OGH 10ObS264/01y

OGH10ObS264/01y10.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Gunter Krainhöfner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria R*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Wenzel Drögsler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. April 2001, GZ 8 Rs 112/01a-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. November 2000, GZ 7 Cgs 28/00x-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 24. 7. 1944 geborene Klägerin stellte am 23. 9. 1999 bei der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter den Antrag auf Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit sowie den Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension.

Mit Bescheid vom 20.12. 1999 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung der Invaliditätspension mit der Begründung ab, dass Invalidität nicht vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 1. 2. 2000 beim Erstgericht eingelangte Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei zur Gewährung der Invaliditätspension ab Antragstellung zu verpflichten.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nicht gegeben seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin ab dem 1. 10. 1999 eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen, ab. Nach seinen Feststellungen konnte die Klägerin, die keinen Beruf erlernt hat und zuletzt als Bedienerin sowie Tierpflegerin tätig war, auf Grund der näher beschriebenen Leidenszustände ab Antragstellung bis Ende Juli 2000 noch leichte und mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen zu den üblichen Zeiten und bei Einhaltung der üblichen Arbeitspausen verrichten. Ausgeschlossen sind Arbeiten, die überwiegend im ruhigen Stehen, im Knien sowie in überwiegend gebückter Körperhaltung zu verrichten sind. Die Wegstrecken zur Erreichung des Arbeitsplatzes sind weder unter städtischen noch ländlichen Bedingungen begrenzt.

Am 10. 7. 2000 erlitt die Klägerin einen Innen- und Außenknöchelbruch rechts, welcher operativ versorgt werden musste. In der Nachbehandlungsphase trat eine Wundheilungsstörung auf, sodass die Klägerin am 21. 9. 2000 als subjektiv beschwerdefrei, aber noch mit einer deutlichen Bewegungseinschränkung im Sprunggelenk aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte. Die Fraktur ist knöchern durchbaut, der Fuß ist voll belastbar. Auch wenn in der Regel eine weitere Besserung dieses Zustandes zu erwarten ist, ist das medizinische Leistungskalkül der Klägerin ab 1. 8. 2000 auf die Verrichtung leichter Arbeiten eingeschränkt. Die Klägerin ist auch auf Grund dieses eingeschränkten Leistungskalküls noch in der Lage, verschiedene Hilfsarbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wie beispielsweise die Tätigkeiten als Trägerin, Presserin, Stanzerin oder Portierin zu verrichten.

Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, dass die Klägerin nicht invalid im Sinn des § 255 Abs 3 ASVG sei. Auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 253d Abs 1 Z 2 ASVG seien bei der Klägerin trotz Erreichens der Altersgrenze nicht erfüllt, weil keine 72 Pflichtversicherungsmonate in den letzten 180 Kalendermonaten vorlägen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es verneinte die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens (Nichteinholung eines orthopädischen und eines berufskundlichen Gutachtens) und führte zur Rechtsrüge aus, dass über einen Anspruch der Klägerin auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach § 253d ASVG von der beklagten Partei bescheidmäßig noch nicht entschieden worden sei. Ein "Säumnisfall" sei zum Zeitpunkt der Klagseinbringung noch nicht vorgelegen, sondern habe sich erst während des erstinstanzlichen Verfahrens verwirklicht. Es werde daher die beklagte Partei auch hinsichtlich des Antrages der Klägerin auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zu entscheiden habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor. Diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO keiner Begründung. Es genügt daher, anzumerken, dass die Lösung der Frage, ob die Klägerin auf Grund ihres medizinischen Leistungskalküls zur Verrichtung der genannten Verweisungstätigkeiten in der Lage ist, ebenso wie der Umstand, ob zur Lösung dieser Frage neben den vom Erstgericht aufgenommenen Beweisen auch die Beiziehung eines orthopädischen Sachverständigen und eines berufskundlichen Sachverständigen erforderlich gewesen wäre, zur Beweiswürdigung gehört und daher im Revisionsverfahren nicht überprüft werden kann. Abgesehen davon hat die Klägerin die unterlassene Beiziehung eines orthopädischen Sachverständigen und eines berufskundlichen Sachverständigen schon als Mangel des Verfahrens erster Instanz in ihrer Berufung geltend gemacht. Ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel kann aber nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden (SSV-NF 13/61, 7/74 mwN).

Soweit unter Geltendmachung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (§ 503 Z 4 ZPO) Feststellungsmängel (im Zusammenhang mit einer arbeitsmarktausschließenden Krankenstandsdauer) geltend gemacht werden, ist der Revisionswerberin zwar einzuräumen, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 10/14 mwN ua) mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmäßig zu erwartende leidensbedingte Krankenstände von sieben Wochen jährlich und darüber den Versicherten vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausschließen. Dabei ist allerdings ohne Bedeutung, in welchem Umfang der Versicherte in der Vergangenheit im Krankenstand war; wesentlich ist ausschließlich die Prognose für die Zukunft, ausgehend von den Anforderungen in den Verweisungsberufen (SSV-NF 7/75 ua). Nach der Aktenlage bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit leidensbedingte Krankenstände von sieben Wochen und darüber zu erwarten hätte. Die Klägerin wurde von insgesamt drei medizinischen Sachverständigen untersucht. Von diesen wurden in der Folge schriftliche Gutachten erstellt, ohne dass aus diesen Gutachten entsprechende Tatumstände hervorgekommen wären, dass aus medizinischer Sicht mit solchen überlangen Krankenständen gerechnet werden müsste (10 ObS 356/97v mwN ua).

Gegen die zutreffende Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen zur begehrten Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG wird in der Revision nichts vorgebracht. Die Vorinstanzen haben das auf Gewährung der Invaliditätspension gerichtete Klagebegehren zu Recht abgewiesen.

Soweit die Revisionswerberin die Ansicht vertritt, die Vorinstanzen hätten auch prüfen müssen, ob nicht die Voraussetzungen für die Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gegeben seien, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden.

Voraussetzung für eine gerichtliche Entscheidung über einen Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 253d ASVG ist, dass der Versicherungsträger (außer im Falle der Säumnisklage) über diesen Anspruch bescheidmäßig abgesprochen hat; davon ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen, da der maßgebliche bekämpfte Bescheid der beklagten Partei vom 20. 12. 1999 ausschließlich den Antrag auf Gewährung einer Invaliditätspension gemäß § 255 ASVG ablehnte. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die beklagte Partei in ihrer Klagebeantwortung irrtümlich von einer Ablehnung des von der Klägerin gleichzeitig gestellten Antrages auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 253d ASVG durch den angefochtenen Bescheid ausging. Ein (ausschließlich) über einen Antrag auf Gewährung einer Invaliditätspension absprechender Bescheid bildet jedoch nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates keine Grundlage für eine Entscheidung über einen Anspruch nach § 253d ASVG (SSV-NF 9/31, 11/74, 13/84, 13/149 mwN ua). Folgerichtig richtet sich auch das Klagebegehren ausschließlich auf die Gewährung einer Invaliditätspension, nicht jedoch auf eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit. Dementsprechend haben auch die Vorinstanzen zutreffend lediglich über einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Invaliditätspension abgesprochen.

Nach der Aktenlage ist daher davon auszugehen, dass die beklagte Partei bisher über den von der Klägerin am 23. 9. 1999 ebenfalls gestellten Antrag auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 253d ASVG nicht entschieden hat. In diesem Fall stünde der Klägerin die Säumnisklage noch immer offen (§ 67 Abs 1 Z 2 ASGG).

Das Berufungsgericht hat jedenfalls zutreffend erkannt, dass im vorliegenden Rechtsstreit die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nicht zu prüfen sind. Damit erweist sich die Revision als nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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