Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung der ersten Instanz mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass sie zu lauten hat:
Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 6. 10. 1999 ab Antragstag eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen, sowie das Eventualbegehren, es werde festgestellt, dass der Bruch des Außen- und Innenknöchels des rechten Sprunggelenkes mit einer Teilverrenkung des Sprungbeines der Klägerin Folge des Arbeitsunfalles vom 6. 10. 1999 sei, werden abgewiesen.
Die Klägerin hat die Verfahrenskosten aller drei Instanzen selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin übt neben ihrer unselbständigen Erwerbstätigkeit als Geschäftsführerin auch das Gewerbe der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen, Schulungen und Seminaren sowie den Spieleverlag als Selbständige aus. Sie verrichtet sowohl ihre selbständige als auch ihre unselbständige Erwerbstätigkeit von ihrem gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnten Einfamilienhaus in Graz aus. Dieses Haus hat eine Wohnfläche von 130 m2. Im Kellergeschoß befinden sich Kellerräumlichkeiten und eine Werkstätte, im Erdgeschoß ein rund 9 m2 großes Büro, das von der Klägerin im Wesentlichen für ihre selbständige Tätigkeit benutzt wird, ein WC, ein Vorraum, die nur über das Wohnzimmer erreichbare Küche, das Wohnzimmer und der Eingang zum Haus. Im ersten Obergeschoß sind drei Schlafräume und Sanitärräume und im ausgebauten Dachgeschoß ein Zimmer und eine Dusche untergebracht. Die Klägerin benutzt fallweise im Rahmen ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit zur Erledigung von Büroarbeiten und für Besprechungen auch das Wohnzimmer mit dem dort befindlichen größeren Tisch.
Am 6. 10. 1999 betrat die Klägerin gegen 8.00 Uhr den im Erdgeschoß gelegenen Büroraum, schaltete alle elektrischen Geräte wie Fax, Computer etc ein, nahm das ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit dienende Handy, das am Bürotisch über Nacht aufgeladen worden war, und verließ mit diesem das Büro, um sich in die im Erdgeschoß gelegene Küche zu begeben und sich eine Tasse Kaffee für das Büro zu holen. An der Kante der obersten Stufe der in das niveaumäßig etwas niedriger liegenden Wohnzimmer führenden Treppe rutschte sie aus, als sie gerade im Begriff war, die Mobilbox des Handys abzuhören, und kam zu Sturz. Diese oberste Stufe befindet sich noch im Vorraum. Die Treppe stellt die einzige innerhalb des Hauses gelegene Möglichkeit, in das Wohnzimmer und in die Küche zu gelangen, dar. Diese Treppe wird mehrheitlich dazu benützt, um aus anderen Räumen als dem Büro ins Wohnzimmer oder in die Küche zu gelangen.
Die Klägerin zog sich beim Unfall einen Bruch des Außen- und Innenknöchels des rechten Sprunggelenkes mit einer Teilverrenkung des Sprungbeines zu. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt seit 10. 1. 2000 weniger als 10 vH.
Mit Bescheid vom 30. 6. 2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls der Klägerin vom 6. 10. 1999 als Arbeitsunfall ab und wies den Anspruch der Klägerin auf Leistungen aus diesem Unfall ab. Der Unfall habe sich im privaten, häuslichen Bereich bei einer nicht unter Versicherungsschutz stehenden Tätigkeit ereignet. Es bestehe kein Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden selbständigen Tätigkeit als Veranstaltungsorganisatorin.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren unter Zugrundelegung des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes ab. In rechtlicher Hinsicht verneinte es das Vorliegen eines Wegunfalles im Sinn des § 175 Abs 2 Z 1 ASVG im Wesentlichen mit der Begründung, dass sich der Unfall außerhalb des Büroraumes auf einer im Wesentlichen privaten Zwecken dienenden Treppe ereignet habe.
Das Berufungsgericht gab der nur gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens gerichteten Berufung der Klägerin Folge und stellte fest, dass der Bruch des Außen- und Innenknöchels des rechten Sprunggelenkes mit einer Teilverrenkung des Sprungbeines der Klägerin Folge des Arbeitsunfalles vom 6. 10. 1999 sei. Bei Selbständigen erstrecke sich der Unfallversicherungsschutz auf jede durch die Gewerbeberechtigung gedeckte Tätigkeit, welche unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz diene. Das Abhören der Mobilbox eines dienstlich verwendeten Mobiltelefons erscheine einem vernünftigen Menschen als Ausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit und sei von der Klägerin auch in dieser Intention gesetzt worden. Es habe auch unmittelbar der Aufrechterhaltung ihrer selbständigen Existenz als Veranstalterin bzw Inhaberin eines Spieleverlags gedient. Dass das Abhören der Mobilbox am Weg in die Küche, um sich dort einen Kaffee zu holen, erfolgt sei, also bei einer gleichzeitig ausgeübten eigenwirtschaftlichen Tätigkeit, führe dazu, dass eine sogenannte "gemischte Tätigkeit" vorliege. Eine solche stehe im Allgemeinen unter Unfallversicherungsschutz, wenn sie wesentlich dem Unternehmen diene. Das Berufungsgericht gehe daher anders als das Erstgericht nicht von einem Wegunfall mit der bloßen Absicht, eine betriebliche Tätigkeit auszuüben, aus, sondern von einem Unfall bei einer betrieblichen Tätigkeit. Der Sturz der Klägerin, die im Begriffe gewesen sei, die Mobilbox ihres Mobiltelefons abzuhören, am Weg zur Küche, um sich Kaffee zu holen, stehe daher unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer (gänzlichen) Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die Klägerin beantragt, die Revision wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Da es sich um ein Verfahren über wiederkehrende Leistungen nach § 46 Abs 3 Z 3 ASGG handelt (vgl Kuderna, ASGG2 Anm 14 zu § 46 mwN), ist die Revision nach dieser Gesetzesstelle auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG (erhebliche Rechtsfrage) zulässig.
Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch die Klägerin in ihren Berufungsausführungen selbst eingeräumt hat, dass kein Wegunfall im Sinn des § 175 Abs 2 Z 1 ASVG vorliegt. Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, sind die innerhalb eines Wohnhauses, in dem sich Wohnung und betrieblich genützte Räume befinden, zurückgelegten Wege des Versicherten schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht als Wege "zur oder von der Arbeitsstätte" anzusehen (§ 175 Abs 2 Z 1 ASVG). Der Versicherte ist innerhalb des Wohnhauses auch nicht den für einen Arbeitsweg typischen Gefahren ausgesetzt, gegen die er in der Unfallversicherung geschützt werden soll, sondern es gehen die Gefahren auf die Umstände des Privatbereichs zurück, die dem Versicherungsschutz im Allgemeinen nicht unterliegen (SSV-NF 5/75, 6/144, 10/47, 12/24). Da sich der Unfall in der Wohnung der Versicherten ereignete, kommt auch ein Unfallversicherungsschutz nach § 175 Abs 2 Z 7 ASVG nicht in Betracht.
Die Klägerin stützt ihre Ansicht, es liege ein Arbeitsunfall nach § 175 Abs 1 ASVG vor, zum einen darauf, dass sie auf jener Treppe gestürzt sei, welche den Büroraum mit dem beruflich auch benützten Wohnzimmer verbinde, und zum anderen darauf, dass sie zum Zeitpunkt des Sturzes ihre berufliche Tätigkeit ausgeübt habe. Die erstgenannte Anspruchsgrundlage hat bereits das Erstgericht mit der zutreffenden Begründung, dass gemischt genützte Räume nur dann den Betriebsräumlichkeiten zuzuzählen sind, wenn sie im wesentlichen Umfang auch für betriebliche Zwecke genutzt werden und die Treppe im vorliegenden Fall im Wesentlichen privaten Zwecken diene, verneint (vgl SSV-NF 2/2 = ZAS 1989/2 ((Gitter)), 3/16, 5/31 ua; RIS-Justiz RS0084463, RS0084671). Gegen die Richtigkeit dieser Rechtsansicht werden auch in den Rechtsmittelschriften der Klägerin keine substantiierten Einwendungen erhoben, sodass darauf nicht weiter eingegangen werden muss. Die Klägerin - und ihr folgend das Berufungsgericht - bejahen den Versicherungsschutz nach § 175 Abs 1 ASVG deshalb, weil die Klägerin im Zeitpunkt des Unfalles neben ihrer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit des Kaffeeholens durch das Abhören der Mobilbox auch eine betriebliche Tätigkeit verrichtet habe.
Dieser Ansicht ist Folgendes entgegenzuhalten:
Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung SSV-NF 7/45 (= DRdA 1994/22 ((zustimmend M. Ritzberger-Moser)) unter Hinweis auf die Ausführungen von Dusak, Zur Wechselbeziehung von Schutzbereich und wesentlicher Bedingung in der Unfallversicherung in ZAS 1990, 45 ff [56] ausgeführt hat, könne der Versicherungsschutz gegenüber einer Gefahr, die ausschließlich dem (vom Versicherungsschutz - grundsätzlich - nicht erfassten) häuslichen Bereich des Versicherten entstamme und sich bei jeder ungeschützten Tätigkeit auch hätte verwirklichen können, nicht allein dadurch begründet werden, dass der Versicherte im Zeitpunkt ihres Eintrittes zufälligerweise eine betriebliche Tätigkeit verrichtet habe. Andernfalls würde dem Grundgedanken der Unfallversicherung zu wenig Rechnung getragen, dass der Versicherte vor jenen Gefahren geschützt werden solle, die sich aufgrund seiner Erwerbstätigkeit bzw der Eingliederung in einen fremden Organisationsbereich ergeben. Entscheidend sei, ob für den Unfall ein betriebliches oder ein aus der eigenen Sphäre des Versicherten stammendes Risiko wesentlich ursächlich gewesen sei. Es komme also nicht darauf an, dass die Tätigkeit, bei der sich der Unfall unmittelbar ereignet habe, eine betriebliche gewesen sei, sondern vielmehr die Gefahr, die sich verwirklicht habe. Das Risiko, das den Unfall herbeigeführt habe, müsse daher einen betrieblichen Bezug haben (Dusak aaO 56).
Auch bei einem selbständig Erwerbstätigen, der zu Hause eine betriebliche Tätigkeit verrichtet, muss das Risiko, das den Unfall herbeigeführt hat, einen betrieblichen Bezug haben. Dieser Anknüpfungspunkt ist bei dem Ausrutschen und Sturz der Klägerin über die hauptsächlich privaten Zwecken dienende Treppe nicht gegeben. Es hat sich dabei vielmehr eine aus dem häuslichen Bereich der Klägerin stammende Gefahr verwirklicht, weshalb der Unfall der Klägerin kein Arbeitsunfall im Sinne der §§ 175 f ASVG war.
Es war somit in Stattgebung der Revision der beklagten Partei auch das Feststellungsbegehren abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind auch nicht ersichtlich.
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