Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Text
Begründung
Die am 3.5.1929 geborene Klägerin erlitt im September 1994 einen Schlaganfall mit daraus folgender Halbseitenlähmung rechts, Sprachstörung und Inkontinenz. Auf Grund dieses Zustandes erhielt sie ab 1.10.1994 von der beklagten Partei Pflegegeld in Höhe der Stufe 4.
Mit Bescheid vom 13.2.1996 setzte die beklagte Partei das Pflegegeld mit Wirkung vom 1.4.1996 auf ein solches der Stufe 3 herab, weil sich der seinerzeitige Pflegebedarf verringert habe.
Die Klägerin begehrte die Weitergewährung des Pflegegeldes in der bisherigen Höhe. Ihr Pflegebedarf habe sich nicht wesentlich geändert. Im Verlauf des Verfahrens dehnte sie ihr Begehren dahin aus, daß das Pflegegeld ab 1.4.1996 auf ein solches der Stufe 5 erhöht werde.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 1.4.1996 Pflegegeld der Stufe 5 zu zahlen. Es ging davon aus, daß im Fall der Klägerin nach § 8 Z 3 Einstufungsverordnung zum BPGG (EinstV) ein Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden und darüber hinaus ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand anzunehmen sei, weil sie zur Fortbewegung überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen und ein deutlicher Ausfall von Funktionen der oberen Extremitäten gegeben sei.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren auf ein höheres Pflegegeld als ein solches der Stufe 3 abwies. Es verneinte einen deutlichen Ausfall von Funktionen der oberen Extremitäten, weil die Klägerin nach den Feststellungen noch in der Lage sei, sich - wenn auch verlangsamt - selbständig in den Rollstuhl zu setzen, indem sie sich mit der gesunden (linken) Hand am Sofa festhalte. Pflegegeld der Stufe 5 stehe erst dann zu, wenn wegen des Ausfalls von Funktionen der oberen Extremitäten auch für das Besteigen und Verlassen des Rollstuhls eine Pflegeperson erforderlich sei. Da die Klägerin nun nicht mehr an Inkontinenz leide, stehe ihr auch nicht Pflegegeld der Stufe 4, sondern nur nach § 8 Z 1 EinstV ein solches der Stufe 3 zu.
Die Revision der Klägerin ist im Sinne eines in ihrem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Entscheidend für die Einstufung der Klägerin nach § 4 Abs 2 BPGG ist nach der bereits zitierten Bestimmung des § 8 Z 3 EinstV, ob ein deutlicher Ausfall von Funktionen der oberen Extremitäten gegeben ist. Diese An- spruchsvoraussetzung kann, wie der Senat wiederholt darge- legt hat (10 ObS 87/97k, 10 ObS 128/97i, 10 ObS 173/97g, zuletzt 10 ObS 266/97h), auch dann angenommen werden, wenn zwar nur ein Arm gelähmt, das heißt praktisch gebrauchsunfähig ist, der (die) Betroffene jedoch nicht mehr in der Lage ist, sich von selbst - also ohne fremde Hilfe - vom Bett in den Rollstuhl zu setzen und umgekehrt. Ist der (die) Betroffene wegen des Ausfalls der Funktionen auch nur einer oberen Extremität dazu nicht mehr in der Lage, dann sind die Voraussetzungen nach § 8 Z 3 EinstV anzunehmen. Auch § 22 Abs 4 der Richtlinien des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger (SozSi 1994, 686 - Amtliche Verlautbarung Nr 120/1994) hält einen Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich und einen außergewöhnlichen Pflegeaufwand (also die Pflegegeldstufe 5) dann für gegeben, wenn "der selbständige Transfer in und aus dem Rollstuhl wegen eines deutlichen Ausfalles der Funktionen der oberen Extremitäten nicht mehr möglich ist." Der Senat hält diese Umschreibung für sachgerecht und legt § 8 Z 3 EinstV in diesem Sinn aus (so auch 10 ObS 128/97i).
Ob die Klägerin in der Lage ist, sich von selbst, also ohne fremde Hilfe vom Bett in den Rollstuhl zu setzen und umgekehrt, ist nach den - insoweit widersprüchlichen - Feststellungen nicht sicher zu beantworten: Einerseits könne sie sich, wenn auch verlangsamt, vom Sofa sich mit der gesunden Hand festhaltend selbständig auf den Rollstuhl setzen, andererseits sei ihr aber das Aufrichten und Umdrehen aus dem Liegen ohne fremde Hilfe nicht möglich. Die Urteile der Vorinstanzen leiden daher an einem Feststellungsmangel, der eine abschließende rechtliche Beurteilung verwehrt. Da es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, war die Sozialrechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.
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