Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird hinsichtlich der Höhe der dem Kläger ab 7.7.1980 gebührenden Alterspension bestätigt und im übrigen dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:
"Die beklagte Partei ist schuldig, von der Aufrechnung eines Betrages von 11.896,40 S Abstand zu nehmen."
Die beklagte Partei ist ferner schuldig, dem Kläger die mit 6.045,60 S (darin 549,60 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 2.059,20 S (darin 343,20 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.469,60 S (darin 411,60 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 14.10.1980 gewährte die beklagte Partei dem Kläger aufgrund seines am 31.12.1979 gestellten Antrags ab 1.1.1980 die Alterspension im gesetzlichen Ausmaß ohne Berücksichtigung von Versicherungszeiten aus der Bundesrepublik Deutschland. Die Höhe der Pension wurde aufgrund eines vor dem zuständigen Schiedsgericht abgeschlossenen Vregleiches mit Bescheid vom 8.9.1981 neu festgesetzt, wobei der Festsetzung 136 im Inland und 159 in Israel erworbene Versicherungsmonate zugrundegelegt wurden. Am 31.7.1986 stellte der Kläger bei der beklagten Partei den Antrag auf "Berichtigung" des Bescheides vom 8.9.1981 und brachte hiezu vor, daß er in der Zeit vom 1.4.1979 bis 31.5.1980 Beitragszeiten nach dem ASVG erworben habe (die in dem angeführten Bescheid nicht berücksichtigt wurden).
In einer mit 30.10.1986 datierten Antwort auf eine Anfrage der beklagten Partei teilte der Kläger dieser im Zusammenhang mit seinen Einkommensverhältnissen unter anderem mit, daß ihm in der Bundesrepublik Deutschland ab November 1986 eine Altersrente zuerkannt worden sei. Diese Antwort langte am 10.11.1986 bei der beklagten Partei ein, die den zuständigen Versicherungsträger der Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 13.11.1986 um die Bekanntgabe der dem Kläger gewährten Rente ersuchte. Mit einem Bescheid der beklagten Partei, der ebenfalls das Datum vom 13.11.1986 trägt, wurde die Alterspension des Klägers für die Zeit vom 1.1.1980 bis 31.12.1985 und ab 1.1.1986 der Höhe nach neu festgestellt, wobei nunmehr 137 im Inland und 159 in Israel, aber keine nach den Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland erworbene Versicherungsmonate berücksichtigt wurden. Im Bescheid heißt es, daß die Neufeststellung gemäß § 69 GSVG erfolgt und daß der Bescheid vom 8.9.1981 dadurch abgeändert wird.
Am 1.12.1987 langte bei der beklagten Partei eine Ablichtung des Bescheides des deutschen Versicherungsträgers vom 16.9.1986 ein, aus dem hervorgeht, daß der Anspruch des Klägers auf Altersruhegeld anerkannt und daß ihm ab 7.7.1980 eine Rente bezahlt wird. Der beklagten Partei wurde ferner mitgeteilt, daß die dem Kläger aufgrund des Bescheides gebührende Rentennachzahlung (in der Höhe von 43.289,40 DM) an seinen Vertreter ausbezahlt wurde. Mit Bescheid vom 26.1.1988 stellte die beklagte Partei die dem Kläger ab 7.7.1980 gebührende Alterspension neu fest, wobei darauf hingewiesen wurde, daß die Neufeststellung gemäß Art.30 AbkSozSi.-BRD vorgenommen werde, und sprach aus, daß der zuviel bezogene Vorschuß von 11.896,40 S gemäß § 71 GSVG mit der zu gewährenden Leistung verrechnet wird.
Der Kläger begehrte mit seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Klage, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm unter Anrechnung bereits erfolgter Zahlungen die Alterspension ab 1.1.1980 in der sich aus dem Bescheid vom 13.11.1986 ergebenden, ziffernmäßig angeführten Höhe und ab 1.1.1987 in der Höhe von 1.016,50 S monatlich zu bezahlen und von der Aufrechnung des Betrages von 11.896,40 S Abstand zu nehmen. Der Sachverhalt habe sich seit der Erlassung des Bescheides vom 13.11.1986 nicht geändert und seine Pension dürfe daher nicht neu festgestellt werden.
Die beklagte Partei wendete ein, daß sie gemäß Art.30 AbkSozSi.-BRD zur Neufeststellung der Pension berechtigt gewesen sei. In einem in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen vorbereitenden Schriftsatz brachte sie vor, sie sei nach nochmaliger Überprüfung zur Ansicht gelangt, daß der Überbezug nur mit der Nachzahlung des deutschen Versicherungsträgers verrechnet hätte werden dürfen. Da dieser die Nachzahlung nicht an sie überwiesen habe, sei eine Verrechnung des Mehrbezuges mit der laufenden Leistung nicht möglich.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rechtlich war es der Meinung, daß die Neufeststellung der Pension aufgrund des Art.30 Abs.2 AbkSozSi.-BRD gerechtfertigt gewesen sei. Die Rechtskraft des Bescheides vom 13.11.1986 stehe nicht entgegen, weil darin nur die neu hervorgekommenen österreichischen, nicht aber auch die deutschen Versicherungszeiten, die die beklagte Partei damals "konkret" noch nicht gekannt habe, berücksichtigt worden seien. Der Bescheid des deutschen Versicherungsträgers sei der beklagten Partei gegenüber zur Zeit der Erlassung des Bescheides vom 13.11.1986 noch nicht wirksam gewesen. Die Rückforderung des Überbezuges sei infolge Rückziehung des entsprechenden Begehrens der beklagten Partei nicht mehr Verfahrensgegenstand. Da der Bescheid durch die Klage zur Gänze außer Kraft getreten sei und daher ein Ausspruch über die Rückzahlungspflicht des Klägers nicht mehr bestehe, sei der betreffende Teil des Klagebegehrens vom Rechtsschutzinteresse des Klägers nicht mehr erfaßt.
Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es die beklagte Partei schuldig erkannte, dem Kläger die Alterspension ab 7.7.1980 in der im bekämpften Bescheid festgesetzten, ziffernmäßig angeführten Höhe zu bezahlen, ferner den Kläger schuldig erkannte, die aufrechnungsweise Hereinbringung eines Überbezugs von 11.896,40 S zu dulden, und schließlich das auf Bezahlung einer höheren Pension und auf Abstandnahme von der Aufrechnung und Rückforderung eines Überbezugs von 11.896,40 S gerichtete Mehrbegehren abwies. Aus Art.30 Abs.2 AbkSozSi.-BRD ergebe sich, daß das Hinzutreten eines deutschen Pensionsanspruchs des Versicherten den innerstaatlichen Versicherungsträger zur formlosen Wiederaufnahme des Pensionsverfahrens in einer Weise berechtige, als ob in der Bundesrepublik Deutschland der Anspruch auf eine Leistung im Zeitpunkt der Gewährung der innerstaatlichen Pension bereits bestanden hätte. Für diese Neufeststellung sei im Gesetz keine Frist bestimmt. Zweck der Bestimmung sei die wechselseitige Anpassung der Pensionsleistung in den Vertragsstaaten. Der Grundsatz der materiellen Rechtskraft müsse "bei dieser ganz speziellen Abstimmungsfrage" in den Hintergrund treten. Die beklagte Partei habe mit ihren im vorbereitenden Schriftsatz enthaltenen Ausführungen nur eine Rechtsansicht mitgeteilt, nicht jedoch ihren Prozeßstandpunkt aufgegeben. Es müsse daher über die Rückzahlung des Überbezuges erkannt werden. Obwohl dem Kläger die ihm in der Bundesrepublik Deutschland gebührende Nachzahlung abkommenswidrig unmittelbar ausbezahlt worden sei, weshalb die beklagte Partei nicht mehr im Sinne des Art.45 Abs.1 des Abkommens aufrechnen könne, sei es ihr nicht verwehrt, den von ihr gewährten Vorschuß nach der angeführten Bestimmung iVm § 71 Abs.3 Z 1 GSVG auf die von ihr zu erbringenden laufenden Geldleistungen aufzurechnen. Da der Bescheid vom 26.1.1988 durch die Einbringung der Klage außer Kraft getreten sei, müsse die dem Kläger gebührende Leistung im Urteil festgesetzt werden.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.
Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise berechtigt.
Besteht nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates auch ohne Berücksichtigung des Art.26 Abs.1 des AbkSozSi.-BRD BGBl.1969/382 idF BGBl.1975/280 und BGBl.1982/299 ein Leistungsanspruch, so gewährt gemäß Art.30 Abs.1 des Abkommens der zuständige Träger die ohne Anwendung "dieses Kapitels" zustehende Leistung, solange ein entsprechender Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates nicht besteht. Eine nach Art 30 Abs.1 des Abkommens festgestellte Leistung wird gemäß dem nachfolgenden Abs.2 nach "diesem Kapitel" neu festgestellt, wenn ein entsprechender Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates entsteht. Die Neufeststellung erfolgt mit Wirkung vom Tag des Beginns der Leistung nach den Rechtsvorschriften dieses Vertragsstaates. Die Rechtskraft früherer Entscheidungen steht der Neufeststellung nicht entgegen.
Der Kläger meint in der Revision, daß die zuletzt wiedergegebene Bestimmung des Abkommens die Rechtskraft innerstaatlicher Bescheide nur für den Fall durchbreche, daß die Leistung im anderen Vertragsstaat nachträglich, also nach Festsetzung der innerstaatlichen Leistung, zuerkannt wird. Hier hindere die Rechtskraft des Bescheides vom 13.11.1986 daher die Neufeststellung seiner Pension, weil zur Zeit der Erlassung dieses Bescheides die deutsche Rente schon zuerkannt worden und dies der beklagten Partei auch bekannt gewesen sei.
Hiezu ist einmal anzumerken, daß bei Zutreffen dieser Auffassung der Anordnung im Art.30 Abs.2 letzter Satz des Abkommens, wonach die Rechtskraft früherer Entscheidungen der Neufeststellung nicht entgegensteht, ohne rechtliche Bedeutung wäre, weil es allgemein anerkannt ist, daß bei Änderung des Sachverhalts eine neue Entscheidung ohne Bindung an frühere Entscheidungen getroffen werden kann (in Österreich für den Bereich des Verwaltungsverfahrens etwa Walter-Mayer, Verwaltungsverfahren4 Rz 482 f; VwSlg.8035 A/1971 ua;
für das gerichtliche Verfahren Fasching, ZPR 1531, 2062; SZ 48/113;
EvBl.1987/18 ua; in der BRD etwa Rosenberg-Schwab, ZPR14 987;
Leipold in Stein-Jonas, ZPO20 § 322 Rz 236 ff).
Aber selbst wenn man annimmt, daß im Abkommen nur etwas festgelegt wurde, was sich schon aus den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen ergibt, ist für den Kläger nichts gewonnen. Die Rechtskraft erfaßt nämlich immer nur einen identen Sachverhalt und daher nicht einen Sachverhalt, der nicht den Gegenstand der Entscheidung bildete, und zwar unabhängig davon, ob er zur Zeit der Entscheidung schon gegeben war (vgl. Walter-Mayer aaO; Fasching aaO Rz 1535; RZ 1969, 135 ua) oder erst nachträglich eingetreten ist. Der Bescheid vom 13.11.1986 erging über den Antrag des Klägers auf "Berichtigung" des Bescheides vom 8.9.1981, den Antrag stützte der Kläger auf den Erwerb von zusätzlichen österreichischen Versicherungszeiten. Im Spruch des zuerst genannten Bescheides wird ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, daß dadurch gemäß § 69 GSVG der gesetzliche Zustand bei der durch den Bescheid vom 8.9.1981 zuerkannten Leistung, die nur auf Grund von österreichischen und israelischen, nicht jedoch auf Grund von deutschen Versicherungszeiten festgesetzt wurde, hergestellt werden soll. Gegenstand des Bescheides vom 13.11.1986 war allein die Frage, welcher Anspruch dem Kläger auf Grund der in Österreich und in Israel erworbenen Versicherungszeiten zusteht. Die in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Versicherungszeiten waren nicht Teil des Sachverhaltes, über den mit dem Bescheid entschieden wurde. Die Erwägungen, die der Kläger in der Revision zur Auslegung des Abkommens und zur Bindung der Versicherungsträger an rechtskräftige Bescheide anstellt, sind daher nicht zielführend, weil der mit der Klage bekämpften Neufeststellung seiner Pension die Rechtskraft des Bescheides vom 13.11.1986 mangels Identität der Sache nicht entgegensteht.
Der Oberste Gerichtshof billigt aus diesem Grund die vom Berufungsgericht vorgenommene Neufeststellung der Pension des Klägers. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Aufrechnung kann jedoch nicht aufrecht erhalten werden. Bei der Auslegung einer Prozeßhandlung kommt es darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Prozeßzwecks und der dem Gericht und Gegner bekannten Prozeß- und Aktenlage objektiv verstanden werden muß (Fasching aaO Rz 757). Unter diesem Gesichtspunkt kann die Erklärung, welche die beklagte Partei in ihrem vorbereitenden Schriftsatz zur Aufrechnung abgab, nicht bloß als - folgenlose - Mitteilung einer Rechtsansicht verstanden werden, sondern es muß daraus das - aus dieser Rechtsansicht folgende - Anerkenntnis des Begehrens des Klägers auf Abstandnahme von der Aufrechnung abgeleitet werden. Ob diese gewollt war, ist ebensowenig entscheidend wie der vom Berufungsgericht angeführte Umstand, daß kein "ausdrückliches" Anerkenntnis vorlag, also nicht das Wort "anerkennen" verwendet wurde. Es genügt, daß die Prozeßhandlung objektiv als Anerkenntnis verstanden werden mußte. Das Erstgericht hätte daher dem die Aufrechnung betreffenden Teil des Klagebegehrens aufgrund des Anerkenntnisses stattgeben müssen, das Berufungsgericht hätte ihn nicht abweisen dürfen. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes fehlt dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis nicht, weil die beklagte Partei ohne einen entsprechenden Ausspruch im Urteil die Möglichkeit hätte, die Aufrechnung in einem gesonderten Bescheid zu verfügen. Aufgrund der Revision des Klägers war daher dieser Teil des angefochtenen Urteils im Sinn des Klagebegehrens abzuändern.
Der Ausspruch über die Verfahrenskosten beruht auf § 77 Abs.1 Z 2 lit.a ASGG.
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