OGH 10ObS2431/96i

OGH10ObS2431/96i13.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer und Dr. Ehmayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Leopold Smrcka (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Vojislav M*****, vertreten durch Dr.Dipl.Dolm. Johann Zivic, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. September 1996, GZ 8 Rs 214/96s-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. April 1996, GZ 13 Cgs 80/95i-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ab 1.10.1994 eine Alterspension im Betrag von 1.117,90 S und ab 1.1.1995 eine solche im Betrag von 1.149,20 S zu zahlen.

Das weitere Begehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die Alterspension in der gesetzlichen Höhe für die Zeit vom 1.7.1989 bis 30.9.1994 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.058,88 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 676,48 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger stellte am 25.11.1987 beim zuständigen jugoslawischen Versicherungsträger (Selbstverwaltungsinteressengemeinschaft der Republik für die Pensions- und Invalidenversicherung der selbständig Erwerbstätigen) einen Antrag auf Gewährung der Alterspension. Der jugoslawische Versicherungsträger erließ hierüber am 3.3.1988 einen vorläufigen Bescheid. Nachdem der Versicherungsträger ergänzende Daten erhoben hatte, erging ohne weiteren Antrag des Klägers von Amts wegen der Bescheid vom 3.12.1990, mit dem der Anspruch des Klägers auf eine monatliche Alterspension ab 1.7.1989 im Betrag von 1,96 Dinar festgestellt wurde. In der Begründung des Bescheides wurde darauf hingewiesen, daß der jugoslawische Versicherungsträger bezüglich der Zeiten, die der Kläger in Österreich erworben hatte, ein Verfahren beim zuständigen Organ der Sozialversicherung in Österreich einleiten werde.

Am 8.2.1988 stellte der Kläger bei der beklagten Partei einen Antrag auf Zuerkennung der Alterspension. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der beklagten Partei vom 12.9.1988 abgewiesen, weil nach den damals in Geltung gestandenen Bestimmungen die Wartezeit nicht erfüllt war.

Am 20.9.1994 stellte der Kläger bei der beklagten Partei neuerlich einen Antrag auf Gewährung der Alterspension.

Mit dem angefochtenen Bescheid anerkannte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf Alterspension ab 1.10.1994 und stellte die Leistung in der aus dem Spruch ersichtlichen Höhe fest.

Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrt der Kläger, die beklagte Partei zu verpflichten, die Alterspension bereits ab 1.7.1989 zu zahlen. Der Anspruch bestehe ab diesem Zeitpunkt, weil durch das mit 1.7.1989 in Kraft getretene Zweite Zusatzabkommen zum AbkSozSi-Jugoslawien die Berücksichtigung von Versicherungszeiten als Landwirt angeordnet worden sei, unter deren Berücksichtigung er die Wartezeit erfülle. Die Antragstellung in Jugoslawien sei auch für den österreichischen Leistungsanspruch wirksam. Der jugoslawische Versicherungsträger habe auch in seinem Bescheid ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Einleitung des Verfahrens in Österreich veranlaßt werde. Die beklagte Partei hätte hierauf reagieren und ein neues Verfahren einleiten müssen; der Kläger habe auf diese Vorgangsweise vertrauen können.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Nach Entscheidung über den Antrag des Klägers vom 8.2.1988 sei bis 20.9.1994 kein neuer Antrag gestellt worden, sodaß kein Anspruch auf eine Pensionsleistung für die Zeit vor dem 1.10.1994 bestehe.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers, die beklagte Partei zu verpflichten, dem Kläger die Alterspension ab dem 1.7.1989 zuzuerkennen und ihm die Leistung für die Zeit vom 1.7.1989 bis 30.9.1994 nachzuzahlen, ab. Auszugehen sei vom Antragsprinzip. Der Kläger habe insgesamt 3 Anträge gestellt. Der erste Antrag vom 25.11.1987 habe zur Erlassung des vorläufigen Bescheides vom 3.3.1988 und des endgültigen Bescheides durch den jugoslawischen Versicherungsträger geführt. Der zweite Antrag vom 8.2.1988 beim österreichischen Versicherungsträger sei von diesem mit Bescheid vom 12.9.1988 abgewiesen worden. Darüberhinaus liege nur der Antrag vom September 1994 vor, durch den der Stichtag 1.10.1994 ausgelöst worden sei, ab dem die Leistung mit dem angefochtenen Bescheid zuerkannt worden sei. Der Hinweis des jugoslawischen Versicherungsträgers auf die Einleitung eines Verfahrens beim Träger der österreichischen Sozialversicherung habe sich nur auf den Antrag des Klägers vom 25.11.1987 beziehen können, der jedoch zeitlich vor der Entscheidung der beklagten Partei über den Antrag des Klägers vom 8.2.1988 gelegen sei. Der Vertrauensgrundsatz könne im Sozialversicherungsrecht nicht zur Begründung von Anspruchsvoraussetzungen führen. Das Inkrafttreten des Zweiten Zusatzabkommens zum AbkSozSi-Jugoslawien habe die beklagte Partei nicht zur amtswegigen Überprüfung des Anspruches des Klägers verpflichtet.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, wobei es der Rechtsansicht des Erstgerichtes beitrat.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Begehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur teilweise berechtigt.

Dem vom Kläger in seinem Rechtsmittel vertretenen Rechtsstandpunkt kann allerdings nicht gefolgt werden.

Für die Feststellung von Leistungsansprüchen in der Pensionsversicherung gilt das Antragsprinzip (§ 361 Abs 1 Z 1 ASVG); eine Leistungsgewährung ist daher nur aufgrund eines Antrages zulässig. Für die verfahrensrechtliche Bewertung von Anträgen, das sind Willenserklärungen Privater im Bereich des öffentlichen Rechts, gelten - wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (SSV-NF 4/22) - analog die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nicht nach allgemeinen Verwaltungsrechtsgrundsätzen oder den besonderen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes ausdrücklich Abweichendes festgelegt ist. Danach ist schon wegen der der Behörde ganz allgemein obliegenden Betreuungspflicht anzunehmen, daß der Sozialversicherungsträger durch entsprechende Belehrungen und Auskünfte auf eine Antragstellung hinzuwirken hat, die den rechtlichen Interessen von Anspruchswerbern weitestgehend Rechnung trägt. Zusätzlich muß bei der Beurteilung von Anträgen durch die Sozialversicherungsträger im Geiste sozialer Rechtsanwendung vorgegangen werden, dh der Antrag im Zweifel zugunsten des Versicherten ausgelegt werden. Die Fiktion eines tatsächlich nicht gestellten Antrages läßt sich freilich auch aus den Grundsätzen sozialer Rechtsanwendung nicht ableiten (SSV-NF 5/35).

Gemäß Art 41 AbkSozSi-Jugoslawien sind ua Anträge, die in Anwendung des Abkommens oder der Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates bei einer Behörde, einem Versicherungsträger oder einer sonstigen zuständigen Einrichtung eines Vertragsstaates eingereicht werden, als bei einer Behörde, einem Versicherungsträger oder einer sonstigen zuständigen Einrichtung des anderen Vertragsstaates eingereichte Anträge anzusehen.

Hier hat der Kläger am 25.11.1987 beim Versicherungsträger in Jugoslawien einen Antrag auf Gewährung der Alterspension eingebracht, der damit gemäß Art 41 AbkSozSi-Jugoslawien auch als Antrag auf Gewährung der entsprechenden Leistung aus der österreichischen Sozialversicherung zu werten ist. Zusätzlich brachte er beim österreichischen Versicherungsträger am 8.2.1988 einen Antrag auf Gewährung der Alterspension ein. Gegenstand des Verfahrens bei der beklagten Partei waren daher beide Anträge, die ein identes Begehren zum Gegenstand hatten. Mit dem Bescheid der beklagten Partei vom 12.9.1988 wurde daher auch über den am 25.11.1987 beim jugoslawischen Versicherungsträger gestellte Antrag des Klägers auf Gewährung der Alterspension für den österreichischen Rechtsbereich abgesprochen. Nach Erlassung dieses Bescheides war daher kein Antrag des Klägers offen.

Ein weiterer Antrag des Klägers wurde erst am 20.9.1994 gestellt, durch den der Stichtag 1.10.1994 ausgelöst wurde (§ 223 Abs 2 ASVG) was zum Anfall der Pension mit dem Stichtag führte (§ 86 Abs 3 Z 2 ASVG).

Der Mitteilung des jugoslawischen Versicherungsträgers in der Begründung des Bescheides vom 3.12.1990, daß dieser die Einleitung eines Verfahrens beim österreichischen Versicherungsträger veranlassen werde kommt für die hier zu entscheidende Frage keine Bedeutung zu. Auch wenn der Kläger im Hinblick auf diese Ausführungen darauf vertraute, daß nunmehr ein Verfahren über seinen österreichischen Pensionsanspruch eingeleitet werde, konnte dies eine Antragstellung durch ihn nicht ersetzen. Dafür, daß der jugoslawische Versicherungsträger bei seiner Mitteilung im Vollmachtsnamen des Klägers aufgetreten wäre, ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt. Aus der Mitteilung ergab sich vielmehr nur, daß der jugoslawische Versicherungsträger die nach dem Abkommen vorgesehene Verständigung des österreichischen Versicherungsträgers vornehmen werde. Im Hinblick darauf, daß der seinerzeit in Jugoslawien gestellte Antrag des Klägers durch den Bescheid der beklagten Partei vom 12.9.1988 bereits erledigt war, hätte es zur Einleitung eines Verfahrens bei der beklagten Partei aber eines Antrages des Klägers bedurft. Ein solcher wurde jedoch nach der bescheidmäßigen Erledigung vom 12.9.1988 erstmals am 20.9.1994 gestellt. Die Vorinstanzen haben daher den Anspruch des Klägers auf Gewährung der Alterspension für die Zeit vor dem 1.10.1994 zu Recht verneint.

Die Vorinstanzen übersahen jedoch, daß gemäß § 71 Abs 1 ASGG der bekämpfte Bescheid durch die Einbringung der Klage außer Kraft trat, was auch dann der Fall ist, wenn in der Klage eine Leistung von einem früheren als von dem im Bescheid genannten Zeitpunkt an begehrt wird. Dies hat zur Folge, daß dem Klagebegehren insoweit stattzugeben gewesen wäre, als der Pensionsanspruch des Klägers nach dem Inhalt des Bescheides zu Recht besteht, weil das Urteil an die Stelle des Bescheides tritt und anderenfalls keine rechtliche Grundlage für die Leistung der Pension bestünde. In diesem Sinne war das angefochtene Urteil abzuändern.

Da die Revision des Klägers in diesem Umfang erfolgreich war, waren ihm gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG die Kosten des Revisionsverfahrens zuzuerkennen.

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