Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der als Monteur in einer Anlagenbaugesellschaft beschäftigte, damals im 53.Lebensjahr stehende Kläger erlitt am 1.6.1988 einen Arbeitsunfall: Er wurde an diesem Tag von einem herabfallenden Rohr am Kopf getroffen und erlitt dabei eine Schädelprellung, möglicherweise auch eine Gehirnerschütterung und eine Rißquetschwunde am Kopf. Für eine Hirnquetschung oder Hirnverletzung besteht kein Anhaltspunkt.
Die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt lehnte mit Bescheid vom 6.12.1989 die Gewährung einer Rente aus Anlaß des genannten Arbeitsunfalles ab, weil eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenbegründendem Ausmaß nicht vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Klage mit dem Begehren, dem Kläger auf Grund des dargestellten Arbeitsunfalls eine Versehrtenrente im Ausmaß von 50 vH der Vollrente ab Antragstellung zu gewähren. Der Kläger habe eine Platzwunde am Kopf erlitten, sei nach dem Unfall bewußtlos gewesen und leide seither an ständigen starken Kopfschmerzen, Schwindelanfällen, Depressionen, Schlafstörungen und an einem stark schwankenden Blutdruck. Nach einem Bescheid des Invalidenamtes bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 %. Bis zu dem Arbeitsunfall sei er gesund und beschwerdefrei gewesen. Es liege daher eine rentenbegründende Erwerbsminderung vor.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die beim Kläger bestehenden Beschwerden depressiver Natur stünden in keinem Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf folgende ergänzende Feststellungen:
Die Narbe an der linken Scheitelgegend ist reaktionslos verheilt, es besteht kein Druckschmerz. In der Kopffunktion sind keine Beeinträchtigungen feststellbar. Die beim Kläger geäußerten subjektiven Beschwerden (Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen) können chirurgischerseits nicht auf das Unfallgeschehen zurückgeführt werden. Der Kläger ist psychisch voll orientiert, gut kontaktfähig und zeigt eine ausgeglichene Affektlage. Die von ihm angegebenen Beschwerden (Depressionszustände) und sein Verhalten sprechen für eine subjektive Überbewertung und neurotische Fixierung. Das psychische Bild ist bis auf die neurotische Fixierung unauffällig. Eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit ist neurologischerseits zum Untersuchungszeitpunkt nicht objektivierbar und auch zu einem früheren Zeitpunkt nicht anzunehmen. Die Beschwerden des Klägers sind nicht unfallbedingt.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß der Arbeitsunfall keine über den Antragstag hinausgehende Minderung der Erwerbsfähigkeit hinterlassen habe. Die Beschwerden des Klägers, soweit sie sich in neurotischen Tendenzen äußerten, seien nicht unfallabhängig. In Anwendung des § 203 Abs 1 ASVG sei daher das auf Gewährung einer Versehrtenrente gerichtete Klagebegehren abzuweisen gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Da nach dem festgestellten Sachverhalt der Arbeitsunfall keine über den Antragstag hinausgehende Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers in medizinischer Hinsicht verursacht habe, habe das Erstgericht die Klage zutreffend abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil vom Kläger erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Der Kläger mißversteht zunächst die Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes ("in Anlehnung an die Adäquanztheorie..."), wenn er meint, es sei fälschlich von der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung allgemein abgelehnten Adäquanztheorie ausgegangen. Wie der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre wiederholt ausgesprochen hat, gilt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der Körperbeschädigung des Versicherten die besondere Kausalitätslehre der gesetzlichen Unfallversicherung, nämlich die Theorie der wesentlichen Bedingung oder wesentlich mitwirkenden Ursache (SSV-NF 2/6, 2/7, 4/83, zuletzt 10 Ob S 207/91 jeweils mwN ua). Der Zusammenhang ist nicht nur zu bejahen, wenn der Unfall die alleinige Bedingung des Körperschadens ist; auch wenn er nur eine von mehreren Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ist (konkurrierende Kausalität), bildet er im Sinne der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre eine Ursache, wenn er eine wesentliche Bedingung für den Körperschaden war. Als Ursache oder Mitursache sind daher unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur die Bedingungn anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben, die also nicht im Hinblick auf Mitursachen so erheblich in den Hintergrund treten, daß sie als unwesentlich erscheinen (in neuester Zeit 10 Ob S 414/90 = SSV-NF 5/22 - in Druck). Die vom Revisionswerber bemängelte Passage ("in Anlehnung an die Adäquanztheorie") wurde vom Berufungsgericht wörtlich aus den Entscheidungsgründen SSV-NF 2/7 (= SZ 61/20 = JBl 1988,399) übernommen und insoweit aus dem Zusammenhang gerissen, weil auch dort, wie bereits dargelegt, die Geltung der Adäquanztheorie verneint wurde.
Auch psychisch bedingte Gesundheitsstörungen, die im Anschluß an einen Unfall auftreten, können Unfallfolgen im Rechtssinn sein. Unter Neurosen versteht die medizinische Auffassung seelische oder psychische Störungen ohne organische Veränderungen des Körpers oder des Nervensystems (vgl Lauterbach, Unfallversicherung3 47.Lfg 94/1; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter 114/8 jeweils unter Hinweis auf BSG Band 18, 173). Die Vorinstanzen haben auf Grund von ärztlichen Gutachten festgestellt, daß die Beschwerden des Klägers, soweit sie sich in neurotischen Tendenzen äußern, nicht unfallabhängig sind. Diese Feststellung beruht insbesondere auch auf dem neurologischen Gutachten (ON 8). Wenn derselbe Sachverständige bei der mündlichen Erörterung dieses Gutachtens ausführte, es handle sich bei den geschilderten Beschwerden nicht um "adäquate" Folgen eines derartigen Schädeltraumas, dann lag in diesen Ausführungen eine vorweggenommene rechtliche Beurteilung, zu der der Sachverständige nicht berufen war. Die Vorinstanzen haben diese Aussage auch in freier richterlicher Beweiswürdigung nicht voll übernommen, das Berufungsgericht hat vielmehr ausgeführt, die Meinung des Sachverständigen enthalte nichts anderes, als daß der Arbeitsunfall für die neurotischen Beschwerden des Klägers nicht ursächlich sei. Da das Erstgericht dies ohnehin festgestellt habe, könne von einer mangelhaften Tatsachenfeststellung keine Rede sein. An diese Tatsachenfeststellung ist aber der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, gebunden. Die Frage, ob bestehende Beschwerden in medizinischer Sicht Folgen eines Unfalls sind, also die Feststellung der sogenannten natürlichen Kausalität, gehören ebenso zum Tatsachenbereich wie die Frage, inwieweit die Erwerbsfähigkeit aus medizinischer Sicht gemindert ist. So weit die Revision die natürliche Kausalität in Frage zu stellen versucht, geht sie nicht von den getroffenen Tatsachenfeststellungen aus.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit.b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den unterlegenen Kläger aus Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.
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