3 SchOG die Aufgabe haben, unter anderem Personen, die in das Berufsleben eingetreten sind, zum Ausbildungsziel einer allgemeinbildenden höheren Schule zu führen. Ferner ist richtig, daß in der Schule, die der Sohn des Klägers besucht, die Unterrichtsstunden so angesetzt wurden, daß sie die Ausübung einer Berufstätigkeit während des Tages ermöglichen. Aus beiden Umständen ist aber nichts für die Lösung der Frage zu gewinnen, ob durch den Besuch einer solchen Schule im konkreten Fall die Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht wird. Es ist nicht einzusehen, warum ein Kind, das eine solche Schule besucht, allein deshalb schlechter gestellt sein müßte als ein Kind, das die Ausbildung auf einer gewöhnlichen allgemeinbildenden höheren Schule oder auf einer Hochschule erhält. Auch in diesen Fällen ist nämlich die Ausübung einer Berufstätigkeit neben dem Schulbesuch an sich möglich und im Fall des Besuches einer Hochschule auch durchaus verbreitet. Das Oberlandesgericht Wien begründete seine gegenteilige Auffassung (etwa in SVSlg. 29.404) damit, daß ein Kind, das neben dem Schulbesuch noch eine Berufstätigkeit ausübe, nicht schlechter als ein Kind gestellt werden dürfe, das nur eine Abendschule besuche. Dieses Argument überzeugt jedoch nicht, weil es etwa auch auf Studierende an einer Hochschule zutreffen würde, die zugleich berufstätig sind und bei denen deshalb der Anspruch, der von der Verlängerung der Kindeseigenschaft abhängt, verlorengehen könnte. Es ist aber nicht zweifelhaft und auch nie bezweifelt worden, daß durch den Besuch einer Hochschule die Kindeseigenschaft verlängert werden kann.
Die Art der Schule, die besucht wird, sagt für sich allein noch nichts darüber aus, ob durch den Schulbesuch die Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht wird. Ebenso wie dies beim Besuch einer gewöhnlichen allgemeinbildenden höheren Schule oder einer Hochschule der Fall sein kann, kann es daher auch beim Besuch einer Schule für Berufstätige zutreffen.
Zur Frage, wann die Arbeitskraft durch die Ausbildung überwiegend beansprucht wird, hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt (SSV-NF 2/35), daß dabei die konkret gegebene Auslastung der Arbeitskraft infolge des Ausbildungsvorgangs zu dem von der geltenden Arbeits- und Sozialordnung für vertretbar gehaltenen Gesamtbelastungsausmaß in Beziehung gesetzt werden müsse, wobei für die letztbezeichnete Größe die im AZG bzw. in den einzelnen Kollektivverträgen festgelegten und entsprechend den unterschiedlichen beruflichen Anforderungen differenzierenden Höchstarbeitszeiten eine wertvolle Leitlinie seien. Ist der Schüler oder Studierende nicht berufstätig und muß er für die Ausbildung mehr als die Hälfte der Normalarbeitszeit aufwenden, die gemäß § 3 AZG derzeit 40 Stunden beträgt, so ist demnach anzunehmen, daß seine Arbeitskraft hiedurch überwiegend beansprucht wird. Dabei sind bei der Ermittlung des für die Ausbildung erforderlichen Zeitaufwandes nicht nur die Dauer des Unterrichts oder der Lehrveranstaltung, sondern auch eine angemessene Zeit für die Aufarbeitung des Lehrstoffes, für die Vorbereitung und gegebenenfalls für die Erledigung der Hausaufgaben zu berücksichtigen. Ob es dabei auf den Zeitaufwand eines durchschnittlich begabten Schülers oder Studierenden oder auf jenen des Kindes ankommt, dessen Kindeseigenschaft zu beurteilen ist, muß hier nicht erörtert werden. Der Sohn des Klägers besucht nämlich 20 Schulstunden in der Woche. Da er jedenfalls irgendeine Zeit für die Aufarbeitung des Lehrstoffes und die Vorbereitung aufwenden muß, steht schon aufgrund der vorliegenden Verfahrensergebnisse fest, daß durch die Ausbildung seine Arbeitskraft in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Ausmaß und damit überwiegend beansprucht wird.
Der Kläger hat daher Anspruch auf den Kinderzuschuß für die Zeit, während der sein Sohn das Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Berufstätige besuchte, also seit 1.September 1987. Für die davor liegende Zeit, für die das Erstgericht den Besuch einer Maturaschule feststellte, fehlen Feststellungen darüber, in welcher Form und in welchem Ausmaß der Unterricht stattfand. Ohne diese Feststellungen kann aber nicht beurteilt werden, ob beim Sohn des Klägers, der das 18. Lebensjahr schon vollendet hatte, die Kindeseigenschaft bestand. Da es nicht schadet, wenn sie in diesem Zeitraum nicht gegeben wäre (vgl. SSV-NF 2/51), war dem Klagebegehren ab 1.September 1987 stattzugeben. Im übrigen mußten die Urteile der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens in dem aufgezeigten Sinn aufgehoben werden.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG.
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