OGH 10ObS26/89 (10ObS27/89)

OGH10ObS26/89 (10ObS27/89)7.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Kurt Resch (Arbeitgeber) und Anton Prager (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ruth S***, Fornacherstraße 20, 4890 Frankenmarkt, vertreten durch Dr.Johannes Grund, Dr.Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei P*** DER A***, Friedrich

Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. September 1988, GZ 12 Rs 133/88, 134/88-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 20.Juni 1988, GZ 24 Cgs 1185/87-15 (damit verbunden 24 Cgs 32/88), abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es lautet:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei vom 1. Februar 1987 bis 31.Dezember 1987 zu ihrer Alterspension eine Ausgleichszulage von S 1.344,70 monatlich und vom 1.Jänner 1988 bis 31. Mai 1988 eine Ausgleichszulage von S 1.472,80 monatlich zu bezahlen.

Die klagende Partei hingegen ist schuldig, der beklagten Partei den Überbezug an Ausgleichszulage für den Zeitraum vom 1. Februar 1987 bis 31.Mai 1987 von zusammen S 1.236,50 zurückzuzahlen, wobei die beklagte Partei berechtigt ist, den Betrag von S 1.236,50 von der für 1.September 1987 bis 31.Dezember 1987 gebührenden Nettonachzahlung von S 6.522 einzubehalten. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, der klagenden Partei eine Ausgleichszulage ohne Anrechnung eines Wohnungsrechtes zu bezahlen und von der Rückforderung eines Überbezuges von S 1.236,50 Abstand zu nehmen, wird abgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.213,20 (darin enthalten S 1.201,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens 1.Instanz sowie die mit S 2.357,85 (darin enthalten S 214,35 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen". Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.829,75 (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revision binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 18.August 1987 sprach die beklagte Partei aus, daß die bisher erwähnte vorzeitige Alterspension der Klägerin ab 1. Februar 1987 monatlich S 3.268,40 betrage und ein Anspruch auf Ausgleichszulage nicht mehr bestehe, weil das anrechenbare Gesamteinkommen den Richtsatz übersteige und schrieb einen Überbezug von S 7.758,50 gemäß § 107 Abs 1 ASVG zum Rückersatz vor. Mit Bescheid vom 9.Dezember 1987 berichtigte die beklagte Partei den vorgenannten Bescheid gemäß § 101 ASVG dahin, daß die Ausgleichszulage zur Pension von S 3.268,40 ab 1.Februar 1987 mit S 1.344,70 festgesetzt, die Nachzahlung einbehalten und über die Verrechnung (mit einem Überbezug) zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werde.

Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin rechtzeitig Klage. Seit 1. Februar 1987 seien in den Einkommensverhältnissen der Klägerin keine Änderungen eingetreten, die beklagte Partei habe zu Unrecht ein der Klägerin zustehendes Wohnrecht als Einkommen berücksichtigt, ein Überbezug bestehe nicht.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin auch ab 1.Februar 1987 zu ihrer Pension die Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß, insbesondere ohne Anrechnung eines Wohnrechtes zu bezahlen und von der Rückforderung eines Überbezuges Abstand zu nehmen. Es ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

Die Klägerin war seit 1971 mit Franz Josef S*** verheiratet. Die gemeinsame Ehewohnung befand sich im Hause der Schwester des Franz Josef S***. In dieser Ehewohnung hatte die Klägerin im Laufe der Ehe Investitionen von etwa S 400.000 getätigt. Die Ehe wurde vom Kreisgericht Wels zu 6 Cg 394/86 am 16.Jänner 1987 nach § 55 a EheG geschieden. Im Rahmen des Scheidungsvergleiches sollten die Investitionen der Klägerin irgendwie abgegolten werden. Da sich Franz Josef S*** strikt weigerte, eine finanzielle Abgeltung dieser Investitionen zu leisten, wozu er wegen seiner Arbeitslosigkeit und auf Grund von Rückzahlungsverpflichtungen für eingegangene Schulden auch gar nicht in der Lage gewesen wäre, einigte man sich schließlich dahin, daß der Klägerin bis längstens 31. Jänner 1991, in welchem Jahr die Klägerin voraussichtlich eine Pension aus Deutschland bekommen soll, ein zu verbücherndes Wohnrecht in der Ehewohnung eingeräumt wurde. Zu diesem Zweck trat auch die Schwester des Franz Josef S*** dem Scheidungsvergleich bei. Die Stromkosten sollten von Franz Josef S*** oder seiner Schwester Theresia S*** getragen werden, während die Klägerin für die Beheizung aufkommen sollte. Nach Beendigung des Wohnrechtes sollen alle nicht entfernbaren Investitionen und Einbauten entschädigungslos in das Eigentum der Theresia S*** oder ihrer Rechtsnachfolger übergehen.

Der Beschluß über die Scheidung im Einvernehmen wurde dem damaligen Vertreter der Klägerin am 30.Jänner 1987 zugestellt und ist seit 16.Februar 1987 rechtskräftig.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, das eheliche Gebrauchsvermögen habe offensichtlich nur in der gemeinsamen Ehewohnung und dem gemeinsamen Hausrat bestanden. Wenn der Klägerin als Abgeltung für ihre Investitionen in der Wohnung ein auf vier Jahre beschränktes Wohnrecht eingeräumt worden sei, könne dabei nicht von einem Einkommen im Sinne des § 292 ASVG gesprochen werden. Es werde dadurch vielmehr nur eine Ausgleichszahlung für die getätigten Aufwendungen substituiert, welche im Falle einer Bezahlung in Geld ebenfalls nicht auf die Ausgleichszulage anzurechnen wäre. Es sei daher nicht einzusehen, warum das Wohnrecht der Klägerin als Einkommen gewertet werden solle, während eine Ausgleichszahlung von vielleicht S 200.000 bis S 300.000 kein anrechenbares Einkommen bei der Ausgleichszulageberechnung darstellen würde.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die beklagte Partei schuldig erkannte, der Klägerin ab 1.Februar 1987 zu ihrer Alterspension von monatlich S 3.268,40 eine Ausgleichszulage von monatlich S 1.344,70 zu bezahlen und die Klägerin schuldig erkannte, der beklagten Partei den Überbezug an Ausgleichszulage für den Zeitraum vom 1. Februar 1987 bis 31.Mai 1987 im Nettoausmaß von S 1.236,50 zurückzuzahlen, wobei die beklagte Partei berechtigt ist, diesen Betrag von der für 1.September 1987 bis 31.Dezember 1987 gebührenden Nettonachzahlung von S 6.522 einzubehalten. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, der Klägerin eine Ausgleichszulage ohne Anrechnung eines Wohnrechtes im Betrag von monatlich S 254,90 zu bezahlen und von der Rückforderung eines Überbezuges Abstand zu nehmen, wurde abgewiesen.

Unter "Nettoeinkommen" im Sinne des § 292 Abs 3 ASVG sei alles zu verstehen, was dem Pensionsberechtigten auf Grund eines Rechtsanspruches von dritter Seite an geldwerten Leistungen zukomme. Die Gewährung der Wohnung, auf die der Pensionist ein Recht habe, gehöre immer zu den Sachbezügen, ohne daß es darauf ankomme, auf welcher Rechtsgrundlage die Wohnung gewährt werde und ob dies entgeltlich oder unentgeltlich geschehe. Der Grund, warum es zu einem solchen Rechtsverhältnis gekommen sei, sei ohne Bedeutung. Der Sachwert des Wohnungsrechtes, dessen Berechnung und Höhe von der Klägerin nicht bestritten sei, könne aus der Ausgleichszulagenbemessungsgrundlage daher nicht ausgeschieden werden, sodaß auch im Zeitraum vom 1.Februar 1987 bis 31.Mai 1987 ein Überbezug von S 1.236,50 vorhanden sei, dessen rechnerische Richtigkeit von der Klägerin anerkannt sei.

Der Scheidungsvergleich sei am 16.Jänner 1987 geschlossen und am 16. Februar 1987 vollstreckbar geworden. Die Klägerin habe jedoch nach ihrem eigenen Vorbringen die beklagte Partei von den geänderten Verhältnissen erst am 21.April 1987 in Kenntnis gesetzt. Damit sei die Meldepflicht des § 40 ASVG, welcher eine 14-tägige Frist vorsehe, beträchtlich verletzt worden, sodaß ein Rückforderungsanspruch der beklagten Partei bejaht werden müsse. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Ersturteil wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur zum Teil berechtigt.

Strittig ist nur mehr, ob das Wohnrecht der Klägerin bei Berechnung der Ausgleichszulage als Einkommen zu berücksichtigen ist. Ein Anspruch auf Ausgleichszulage besteht gemäß § 292 Abs 1 und 2 ASVG, wenn die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und gegebenenfalls des Nettoeinkommens des (der) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten (Ehegattin) und der gemäß § 294 zu berücksichtigenden Unterhaltsansprüche die Höhe des für den Pensionsberechtigten gemäß § 293 ASVG geltenden Richtsatz nicht erreicht. Unter Nettoeinkommen im Sinne dieser Bestimmung ist, sofern nicht einer der in § 292 Abs 4 bis Abs 13 ASVG geregelten Sonderfälle vorliegt, nach Abs 3 leg. cit. die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge zu verstehen. Für die Bewertung der Sachbezüge gilt dabei, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer.

Der Gesetzgeber hat in § 292 ASVG eine taxative Aufzählung jener Bezüge vorgenommen, die nicht auf das Gesamteinkommen anzurechnen sind. Dies führt aber zu dem zwingenden Schluß, daß grundsätzlich alle in der taxativen Aufzählung nicht enthaltenen Bezüge in Geld oder Geldeswert als Einkünfte im Sinne dieses Gesetzes anzusehen sind, gleichgültig aus welchem Rechtstitel sie zufließen, ob sie auf einem gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch beruhen oder etwa nur freiwillig geleistet werden. Schon aus der ausdrücklichen Anführung auch der Sachbezüge und der hiefür normierten Pauschalanrechnung unabhängig vom tatsächlichen Wert ergibt sich klar, daß solche wiederkehrenden Sachbezüge als Einkünfte in Geldeswert jedenfalls als Einkommen zu berücksichtigen sind. Ob diesen eine zuvor erbrachte Gegenleistung zugrundeliegt oder ob sie unentgeltlich erbracht werden, ist dabei bedeutungslos. Das Vermögen des Pensionisten ist zwar unbeachtlich und dieser ist auch nicht verpflichtet, aus seinem Eigentum Nutzen zu ziehen, um seinen Anspruch auf Ausgleichszulage nicht zu verlieren, tut er dies aber, so muß dieser erzielte Nutzen gemäß § 292 Abs 3 ASVG berücksichtigt werden. Für wiederkehrende Sachbezüge wie Ausgedingeforderungen, Fruchtgenußrecht oder Wohnungsrecht ist es geradezu typisch, daß ihnen eine Gegenleistung durch Vermögensübertragung vorangegangen ist. Das Wohnungsrecht der Klägerin ist daher als Sachbezug zu berücksichtigen. Daran ändert auch nichts, daß ein bestimmter Endzeitpunkt vereinbart wurde. Dies kann jedenfalls dazu führen, das dingliche Wohnungsrecht als "Ratenkauf" zu qualifizieren. Zu Recht verweist aber die Revisionswerberin darauf, daß die vom Berufungsgericht betraglich festgesetzte Ausgleichszulage der Höhe nach ab 1.Jänner 1988 wegen der zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Änderungen auch dann eine Änderung erfährt, wenn man das Wohnrecht in Anrechnung bringt. Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz, das ist der 30.Mai 1988. Für den Zeitraum vom 1.Jänner 1988 bis 31. Mai 1988 ergibt sich daher folgende Berechnung: Die Alterspension der Klägerin von S 3.268,40 ist gemäß § 108 h ASVG iVm Art VII Abs 2 der 44.ASVGNov BGBl 1987/609 bis zum 30.Juni 1988 in der bisherigen Höhe anzusetzen. Ausgehend vom Wert der vollen freien Station von S 2.190 (§ 292 Abs 3 iVm § 2 Z 35 der VO BGBl. 1987/691 ergibt sich unter Zugrundelegung des unbestrittenen Berechnungsmodus der beklagten Partei für das Wohnrecht ab 1.Jänner 1988 ein monatlicher Betrag von S 254,90, sodaß die Ausgleichszulage als Differenz auf den für die Klägerin geltenden Richtsatz von S 5.004 (§ 293 Abs 1 lit a sub lit bb ASVG) ab 1.Jänner 1988 bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz S 1.472,80 beträgt. Da die Klägerin insoweit obsiegt hat, waren ihr gemäß § 77 (2) ASGG die gesamten Verfahrenskosten zuzuerkennen.

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