Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wir zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Berufung und der Revision sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Mit Bescheid vom 2.November 1987 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 6.April 1987 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension ab.
Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Es stellte fest, daß der am 23.April 1931 geborene Kläger keinen Beruf erlernt hat, in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtat als Hilfsarbeiter tätig war und nach dem Anstaltsakt 109 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben hat. Der Kläger ist noch in der Lage, leichte Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen in normaler Arbeitszeit mit den üblichen Arbeitspausen zu verrichten. Auszuschließen sind ausgesprochen feinmechanische Arbeiten, Akkordarbeiten, Arbeiten an rasch laufenden Maschinen und an solchen Maschinen, bei denen das Arbeitstempo von der Maschine diktiert wird, ständiger besonderer Zeitdruck, Fabriksmilieu, dauernde Nässe und Kälte und außergewöhnliche Staubexpositionen. Es besteht die Notwendigkeit einer Diät, die auch von zu Hause mitgebracht werden kann. Der Kläger kann noch auf die Tätigkeiten eines Abservierers in Selbstbedienungsrestaurants, einer Hilfskraft bei der Flaschenübernahme in Großmärkten oder eines Portiers verwiesen werden.
Der Kläger sei daher nicht invalide im Sinne des § 255 Abs 3 ASVG.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln bei der Erhebung des Gesundheitszustandes und der Verweisbarkeit des Klägers, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte rechtlich aus, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 255 Abs 4 ASVG sei nicht zu prüfen, weil der Kläger nach der Feststellung des Erstgerichtes am Stichtag nicht 180 Versicherungsmonate erworben habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Ergebnis berechtigt.
Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, daß der Kläger bei Anwendung der Bestimmung des § 255 Abs 3 ASVG nicht invalide sei, ist zutreffend (§ 48 ASGG), insoweit ist dem Berufungsgericht auch kein Verfahrensmangel unterlaufen (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Gericht in Sozialrechtssachen hat jedoch nach § 87 Abs 1 ASGG vorbehaltlich der hier nicht in Frage kommenden Absätze 2 bis 4 sämtliche notwendig erscheinenden Beweise von Amts wegen aufzunehmen. Das Gericht hat daher die Pflicht, selbst alle Tatsachen von Amts wegen zu erwägen und zu erheben, die für die begehrte Entscheidung erforderlich sind und die zum Beweise dieser Tatsachen notwendigen Beweise von Amts wegen aufzunehmen. Die Verletzung dieser Pflicht begründet nicht nur einen Verfahrensmangel, sondern kann auch, wenn nach dem Inhalt der Prozeßakten entscheidungswesentliche Tatsachen nicht festgestellt wurden, zu einer im Rahmen der Rechtsrüge wahrzunehmenden Unvollständigkeit der Sachgrundlage führen.
Der in erster Instanz unvertretene Kläger, der jugoslawischer Staatsbürger und auch in Jugoslawien wohnhaft ist, hat schon dem Erstgericht eine Bestätigung vorgelegt, daß er in der Zeit vom 16. Juli 1963 bis 2.November 1970 in der F*** FÜR ÖL UND S*** B*** gearbeitet hat (ON 9). Das Erstgericht hat jedoch dazu keine Feststellungen getroffen sondern lediglich die aus dem Anstaltsakt ersichtlichen österreichischen Versicherungszeiten herangezogen, festgestellt, daß der Kläger "109 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben hat" und das Vorliegen von Invalidität nach § 255 Abs 3 ASVG beurteilt. Nach dem Abkommen zwischen der R*** Ö*** und der S***
F*** R*** J*** über soziale Sicherheit, sind
jedoch für den Erwerb des Leistungsanspruches auch die im anderen Vertragsstaat erworbenen Versicherungszeiten zu berücksichtigen. Insoweit liegt daher ein Feststellungsmangel vor, den das Berufungsgericht im Rahmen der allseitigen rechtlichen Prüfung hätte aufgreifen müssen. Es sei in diesem Zusammenhang auch darauf verwiesen, daß selbst die beklagte Partei mit Schriftsatz vom 16. November 1988 (ON 30) unter Vorlage von Urkunden bekanntgegeben hat, daß der Kläger neben den zugrundegelegten österreichischen Versicherungszeiten in Jugoslawien weitere 111 Versicherungsmonate erworben habe und sich daher die Anwendbarkeit des § 255 Abs 4 ASVG ergebe. Im fortgesetzten Verfahren werden daher nicht nur alle Versicherungszeiten des Klägers festzustellen sein, das Verfahren muß auch dahin ergänzt werden, welche Tätigkeiten der Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag ausgeübt und wie viele Beitragsmonate er in jeder dieser Tätigkeiten erworben hat. Erst dann kann abschließend beurteilt werden, ob auf den Kläger der Invaliditätsbegriff des § 255 Abs 3 ASVG oder jener des § 255 Abs 4 ASVG Anwendung zu finden hat.
Die Entscheidung über den Vorbehalt der Berufungs- und Revisionskosten beruht auf § 52 ZPO.
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