Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 11.4.1916 geborene Klägerin war in der Zeit vom 1.1.1961 bis 31.12.1965 nach den Bestimmungen des BSVG und vom 1.5.1966 bis 31.12.1979 nach dem GSVG pflichtversichert. Ab 1.1.1980 war sie sowohl nach dem GSVG wie auch nach dem BSVG in der Pensionsversicherung pflichtversichert. Sie bezieht seit 1.1.1982 eine Alterspension von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft. Sie ist nach wie vor Betriebsführerin und nach dem BSVG pflichtversichert.
Mit Bescheid vom 7.4.1995 lehnte die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Bauern den Antrag der Klägerin vom 22.12.1994 auf Gewährung einer Alterspension mit der Begründung ab, sie beziehe bereits eine Alterspension nach dem GSVG.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin fristgerecht Klage mit dem Begehren, die Beklagte sei schuldig, ihr ab 22.12.1994 eine Alterspension für sämtliche ab dem 1.1.1961 erworbenen Beitragszeiten gemäß § 121 BSVG zu gewähren. Dazu brachte sie vor, sie habe das 60. Lebensjahr bereits am 14.4.1976 vollendet und die Wartezeit erfüllt. Die Ansicht der Beklagten, eine weitere Alterspension sei ausgeschlossen, sei nicht stichhältig, weil § 121 Abs 2 BSVG eine Reduktion der Alterspension auf eine Teilpension vorsehe, wenn der Versicherte eine die Versicherungspflicht nach dem BSVG, dem ASVG oder dem GSVG begründende Erwerbstätigkeit ausübe. Die Klägerin sei nach Erreichen des für den Anfall der Pension nach dem BSVG erforderlichen Alters weiterhin pflichtversichert gewesen, habe weitere Beitragsmonate erworben und dafür auch Pensionsversicherungsbeiträge bezahlt. Einem Anspruch auf Alterspension stehe nicht entgegen, daß der Pensionsberechtigte bereits eine Pension von einem anderen Versicherungsträger beziehe. Würde dem BSVG unterstellt werden, daß zwei Alterspensionen, nämlich eine solche der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und jene der Sozialversicherungsanstalt der Bauern nicht miteinander gewährt werden könnten, wäre das Gesetz in diesem Punkt verfassungswidrig, weil man einem Bürger nicht die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung und damit Beitragszahlungen aufbürden könne, dann bei Eintritt des Versicherungsfalles des Alters aber die Pension mit dem Hinweis darauf versage, er sei bereits im Genuß einer anderen Pension. Die davon abweichende ältere Judikatur des Verfassungsgerichtshofs lasse sich nicht mehr aufrecht erhalten, weil sie dem Versicherungsgedanken und der Beitragsverpflichtung widerspreche.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß bei der Pensionsberechnung anläßlich der Pensionsgewährung durch die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zum Stichtag 1.1.1982 auch alle vor dem Stichtag liegenden Zeiten nach dem BSVG berücksichtigt worden seien. Die Entrichtung von Pensionsbeiträgen müßte nicht notwendigerweise zu einer Leistung führen, weil der österreichischen Sozialversicherung der Gedanke der individuellen Äquivalenz nicht immanent sei. Beiträge und Leistungen stünden nicht in einem unmittelbaren versicherungsmathematischen Zusammenhang. Auch aus dem BSVG sei der Grundsatz, es könne nur eine Alterspension bezogen werden, ableitbar. Werde etwa eine Gleitpension in Anspruch genommen und eine im Zusammenhang mit dieser stehende unselbständige Erwerbstätigkeit eingestellt, bestünde die Möglichkeit entweder zum Weiterbezug der Gleitpension oder Bezug einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer unter gleichzeitigem Verzicht auf die Gleitpension. Gegen die Auffassung der Klägerin spreche auch § 100 Abs 2 ASVG, wonach der Anspruch auf eine laufende Leistung aus eigener Pensionsversicherung mit dem Anfall eines Anspruchs auf eine andere laufende Leistung aus eigener Pensionsversicherung nach dem ASVG, GSVG oder BSVG erlösche.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, daß anläßlich der Pensionsgewährung durch die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zum Stichtag 1.1.1982 neben dem GSVG auch alle vor dem Stichtag erworbenen Versicherungszeiten nach dem BSVG Berücksichtigung gefunden hätten. Die Klägerin habe die Wartezeit gemäß § 111 Abs 3 Z 2 lit a und Abs 4 Z 2 BSVG nicht erfüllt, überdies stünde ihr selbst nach Erfüllung der Wartezeit keine weitere Alterspension nach dem BSVG zu.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Der Gesetzgeber gehe insgesamt von einem einheitlichen Versicherungsfall des Alters aus. Dies ergebe sich aus den §§ 251a ASVG, 129 GSVG und 120 BSVG über die Wanderversicherung. Insoweit bestehe eine einheitliche Riskengemeinschaft (SSV 25/110; SSV-NF 8/34). Es sei daher grundsätzlich nur eine einheitliche Alterspension zu leisten. Nach § 130 Abs 2 GSVG gebühre die Alterspension ab Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die eine Versicherungspflicht nach dem GSVG, dem ASVG oder auch dem BSVG begründe, nur als Teilpension im näher geregelten Umfang. Genau das sei der Fall der Klägerin. Entsprechend der einheitlichen Riskengemeinschaft sei also ohne Relevanz, ob die - nach Pensionierung - ausgeübte Tätigkeit nun nach dem GSVG, dem BSVG oder dem ASVG erfaßt werde. Dementsprechend sehe § 143 GSVG (Erhöhung von Leistungen aus dem Versicherungsfall des Alters bei Inanspruchnahme einer Teilpension bzw bei Wegfall der Pension) unabhängig von der Zuordnung der Versicherungszeiten vor, daß bei Einstellung der maßgeblichen Erwerbstätigkeit ein Steigerungsbetrag gebühre. (Allerdings seien diese Bestimmungen zwar mit 1.7.1993 in Kraft getreten, jedoch nur auf Fälle anzuwenden, deren Stichtag nach dem 30.6.1993 liege). Das System der Wanderversicherung habe jedoch auch vorher darauf Bedacht genommen, daß nach Anfall einer Alterspension in anderen Versicherungsbereichen weitere Beitragsmonate entstehen. Nach § 140 GSVG (Fassung vor der 8. Novelle) gebührte für max. 36 Beitragsmonate unter anderem nach dem BSVG ein Zuschlag zur Alterspension. Diese Bestimmung sei nach Art 2 Abs 5 der Übergangsbestimmungen zur 8. GSVG-Novelle (BGBl 1983/591) für Beitragsmonate unter anderem nach dem BSVG bis 31.12.1993 weiter anzuwenden. Davon abgesehen habe die Klägerin auch die Wartezeit nach dem BSVG nicht erfüllt. Nach § 111 Abs 3 und 4 BSVG betrage diese 180 Monate innerhalb der letzten 360 Kalendermonate vor dem Stichtag (hier 1.1.1995). Seit 1.1.1982 (Anfall der GSVG-Pension) habe die Klägerin nicht die erforderlichen 180 Monate erreicht. Die Beitragsmonate von 1961 bis 1965 seien nicht erneut zu berücksichtigen, weil sie bereits bei der GSVG-Pension berücksichtigt worden seien; die Monate der Doppelversicherung zählten nur als GSVG-Monate.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern.
Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Nach Ansicht der Klägerin ergebe sich aus der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes ein grobes Mißverhältnis zwischen Leistung (obligatorischen Versicherungsbeiträgen) und Gegenleistung (Pension), also eine massive Äquivalenzstörung. Das Argument, wonach die Angehörigen der einzelnen Sozialversicherungsgemeinschaften eine einheitliche Riskengemeinschaft bilden, sei auch aus dem Gesichtspunkt nicht stichhältig, daß diese Angehörigen je nach Zugehörigkeit zu ihrem Sozialversicherungsträger völlig unterschiedlich behandelt würden. Konsequenterweise dürfte es nur eine Beitragspflicht geben, auch wenn ein Versicherter mehreren Sozialversicherungsgemeinschaften angehört. Hingegen lege das Gesetz die doppelte Beitragspflicht bei der Mehrfachversicherung auf. Auch hinsichtlich der Wartezeit sei nicht berücksichtigt worden, daß die Klägerin in den Beitragsmonaten von 1961 bis 1965 Pflichtbeiträge sowohl nach dem GSVG wie auch nach dem BSVG leisten habe müssen. Die entgegenstehende Judikatur des Verfassungsgerichtshofs liege bereits Jahre zurück, weshalb der Oberste Gerichtshof mit Rücksicht auf die in der Revision vorgetragenen Argumente einen Antrag auf Aufhebung der Bestimmungen über die Wanderversicherungen beim Verfassungsgerichtshof stellen möge, wenn man diesen oder anderen Bestimmungen des BSVG unterstelle, daß ein Antrag auf Alterspension unzulässig wäre, wenn der Versicherte bereits einen Anspruch auf Alterspension von einem anderen Sozialversicherungsträger habe.
Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:
Anspruch auf Alterspension hat der Versicherte nach Vollendung des 65. Lebensjahres, die Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres, wenn die Wartezeit erfüllt ist (§ 253 Abs 1 ASVG, § 130 Abs 1 GSVG, § 121 Abs 1 BSVG). Die Anspruchsvoraussetzung der Erreichung eines bestimmten Lebensalters beruht auf der Zweckbestimmung der Pensionsversicherungen, einen Ersatz für den durch das Absinken der Arbeitskraft bedingten Entfall des Arbeitseinkommens zu schaffen (Teschner in Tomandl, SV-System 7. Ergänzungslieferung 359; Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 85 BlgNR 18. GP, 2 zum Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 1991; vgl auch 10 ObS 2064/96v).
Schon das Oberlandesgericht Wien als damals letzte Instanz in Leistungsstreitsachen hat mit ausführlicher Begründung entschieden, daß ein Versicherter keinen Anspruch auf eine zweite Alterspension habe (SSV 25/110). Bereits nach § 254 Abs 3 der Stammfassung des ASVG habe ein Anspruch auf Invaliditätsrente nach Anfall einer Rente aus dem Versicherungsfall des Alters nicht mehr entstehen sollen; nach Anfall einer Altersrente zurückgelegte Versicherungszeiten hätten nur noch mit Wirkung auf eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Todes erworben werden können. Diese Bestimmungen seien wiederholt geändert worden, hätten jedoch in ihren wesentlichen Grundsätzen keine Änderung erfahren. Nach den Materialien (404 BlgNR 13. GP, 61 f) hätten sich die vom Ruhen nach § 94 ASVG betroffenen Pensionisten immer wieder darüber beklagt, daß sie zwar aufgrund ihres Erwerbseinkommens Beiträge zur Pensionsversicherung zu bezahlen hätten, für diese Beiträge aber keine Gegenleistung erhielten. Die nach dem Stichtag für die Alterspension erworbenen Versicherungszeiten könnten erst bei Eintritt des nächsten Versicherungsfalles - also des Todes - Berücksichtigung finden und wirkten sich sohin erst in den Hinterbliebenenpensionen aus. Bereits aus diesen Gesetzesmaterialien ergebe sich eindeutig, daß von einer zweiten Alterspension keine Rede sein könnte. Den angeführten Beschwerden Rechnung tragend sei ab 1.1.1973 jedem Bezieher einer Alterspension, der wieder erwerbstätig wurde, für je 12 erworbene Beitragsmonate ein Zuschlag zur Alterspension gewährt worden. Im übrigen sei bereits anläßlich der 29. ASVG-Novelle auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hingewiesen worden, wonach die Sozialversicherung von dem Grundgedanken getragen werde, daß die Angehörigen der einzelnen Sozialversicherungsgemeinschaften eine Riskengemeinschaft bildeten, in der der Versorgungsgedanke im Vordergrund stehe, der den Versicherungsgedanken in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückdränge. Auch aus der mit der 39. ASVG-Novelle erfolgten Aufhebung der Bestimmung des § 261 a ASVG könne nicht geschlossen werden, daß damit der Gesetzgeber die Erwerbung einer zweiten Alterspension hätte ermöglichen wollen. Wie sich aus den Materialien (80 BlgNr. 16. GP, 1) entnehmen lasse, sei genau das Gegenteil der Fall gewesen. In die gleiche Richtung gingen die Änderungen der Ruhensbestimmungen mit der 39. ASVG-Novelle und die Bestimmungen über den Wegfall der Bonifikation bei Aufschub der Geltendmachung der Alterspension (§ 261 b ASVG). Auch aus den Materialien zur 39. ASVG-Novelle ergebe sich, daß der Gesetzgeber keinesfalls die Erwerbung einer weiteren Alterspension habe ermöglichen wollen. Auch nach § 254 Abs 3 ASVG sollte nach Anfall einer Pension aus einem Versicherungsfall des Alters kein Anspruch auf Invaliditätspension mehr entstehen. Schließlich bringe auch die Bedachtnahme auf § 100 Abs 2 ASVG kein anderes Ergebnis. Die Aufnahme des Grundsatzes, daß nicht mehrere direkte Renten nebeneinander gebührten, sei deswegen notwendig gewesen, weil die Invalidenrente, das Ruhegeld und die Knappschaftsvollrente je in zwei selbständige Leistungen zerlegt worden sei und zwar in je eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Alters und aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit, die bei Zutreffen ihrer Voraussetzungen nebeneinander anfallen und gebühren hätten können, was nicht beabsichtigt gewesen sei.
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung SSV-NF 8/34 ausgesprochen, daß sich die Erreichung eines bestimmten Alters als ein singuläres Ereignis im Leben eines Menschen darstellt, das nicht mehrere Male eintreten kann. Ist der Versicherungsfall des Alters durch Erreichung des Anfallsalters einmal eingetreten, so ist ein Abgehen hievon denkunmöglich; das Anfallsalter steht an einem späteren Stichtag nicht mehr zur Prüfung an, weil es ohne dessen Erreichen und demgemäß ohne Eintritt des Versicherungsfalles gar keinen Stichtag gäbe. Dieser Grundsatz ist auch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Nach § 223 Abs 1 Z 1 ASVG (ebenso § 113 Abs 1 Z 1 GSVG und § 104 Abs 1 Z 1 BSVG) gilt der Versicherungsfall des Alters mit der Erreichung des Anfallsalters als eingetreten. Stichtag für die Feststellung, ob, in welchem Zweig der Pensionsversicherung und in welchem Ausmaß eine Leistung gebührt, ist ein Eintritt des Versicherungsfalles, wenn er auf einen Monatsersten fällt; wird jedoch der Antrag auf eine Leistung - auch aus dem Versicherungsfällen des Alters - gestellt, so ist Stichtag für diese Feststellung der Zeitpunkt der Antragstellung (§ 223 Abs 2 ASVG, § 113 Abs 2 GSVG, § 104 Abs 2 BSVG). Versicherungfall und Stichtag können hiebei durchaus auseinanderfallen und der Stichtag auch erst nach Eintritt des Versicherungsfalles liegen. Bereits die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung des ASVG (599 BlgNR 7. GP, 69) führen dazu aus, daß es dem Versicherten nicht verwehrt werden solle, einen Leistungsanspruch aus einem Versicherungsfall des Alters .... nicht gleichzeitig mit dem Eintritt des Versicherungsfalles, sondern erst später geltend zu machen, etwa weil er zur Verbesserung der Rente noch Versicherungszeiten erwerben wolle oder dergleichen.
Wird aber durch einen derartigen Antrag auf Pensionsgewährung ein Stichtag ausgelöst und damit ein Leistungsanspruch erworben, so ist der Versicherungsfall damit "konsumiert". Es ist ausgeschlossen, daß ein Versicherter, der bereits einen Anspruch auf Alterspension realisiert hat, auch dann, wenn er später weitere Versicherungszeiten erworben hat, neuerlich einen Anspruch auf Alterspension geltend machen kann. Die Voraussetzung - Erreichen des 65. bzw 60. Lebensjahres - ist in beiden Fällen dieselbe; es handelt sich um einen identischen Versicherungsfall, über den bereits entschieden wurde.
Für dieses Ergebnis spricht auch das dem österreichischen Sozialversicherungsrecht immanente System der Wanderversicherung. Von einer solchen spricht man dann, wenn Versicherungszeiten in verschiedenen Versicherungen vorhanden sind und die einzelnen Versicherungsträger auf die in der anderen Versicherung erworbenen Versicherungszeiten in irgendeiner Weise Bedacht nehmen, um zu verhindern, daß einem Versicherten beim Wechsel der Versicherung (etwa beim Übergang von der Selbständigkeit zur Unselbständigkeit und zurück) ein Nachteil in dem Sinne erwächst, daß die in vorangegangenen Versicherungen erworbenen Anwartschaften verloren gehen oder bei der Renten(Pensions)leistung nicht berücksichtigt werden (s. dazu Teschner aaO 419 ff). Hat ein Versicherter Versicherungsmonate in verschiedenen Pensionsversicherungen (ASVG, GSVG oder BSVG) erworben, so kommen nach der derzeit geltenden gesetzlichen Regelung (§ 251a Abs 1 ASVG, § 129 Abs 1 GSVG, § 120 Abs 1 BSVG) die Leistungen nur und ausschließlich aus der Pensionsversicherung in Betracht, der er zugehörig ist; dies gilt auch für den Versicherungsfall des Alters. Der Gesetzgeber hat damit die Frage der Leistungszuständigkeit der Pensionsversicherungsträger innerhalb der verschiedenen Zweige der Pensionsversicherung dahingehend gelöst, daß ein nicht nur nach dem ASVG, sondern auch nach dem GSVG und/oder dem BSVG versicherter Pensionswerber Leistungen in Form einer "einheitlichen" Pension nur aus jener Pensionsversicherung erhalten kann, in der er in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag die größere Anzahl von Versicherungsmonaten erworben hat, ohne daß wechselseitige Ausgleichszahlungen vorgesehen sind (siehe die ausführliche Darstellung bei Radner/Windhager ua, Bauernsozialversicherung3 508ff Anm 1ff zu § 120 BSVG).
Daß die Klägerin eine Pension nach dem GSVG bezieht und nachfolgend Versicherungszeiten nach dem BSVG erworben hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach den wiedergegebenen Grundsätzen der Wanderversicherung hat der leistungszuständige Versicherungsträger alle Zeiten zu behandeln, wie wenn sie bei ihm (allein) zurückgelegt worden wären. Grundsätzlich gebührt demnach nur eine Pension, auch wenn Versicherungszeiten nach verschiedenen Systemen erworben wurden. Daraus, daß für einen solchen Versicherungsfall nur ein Versicherungsträger zuständig ist, der auch die in anderen Zweigen erworbenen Zeiten zu berücksichtigen hat, ergibt sich, daß dieser den Versicherungsfall mit Wirkung für alle Versicherungsträger zu entscheiden hat. Ein Versicherungsfall kann daher nicht nur in einem Zweig der Pensionsversicherung, sondern in allen Zweigen der Pensionsversicherung nur einmal eintreten.
Aus Regelungsinhalt und Systematik auch sonstiger Bestimmungen ergibt sich die Absicht des Gesetzgebers, Tatbestände, die in verschiedenen Versicherungssystemen verwirklicht werden, weitgehend gleich zu behandeln. So ist zunächst aus § 100 Abs 2 ASVG, § 68 Abs 2 GSVG und § 64 Abs 2 BSVG - jeweils betreffend das Erlöschen von Leistungsansprüchen aus der einen Pensionsversicherung mit dem Anfall von Leistungen aus einer anderen - nichts Gegenteiliges abzuleiten. Diese Regelungen beziehen sich nämlich auf Leistungsansprüche, die - zwar theoretisch - von einem Versicherten nebeneinander erworben werden könnten, wenn verschiedene Versicherungsfälle vorliegen. Da jedoch wie bereits dargestellt aus einem Versicherungsfall des Alters die Leistung nur einmal erworben werden kann, kann dieser Fall eben hier nicht eintreten. Es war jedenfalls der Wille des historischen Gesetzgebers (RV 599 BlgNR. 7. GP, 44; AB 613 BlgNR. 7. GP, 15), daß der Zweck des § 100 Abs 2 ASVG nicht darin liegen könne, mehrere Direktrenten nebeneinander auszuzahlen, vielmehr jeder Anspruch auf eine laufende Leistung aus eigener Pensionsversicherung mit Anfall einer anderen derartigen Leistung erlischt; mehrere direkte Renten können also nicht nebeneinander gebühren. Diese Absicht hat der Gesetzgeber im Rahmen der Neufassung des ersten Satzes des § 100 Abs 2 ASVG durch die 32. Novellle (BGBl 1976/704) dahingehend verstärkt, daß das Erlöschen eines solchen Leistungsanspruches beim Anfall eines anderen Leistungsanspruchs auch wechselseitig zwischen den verschiedenen Pensionsversicherungen zur Wirkung kommen sollte (RV 181 BlgNR. 14. GP, 65; idS auch Scherff/Tuma, ARD Handbuch 156 Anm zu § 100 Abs 2 ASVG).
Eine gegenteilige Ansicht läßt sich auch nicht aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs Slg 12.739/1991 ableiten. Der Verfassungsgerichtshof erblickte dort in der Beitragspflicht nach dem GSVG bei bereits eingetretener Versorgung nach dem ASVG keine Unsachlichkeit und führte wörtlich aus:
"Der VfGH teilt daher die Bedenken der Beschwerde gegen die Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Bestimmungen über die Versicherungspflicht nicht. Solche Bedenken ergeben sich auch nicht aus § 100 Abs 2 ASVG, wonach ein Anspruch auf eine laufende Leistung mit dem Anfall eines Anspruches auf eine andere laufende Leistung erlischt. Selbst wenn diese Bestimmung auf das Erlangen einer zweiten Alterspension (gleich welcher Höhe) anwendbar sein sollte, könnten sich Bedenken nur gegen § 100 Abs 2 ASVG selbst richten, nicht gegen die hier allein präjudizielle Versicherungspflicht weiterbeschäftigter Pensionsbezieher."
Diese Formulierung läßt nicht erkennen, daß der Verfassungsgerichtshof die Ansicht vertritt, es bestehe ein Anspruch auf eine zweite Alterspension, stellt er doch bloß die dort gar nicht entscheidungswesentliche Möglichkeit einer solchen Rechtsauffassung in den Raum.
Schließlich ist noch auf den Versicherungsfall der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer hinzuweisen. Nach § 253 b Abs 1 Z 4 ASVG (§ 131 Abs 1 Z 4 GSVG, § 122 Abs 1 Z 4 BSVG) ist Voraussetzung für diese Alterspension, daß der Versicherte weder der Pflichtversicherung nach dem jeweiligen Bundesgesetz noch einem anderen Sozialversicherungsgesetz unterliegt. Auch die durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991, BGBl 157, eingeführte "Bonifikation" durch Erhöhung der Alterspension bei Aufschub der Geltendmachung des Anspruches (§ 261 b ASVG, § 143 GSVG, § 134 BSVG) war von diesem Gedanken getragen (vgl AB 85 BlgNR. 18. GP, 4).
Aus all dem folgt, daß der Versicherungsfall des Alters durch die Entscheidung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft über die Gewährung der Alterspension an die Klägerin ab 1.1.1982 nicht nur für den Bereich dieses Sozialversicherungsgesetzes, sondern auch für den Bereich der anderen Sozialversicherungsgesetze, speziell des BSVG, abschließend erledigt worden ist. Der Versicherungsfall des Alters kann nach allen Systemen nur einmal eintreten. Nur dann, wenn die Klägerin nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres die Alterspension nicht beantragt hätte, wäre nunmehr die Leistung aus dem Versicherungsfall des Alters von der hier in Anspruch genommenen Beklagten als leistungszuständigem Versicherungsträger - freilich unter Berücksichtigung der seither erworbenen Versicherungszeiten und der sich aus den geleisteten Beiträgen ergebenden veränderten Bemessungsgrundlage - zu gewähren. Da sie jedoch bereits die Alterspension nach dem GSVG in Anspruch genommen hat, ist es ihr verwehrt, aus demselben Versicherungsfall des Alters, nunmehr eben gestützt auf den inhaltsgleichen § 121 BSVG einen identischen Anspruch geltend zu machen.
Gegen dieses Ergebnis bestehen auch keine verfassungsmäßigen Bedenken. Erst jüngst hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14.3.1997, G 392, 398, 399/96-18, veröff. in RdW 1997, 245, Heft 4 a (betreffend die Werkverträge und freien Dienstverträge) unter Hinweis auf zahlreiche Vorjudikate daran festgehalten, daß in der Sozialversicherung nicht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung gilt, sodaß auch - ohne daß dies verfassungsrechtlich auf Bedenken stoße - in Kauf genommen werden müsse, daß es in manchen Fällen trotz Leistung von Pflichtbeiträgen zu keiner Versicherungsleistung komme, sodaß auch gegen eine sich aus der Zugehörigkeit einer Person zu mehreren Berufen ergebenden Mehrfachversicherung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden. Aus dieser Rechtsprechung folgerte der Verfassungsgerichtshof weiters, daß der Gesetzgeber auch nicht von Verfassungs wegen gehalten wäre, Beiträge zurückzuerstatten, die aus mehreren versicherungspflichtigen Beschäftigungen zu Beitragsleistungen geführt haben. Angesichts dieser aktuellen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs hegt der Oberste Gerichtshof keine für verfassungsrechtliche Bedenken, die ihn zu einem Antrag auf Gesetzesprüfung veranlassen könnten (ebenso 10 ObS 2315/96f).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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