OGH 10ObS249/90

OGH10ObS249/9029.1.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Eberhard Piso (Arbeitgeber) und Wilhelm Hackl (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Iva S*****, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ARBEITER, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr. Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Witwenpension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. März 1990, GZ 33 Rs 34/90-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5. Juli 1989, GZ 18 Cgs 91/89-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin die Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. Juli 1987 zu gewähren, zur Gänze abgewiesen wird.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, war mit dem am 20. November 1926 geborenen jugoslawischen Staatsangehörigen Mirko S***** verheiratet. Der Versicherte Mirko SESAR starb am 14. Juni 1987. Die Klägerin stellte am 17. August 1987 den Antrag auf Hinterbliebenenpension (Witwenpension).

Mirko S***** erwarb in Österreich von Mai 1966 bis Dezember 1976 89 Versicherungsmonate, davon 71 Beitragsmonate und 18 Ersatzmonate. In Jugoslawien erwarb er von Jänner 1948 bis September 1962 und von März 1979 bis Oktober 1980 insgesamt 110 Versicherungsmonate. Weiters erwarb er von Jänner 1977 bis 31. August 1978 in Jugoslawien 20 Versicherungsmonate als assoziierter Landwirt.

Mit Bescheid vom 30. Dezember 1987 lehnte die beklagte PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ARBEITER den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung einer Witwenpension nach dem verstorbenen Versicherten Mirko S***** mit der Begründung ab, daß die Wartezeit nicht erfüllt sei.

Die Klägerin stellte das aus dem Spruch ersichtliche Begehren und brachte vor, daß ihr verstorbener Ehegatte weitere Versicherungszeiten in Novi Sad (Jugoslawien) erworben habe, die noch nicht berücksichtigt worden seien.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die Wartezeit zum Stichtag 1. Juli 1987 wäre dann erfüllt, wenn der Verstorbene im Zeitraum 1. Juli 1967 bis 30. Juni 1987, also im Zeitraum der letzten 240 Kalendermonate vor dem Stichtag, verlängert um den darin enthaltenen neutralen Monat mindestens 120 Versicherungsmonate erworben hätte. Weiters wäre die Wartezeit auch dann erfüllt, wenn der Verstorbene insgesamt 216 Versicherungsmonate, davon mindestens 180 Beitragsmonate, erworben hätte. Bei der Bescheiderlassung sei von

181 Versicherungsmonaten, davon 163 Beitragsmonaten bzw. von 79 Versicherungsmonaten im Rahmenzeitraum ausgegangen worden. Nachträglich habe der jugoslawische Pensionsversicherungsträger weitere 18 Versicherungsmonate aus dem Zeitraum 29. März 1979 bis 26. Oktober 1980 bekanntgegeben, so daß in Jugoslawien insgesamt 110 Versicherungsmonate vorliegen würden. In Österreich habe der Versicherte von 1966 bis 1976 71 Beitragsmonate und 18 Ersatzmonate erworben. Mit diesen Versicherungszeiten sei die Wartezeit ebenfalls nicht erfüllt. Es sei subsidiär zu prüfen, ob die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen im Sinne jener Bestimmungen erfüllt seien, wie sie zum 31. Dezember 1984 in Geltung standen. Hiezu müßte die Wartezeit und Dritteldeckung durch anrechenbare Versicherungsmonate erfüllt sein. Auch diese Voraussetzungen seien nicht gegeben. Der jugoslawische Pensionsversicherungsträger habe jedoch für den Zeitraum 1. Jänner 1977 bis 31. August 1978 weitere Versicherungsmonate bekanntgegeben. Der Verstorbene sei in diesen Zeiten als vereinigter Landwirt versichert gewesen. Da diese Versicherungszeiten zur Erfüllung der Wartezeit nicht berücksichtigt werden könnten, sei vom bisherigen Versicherungsverlauf auszugehen, wonach der Anspruch auf Witwenpension nicht bestehe.

Das Erstgericht gab der Klage teilweise statt und erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab dem 1. Juli 1989 eine Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Das Mehrbegehren auf Gewährung einer Witwenpension bereits ab 1. Juli 1987 wurde abgewiesen. Stichtag sei der 1. Juli 1987, da bei Leistungen aus dem Versicherungsfall des Todes dieser Versicherungsfall mit dem Tod als eingetreten gelte und der Stichtag der darauffolgende Monatserste sei. Eine Verschiebung auf Grund einer späteren Antragstellung sehe § 223 Abs. 2 ASVG beim Versicherungsfall des Todes nicht vor. Die Wartezeit wäre auch dann erfüllt, wenn der Verstorbene bei einem Stichtag 1987 vom 1. Juli 1967 bis 30. Juni 1987 120 Versicherungsmonate oder insgesamt 216 Versicherungsmonate, davon 180 Beitragsmonate, erworben hätte. Durch das zweite Zusatzabkommen zum AbkSozSi Jugoslawien seien die selbständig Erwerbstätigen in den Geltungsbereich des Abkommens einbezogen worden. Art. II des zweiten Zusatzabkommens sehe die entsprechende Anwendung der im Art. 45 des Abkommens enthaltenen Übergangsbestimmungen auf die im Rahmen des Zusatzabkommens neu einbezogenen österreichischen Pensionsversicherungen nach dem GSVG und BSVG vor. Gemäß Art. 45 Abs. 1 begründe dieses Abkommen keinen Anspruch auf Zahlung von Leistungen für die Zeit vor seinem Inkrafttreten. Abs. 2 bestimmte, daß für die Feststellung des Anspruches auf Leistungen nach diesem Abkommen auch Versicherungszeiten berücksichtigt würden, die nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates vor Inkrafttreten des Abkommens zurückgelegt worden seien. Abs. 3 führe aus, daß unbeschadet des Abs. 1 das Abkommen auch für Versicherungsfälle gelte, die vor seinem Inkrafttreten eingetreten sind. In diesen Fällen würden nach den Bestimmungen des Abkommens Pensionen oder Renten, die erst auf Grund dieses Abkommens gebührten, auf Antrag des Berechtigten vom Inkrafttreten dieses Abkommens an festgestellt. Dies bedeute, daß Art. 45 des Abkommens auch beim zweiten Zusatzabkommen angewendet werden müsse. Daraus ergebe sich, daß das zweite Zusatzabkommen auch für Versicherungsfälle gelte, die vor seinem Inkrafttreten eingetreten seien. Im vorliegenden Fall sei die Wartezeit zum Stichtag 1. Juli 1987 zu prüfen. Sei zu diesem Stichtag die Wartezeit erfüllt, gebühre die Pension iS Art. 45 Abs. 3 des Abkommens ab dem 1. Juli 1989 (Inkrafttreten des zweiten Zusatzabkommens). Der Versicherte hätte die Wartezeit nur unter Berücksichtigung der Zeiten als assoziierter Landwirt erfüllt:

Dadurch habe er insgesamt 219 Versicherungsmonate, davon 201 Beitragsmonate erworben. Wenn auch zum Stichtag 1. Juli 1987 unter Berücksichtigung der Zeiten als Landwirt die Wartezeit erfüllt sei, könne ein Zuspruch der Witwenpension erst ab dem 1. Juli 1989, also ab dem Inkrafttreten des zweiten Zusatzabkommens erfolgen.

Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei gegen den stattgebenden Teil dieses Urteils erhobenen Berufung nicht Folge. Der Versicherungsfall des Todes, der den Anspruch auf Witwenpension nach § 258 ASVG begründe, gelte mit dem Tod des Versicherten eingetreten. Stichtag für die Feststellung der daraus erwachsenden Leistungen sei hier der auf den Eintritt des Versicherungsfalles folgende Monatserste, also der 1. Juli 1987. Die Fixierung des Stichtages durch den Tod des Versicherten werde durch die Antragstellung nicht beeinflußt und in diesem Fall könne auch keine Stichtagsverschiebung vorgenommen werden. Während bei der Invaliditätspension der Stichtag bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz verschoben werden könne und daher tatsächlich dem Schluß der Verhandlung erster Instanz entscheidende Bedeutung zukomme, sei dies bei der Witwenpension nicht der Fall, weil der Stichtag "unverrückbar mit dem Tod des Versicherten" feststehe. Auf Rechtsänderungen nach dem Schluß der Verhandlung erster Instanz sei grundsätzlich nicht Bedacht zu nehmen. Daß auf Rechtsänderungen nach dem Stichtag vor Schluß der Verhandlung erster Instanz nicht Bedacht genommen werden könne, lasse sich allerdings gerade dem hier anzuwendenden Art. 45 des Abkommens SozSi Jugoslawien nicht entnehmen, weil nur auf den Eintritt des Versicherungsfalles abgestellt und ausdrücklich die Anwendung der neuen Bestimmungen auch auf bereits eingetretene Versicherungsfälle vorgesehen sei. Da die Verhandlung erster Instanz nach dem Inkrafttreten des zweiten Zusatzabkommens geschlossen worden sei, könnten die Versicherungszeiten als assoziierter Landwirt auch auf den vor Inkrafttreten dieses Zusatzabkommens eingetretenen Versicherungsfall einbezogen werden. Unter Berücksichtigung der Zeiten als assoziierter Landwirt sei die Wartezeit in Form der ewigen Anwartschaft erfüllt, so daß das Erstgericht dem Klagebegehren zutreffend ab 1. Juli 1979 stattgegeben habe.

Die dagegen von der beklagten Partei erhobene Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 223 Abs. 2 ASVG ist Stichtag für die Feststellung, ob, in welchem Zweig der Pensionsversicherung und in welchem Ausmaß eine Leistung gebührt, der Eintritt des Versicherungsfalles, wenn er auf einen Monatsersten fällt, sonst der dem Eintritt des Versicherungsfalles folgende Monatserste. Wird jedoch der Antrag auf eine Leistung aus den Versicherungsfällen des Alters oder der geminderten Arbeitsfähigkeit erst nach Eintritt des Versicherungsfalles gestellt, so ist Stichtag für diese Feststellung der Zeitpunkt der Antragstellung, wenn er auf einen Monatsersten fällt, sonst der dem Zeitpunkt der Antragstellung folgende Monatserste. Da der Versicherungsfall bei Leistungen aus dem Versicherungsfall des Todes mit dem Tod als eingetreten gilt (§ 223 Abs. 1 Z 3 ASVG), ist im vorliegenden Fall Stichtag der 1. Juli 1987; eine spätere Antragstellung läßt diesen Stichtag unverändert. Gemäß § 86 Abs. 3 Z 1 ASVG fallen Hinterbliebenenpensionen mit Ausnahme solcher nach einem Pensionsempfänger mit dem Eintritt des Versicherungsfalles an, wenn der Antrag binnen 6 Monaten nach Eintritt des Versicherungsfalles gestellt wird. Zwischen den Parteien ist unstrittig, daß die Wartezeit für die Gewährung der Witwenpension zum 1. Juli 1987 nur dann erfüllt wäre, wenn die Versicherungszeiten mitberücksichtigt würden, die der Versicherte als assoziierter Landwirt erworben hat.

Das zweite Zusatzabkommen vom 11. Mai 1988 zum AbkSozSi Jugoslawien, BGBl. 1989/269, sieht als wesentliche Änderung unter anderem die Einbeziehung der selbständig Erwerbstätigen in den Geltungsbereich des Abkommens vor. Das zweite Zusatzabkommen trat gemäß der abschließenden Bestimmung in BGBl. 1989/269 am 1. Juli 1989 in Kraft. Mangels einer Rückwirkungsbestimmung für die hier relevante Regelung können die neuen Bestimmungen nur auf Fälle Anwendung finden, in denen der Stichtag nach dem 30. Juni 1989 lag, da erst mit Inkrafttreten des zweiten Zusatzabkommens am 1. Juli 1989 eine gesetzliche Grundlage für die Berücksichtigung der früher vom Abkommen ausgeschlossenen Zeiten bestand (7. November 1989, 10 Ob S 322/89 = SSV-NF 3/134; 19. Dezember 1989, 10 Ob S 423/89 ua).

Die Vorinstanzen sind von Art. 45 des Abkommens ausgegangen, wonach dieses Abkommen zwar keinen Anspruch auf Zahlung von Leistungen für die Zeit vor seinem Inkrafttreten begründet (Abs. 1), das Abkommen aber unbeschadet dessen auch für Versicherungsfälle gilt, die vor seinem Inkrafttreten eingetreten sind (Abs. 3). Die Bestimmungen des Art. 45 gelten nach Art. II Abs. 1 des zweiten Zusatzabkommens jedoch bei Anwendung des Abkommens in bezug auf die Pensionsversicherung nach dem GSVG und dem BSVG entsprechend, wobei anstelle des Zeitpunktes des Inkrafttretens des Abkommens der Zeitpunkt des Inkrafttretens des zweiten Zusatzabkommens tritt. Der genannte Artikel II sieht daher die entsprechende Anwendbarkeit der im Artikel 45 des Abkommens enthaltenen Übergangsbestimmungen auf die im Rahmen des Zusatzabkommens (Art. I Z 2) neu einbezogenen österreichischen Pensionsversicherungen nach dem GSVG und BSVG vor (ebenso 605 BlgNR XVII. GP 20). Der gegenständliche Artikel ist daher nunmehr für jene Fälle von Bedeutung, in denen österreichischerseits ausschließlich oder teilweise Versicherungszeiten nach dem GSVG bzw. BSVG erworben wurden (Fürböck/Teschner/Siedl/Spiegel, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht 5 a Jugoslawien, Lfg. 23, 87 Anm. 1 zu Art. 45). Die Übergangsregelung des Art. II Abs. 1 des Zusatzabkommens gilt also nur für jene Fälle, in denen die betreffende Person Versicherungszeiten in den österreichischen Pensionsversicherungssystemen der selbständig Erwerbstätigen erworben hat, kann aber nicht auf jene Fälle angewendet werden, in denen der Versicherungsfall des Todes vor dem 1. Juli 1989 eingetreten ist und jugoslawische Versicherungszeiten als selbständig Erwerbstätiger (assoziierter Landwirt) geltend gemacht werden. Da Art. II Abs. 1 des Zusatzabkommens die Anwendung der zunächst nur für das Stammabkommen vorgesehenen Übergangsbestimmung (Art. 45 des Abkommens) auf bestimmte - hier nicht gegebene - Fälle beschränkt, verbietet sich eine analoge Anwendung dieser Übergangsbestimmung auf andere Fälle. Im Fall der Klägerin bedeutet dies, daß die Versicherungszeiten, die ihr verstorbener Gatte als assoziierter Landwirt zurückgelegt hat, bei Prüfung der Wartezeit nicht zu berücksichtigen sind und daß daher die Wartezeit nicht erfüllt ist. Die Voraussetzungen für eine Gewährung der Witwenpension sind daher auch ab 1. Juli 1989 nicht gegeben.

In Stattgebung der Revision der beklagten Partei waren die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung abzuändern.

Mangels Verzeichnung von Kosten hatte eine Kostenentscheidung zu entfallen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte