Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Mit Bescheid vom 1. Oktober 1984 stellte die beklagte Partei das Ausmaß der Witwenpension der Klägerin ab 1. Juli 1970 neu fest (Punkt 1.), stellte weiters fest, daß diese Pension vom 1. Juli 1970 an während bestimmter Zeiträume mit bestimmten Beträgen nach § 60 GSVG (Punkt 2.) und während bestimmter Zeiträume mit bestimmten Beträgen wegen § 243 GSVG ruhte (Punkt 3.) und sprach aus, daß der zuviel bezogene Vorschuß von insgesamt 121.585,40 S mit der zu erbringenden Leistung verrechnet werde (§ 71 GSVG). Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin zu 11 C 4/85 des Schiedsgerichtes der S*** für N*** in Wien
rechtzeitig Klage, in der sie zunächst begehrte, die beklagte Partei zur Leistung der Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß auf der Grundlage des Bescheides vom 14. Dezember 1970 ohne Ruhen, zur Abstandnahme von der Verrechnung eines Vorschusses von 121.585,40 S und zur Auszahlung der bisher einbehaltenen Beträge zu verurteilen. In der Tagsatzung vom 14. August 1985 erklärte die Klägerin, die Klage gegen die Punkte 1. bis 3. des Bescheides zurückzunehmen und stellte die Höhe des verrechneten Betrages mit 121.585,40 S außer Streit.
Die beklagte Partei wendete damals gegen das die Verrechnung als Vorschuß und die Einbehaltung betreffende Begehren lediglich ein, daß Pensionsleistungen, die trotz des Ruhens erbracht worden seien, als Vorschüsse nach § 71 Abs 1 Z 3 GSVG aufgerechnet werden könnten, ohne daß Rückforderungstatbestände vorliegen müßten. Sie berief sich dazu auf mehrere Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Wien. Das Erstgericht wies das eingeschränkte Klagebegehren ab und verurteilte die Klägerin, der beklagten Partei den zuviel bezogenen Vorschuß von 121.585,40 S zurückzuzahlen.
Mit Urteil vom 20. Mai 1986 35 R 114/86-13 änderte das Oberlandesgericht Wien das erstgerichtliche Urteil in Stattgebung der Berufung der Klägerin dahin ab, daß es die beklagte Partei schuldig erkannte, der Klägerin gegenüber von der Aufrechnung eines Überbezuges an Witwenpension von 121.585,40 S auf die von ihr zu erbringenden Geldleistungen Abstand zu nehmen und die bisher einbehaltenen Beträge wieder auszuzahlen. Das Berufungsgericht führte damals im wesentlichen aus:
"Gemäß § 71 Abs 1 Z 3 (GSVG) darf der Versicherungsträger auf die von ihm zu erbringenden Geldleistungen von Versicherungsträgern gewährte Vorschüsse aufrechnen. Wohl sind nach der Rechtsprechung die vom Ruhen erfaßten Pensionsteile Vorschüsse und, ohne daß es eines Rückforderungstatbestandes bedarf, im Wege der Aufrechnung zurückzuerstatten. Dieser Judikatur trat der Gesetzgeber mit der
41. ASVGNov und der 10. GSVGNov durch Änderung des § 103 Abs 1 Z 3 ASVG und des § 71 Abs 1 Z 3 GSVG entgegen, in denen nunmehr die §§ 104 Abs 1 letzter Satz und insbesondere 368 Abs 2 ASVG angeführt sind, womit der Gesetzgeber zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Pensionsbezieher klarstellen wollte, was als Vorschuß zu gelten hat (774 BlgNR 16. GP, 37). Die Möglichkeiten zur Aufrechnung mit von Versicherungsträgern gewährten, als Vorschuß zu qualifizierenden Leistungen sind demnach weitestgehend eingeschränkt. Der Gesetzgeber hat sich durch die Änderung der §§ 103 Abs 1 Z 3 ASVG und 71 Abs 1 Z 3 GSVG gegen die ständige Judikatur des Oberlandesgerichtes Wien gewendet, wobei ihm eine Neuregelung des § 107 Abs 2 ASVG allein nicht ausreichend erschien, weil sie keine Änderung der Praxis bei der Anwendung von Ruhensgründen gebracht hätte und die Überzahlungen weiterhin als Vorschüsse angesehen worden wären, die gemäß § 103 Abs 1 Z 3 ASVG aufzurechnen seien. Der Gesetzgeber erachtete daher insbesondere die im § 103 Abs 1 Z 3 ASVG erfolgte Klarstellung für notwendig (774 BlgNR 16. GP, 37). Es kann daher nunmehr die Verwirklichung eines Ruhenstatbestandes nicht mehr zur Folge haben, daß eine ungekürzt weiter gewährte Pension bezüglich der bei rückblickender Betrachtung vom Ruhen erfaßten Teile der Pension als Vorschuß zu behandeln ist, dessen Aufrechnung mit künftig fällig werdenden Pensionsleistungen nach § 71 GSVG zulässig wäre. Ein Rückforderungstatbestand wurde von der dafür behauptungs- und beweispflichtigen Beklagten nie geltend gemacht."
Daraufhin stellte die beklagte Partei mit Bescheid vom 29. Juli 1986 für die Zeit vom 1. Juli 1970 bis 31. Dezember 1982 und für Jänner 1984 einen Überbezug von 121.585,40 S fest, den sie gemäß § 76 GSVG zurückforderte, wobei sie die zu Unrecht bezogene Geldleistung aufrechnete (§ 71 GSVG). Sie begründete diesen Bescheid damit, daß zu Unrecht erbrachte Geldleistungen zurückzufordern seien, wenn der Überbezug durch bewußte Verschweigung maßgebender Tatsachen sowie Verletzung der Meldevorschriften und der Auskunftspflicht entstanden sei (§ 76 GSVG).
In der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage bestritt die Klägerin, einen im § 76 GSVG genannten Rückforderungsgrund gesetzt zu haben und begehrte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, von der Rückforderung und der Aufrechnung eines Überbezuges von 121.585,40 S Abstand zu nehmen und die bereits einbehaltenen Beträge zu zahlen. Die Klägerin wies schon in der Klage darauf hin, daß im Hinblick auf das zit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 20. Mai 1986 35 R 114/86 auch über die Rückforderung eines Überbezuges rechtskräftig entschieden worden sei. Weiters wendete sie Verjährung ein.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und die Verpflichtung der Klägerin zum Rückersatz des Überbezuges von 121.585,40 S.
Das Erstgericht gab der Klage statt.
Nach seiner Meinung hat das Oberlandesgericht Wien mit seinem zit Urteil rechtskräftig über den von der beklagten Partei geltend gemachten Leistungsanspruch auf Rückzahlung von 121.585,40 S entschieden. Der im Bescheid vom 1. Oktober 1984 geltend gemachte Anspruch sei ein Rückforderungsanspruch gewesen. Daß er nicht als solcher gemäß § 76 GSVG, sondern als Vorschuß geltend gemacht worden sei und durch Aufrechnung nach § 71 Abs 1 Z 3 GSVG hereingebracht werden sollte, sei nur eine rechtliche Beurteilung der beklagten Partei gewesen. Durch die damalige Klageerhebung sei dieser Bescheid außer Kraft getreten und die Verfahrens- und Entscheidungskompetenz auf das Gericht übergegangen. In diesem Verfahren habe weder eine Sachverhaltsbindung noch eine Bindung an Rechtsmeinungen bestanden, so daß der Versicherungsträger berechtigt und auch verpflichtet gewesen wäre, seinen Anspruch auf alle rechtserzeugenden Tatsachen zu stützen. Die Geltendmachung eines Rückforderungstatbestandes nach § 76 GSVG hätte dem Grundsatz der sukzessiven Kompetenz nicht widersprochen. Gegenstand der Rechtskraft sei immer der Urteilsspruch, aus dem sich nach objektiver Auslegung Art und Umfang der zugesprochenen oder abgewiesenen Rechtsfolge ergeben. Daß das Oberlandesgericht damals abschließend über die Unzulässigkeit einer Aufrechnung eines Überbezuges an Witwenpension von 121.585,40 S sowohl nach § 71 Abs 1 Z 2 als auch nach § 71 Abs 1 Z 3 GSVG entschieden habe, zeige sich allein darin, daß es nicht wie das Urteilsbegehren "die beklagte Partei sei schuldig, von der Verrechnung eines Vorschusses bzw der Rückforderung eines Überbezuges" entschieden, sondern eindeutig festgehalten habe, "die beklagte Partei ist schuldig, von der Aufrechnung eines Überbezuges" Abstand zu nehmen. Die zur Auslegung des Spruches heranzuziehenden Entscheidungsgründe ergeben im Zusammenhalt mit der rechtlichen Beurteilung, daß das Oberlandesgericht Wien damals über die Aufrechnung eines Überbezuges an Witwenpension von 121.585,40 S abschließend entschieden habe. Deshalb sei der nunmehr angefochtene Bescheid wegen der Rechtskraftwirkung des zit Urteils zu Unrecht erlassen worden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sozialrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Gegenstand des seinerzeitigen Verfahrens sei nur gewesen, ob die Verrechnung des darin schließlich nicht mehr strittigen Betrages von 121.585,40 S als Vorschuß gemäß § 71 Abs 1 Z 3 GSVG (§ 103 Abs 1 Z 3 ASVG) zulässig sei, was vom Berufungsgericht damals im Hinblick auf die neue Rechtslage durch die 41. ASVGNov verneint worden sei. Dadurch sei das Recht der beklagten Partei nach § 71 Abs 1 Z 2 GSVG nicht berührt worden, von dem sie auch unverzüglich nach dem zit Urteil des Berufungsgerichtes Gebrauch gemacht habe. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht die Voraussetzungen für die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen iS des § 76 GSVG zu erheben und zu prüfen haben.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß "aufzuheben" und das erstgerichtliche Urteil zu bestätigen. Die beklagte Partei erstattete keine Rekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nach § 519 Abs 1 Z 3 und Abs 2 ZPO
iVm § 45 Abs 4 ASGG zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt. Im Vorverfahren hatten das Schiedsgericht in erster Instanz und das Oberlandesgericht Wien in letzter Instanz ausschließlich darüber zu entscheiden, ob der beklagte Versicherungsträger die wegen des (rückwirkend) festgestellten Ruhens zuviel ausgezahlte Witwenpension im unbestrittenen Übermaß von 121.585,40 S als Vorschuß nach § 71 Abs 1 Z 3 GSVG auf die von ihm zu erbringenden Geldleistungen aufrechnen darf.
Im rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 20. Mai 1986 wurde daher nur der damals streitgegenständliche Anspruch des Versicherungsträgers, den "Überbezug" an Witwenpension von 121.585,40 S auf die von ihm der Klägerin zu erbringenden Geldleistungen aufzurechnen, abgewiesen, weil die für eine solche Aufrechnung nach § 71 Abs 1 Z 3 GSVG erforderlichen Voraussetzungen verneint wurden.
Die Rechtskraft des zit Berufungsurteils stand daher mangels Identität des Anspruchs der Geltendmachung des Anspruchs auf Rückersatz einer zu Unrecht bezogenen Leistung von 121.585,40 S nach § 76 Abs 1 GSVG und der Aufrechnung dieser Leistungen nach § 71 Abs 1 Z 2 GSVG durch den Versicherungsträger im in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid und steht der Weiterverfolgung dieses Anspruches im sozialgerichtlichen Verfahren nicht entgegen. Das Erstgericht hätte daher die Voraussetzungen dieses Anspruchs prüfen, vorher aber die dazu erforderlichen Tatsachenfeststellungen treffen müssen.
Deshalb erweist sich der Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes als richtig. Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Rekurskosten beruht auf dem nach § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen anzuwendenden § 52 Abs 1 ZPO.
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