Spruch:
Der Revision des Klägers wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 2.1.1959 geborene Kläger leidet an einem hochgradigen organischen Psychosyndrom nach einem Schädel-Hirn-Trauma in der Kindheit. Er wird in der sozialtherapeutischen Wohnstätte "Marienhöhe" in L***** psychosozial in der Form betreut, daß dort versucht wird, mit den Heiminsassen eine Großfamilie zu bilden. Seine therapeutische Betreuung bezieht sich in erster Linie auf den psychischen Bereich und dient der Erhaltung der Lebensqualität unter Förderung seiner Fähigkeiten, wobei im Hinblick auf seine geringen kognitiven und sozialen Defizite nur ein Pflegebedarf von etwa 2 Stunden täglich ausreichend ist, um ein soziales Abgleiten zu verhindern. Darüber hinaus ist der Kläger jedoch in der Lage, sämtliche in § 1 der Einstufungsverordnung (EinstV) zum Kärntner Pflegegeldgesetz (KtnPGG) aufgezählten Verrichtungen selbständig vorzunehmen und benötigt hiefür auch keine Anleitung.
Mit dem bekämpften Bescheid vom 23.8.1995 erkannte das beklagte Land dem Kläger ab 1.11.1993 ein Pflegegeld der Stufe 1 zu.
Mit seiner Klage stellte der Kläger das Begehren auf Zuerkennung eines höheren Pflegegeldes.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, verpflichtete jedoch die beklagte Partei zur Zahlung der Prozeßkosten. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß der Kläger, der sämtliche lebenswichtigen Verrichtungen selbständig durchführen kann, zwar eine sozialtherapeutische Betreuung benötige, um ein soziales Abgleiten zu verhindern, hiefür allerdings keinen über die Pflegegeldstufe 1 hinaus erforderlichen Zeitaufwand in Ansatz bringen könne.
Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung keine Folge. Es führte - ergänzend - aus, daß nur mit den Verrichtungen laut Aufzählung der EinstV in Verbindung stehende psychische Betreuungen bzw Betreuungsgespräche von der Pflegegeldregelung erfaßt würden. Insoweit bestünden gegen diese Verordnung auch keine Bedenken in Richtung einer Gesetzwidrigkeit derselben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben (wobei nicht angeführt wird, welche höhere Pflegegeldstufe konkret begehrt wird); des weiteren wird angeregt, die Bestimmung des § 4 Abs 5 Z 1 KtnPGG wegen Verfassungswidrigkeit gemäß Art 140 Abs 1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof anzufechten. Die Revision ist (nach Bewilligung der Wiedereinsetzung durch das Erstgericht) rechtzeitig und gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Nach Auffassung des Revisionswerbers seien geistig behinderte Personen in ganz besonderer Weise auf eine begleitende Kontrolle und ständige Betreuung angewiesen, um selbst in die Lage versetzt zu sein, die Verrichtungen des täglichen Bedarfes ohne Hilfe anderer Personen zu verrichten. Insoweit seien körperlich und geistig behinderte Personen nicht gleichgestellt, was gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 7 B-VG verstoße. Außerdem sei die Verordnungsermächtigung des § 4 Abs 5 KtnPGG nicht ausreichend bestimmt und verstoße damit gegen das Legalitätsprinzip des Art 18
B-VG.
Hiezu ist folgendes zu erwidern:
Rechtliche Beurteilung
§ 4 Abs 5 Z 1 des am 1.7.1993 in Kraft getretenen KtnPGG LGBl 1993/76 ermächtigt die Landesregierung zur Definition der Begriffe "Betreuung" und "Hilfe" mittels Verordnung. Diese Bestimmung korrespondiert damit wörtlich mit der Verordnungsermächtigung für den Bundesminister für Arbeit und Soziales in § 4 Abs 5 (nunmehr Abs 3) des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG). Von diesen Verordnungsermächtigungen haben sowohl der Bund (EinstV BGBl 1993/314) als auch das Land Kärnten (EinstV LGBl 1993/84) Gebrauch gemacht. Wortgleich werden die Begriffe der "Betreuung" im jeweiligen § 1, jener der "Hilfe" in § 2 umschrieben. Darüber hinaus sehen die §§ 4 beider Einstufungsverordnungen - wiederum wortgleich - vor, daß "die Anleitung sowie die Beaufsichtigung von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung bei der Durchführung der in den §§ 1 und 2 angeführten Verrichtungen der Betreuung und Hilfe selbst gleichzusetzen ist". Entgegen der Argumentation des Revisionswerbers vermag der Senat keinen Verstoß gegen die hinreichende Fundierung und damit Verfassungskonformität der Vorgaben des § 4 Abs 5 Z 1 KtnPGG zu erkennen. Das rechtsstaatliche Prinzip findet ua seinen Ausdruck in der Bindung der gesamten Vollziehung an inhaltlich bestimmte Gesetze (Art 18 Abs 1 B-VG; Walter/Mayer, Grundriß des Bundesverfassungsrechts7, Rz 166 und 569). Der Oberste Gerichtshof hat zuletzt in der Entscheidung SSV-NF 10/3 gegen die Gesetzmäßigkeit der Bestimmungen des § 2 Abs 2 und 3 der EinstV (des Bundes) verfassungsmäßige Bedenken ausdrücklich verneint. Die Konkretisierungskompetenz des § 4 Abs 3 BPGG an den Bundesminister für Arbeit und Soziales sowie des § 4 Abs 5 KtnPGG (trotz Aufhebung der vorangehenden Absätze 3 und 4 durch die Novelle LGBl 1995/67 wurde die Absatzzählung der Gesetzesstelle beibehalten) wird auch von Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich, 178 für unbedenklich erachtet. Er verweist darauf, daß das neue Begriffspaar dem in § 105a ASVG (aF - betreffend Hilflosenzuschuß) enthaltenen der "Wartung und Hilfe" entspricht (hiezu ausführlich SSV-NF 1/46 = SZ 60/223 sowie VfGH Slg 12.244). Eine derartige Determinierung erscheint nach Auffassung des Senates im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung ausreichend. Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof auch seit Inkrafttreten der Einstufungsverordnungen sowohl des Bundes als auch der einzelnen Bundesländer hiegegen nie verfassungsrechtliche Bedenken gehegt, sondern diese in einer Vielzahl (großteils auch veröffentlichter) Entscheidungen stets als unbedenklich zugrundegelegt. Insoweit ist dem Berufungsgericht in seiner Begründung hiezu ebenfalls zu folgen (§ 48 ASGG).
In der Entscheidung 10 ObS 187/97s hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst bei einem durchaus ähnlichen Sachverhalt (53-jährige, an einer Psychose mit Defektzustand leidende Frau, die nach den Feststellungen von einer Pflegeperson "rund um die Uhr" betreut wird, der jeder Handgriff im Haushalt vorher gesagt werden muß und für die eine Person benötigt wird, welche die Tagesstruktur für sie einteilt und kontrolliert sowie sie zu sinnvollen Tätigkeiten motiviert und anleitet, um ein "Entgleiten" zu verhindern) ausgesprochen, daß für eine sich ausschließlich auf nicht in den §§ 1, 2 EinstV erfaßte (sonstige) Lebensbereiche eines Betroffenen (erstreckende) therapeutische Betreuung eine pflegegeldrelevante Rechtsgrundlage fehlt. § 4 der EinstV (sowohl des Bundes als auch des Landes Kärnten, hinsichtlich letzterer siehe auch 10 ObS 57/97y) sieht nur eine Gleichwertigkeit der Anleitung und Beaufsichtigung von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung bei der Durchführung der in den §§ 1 und 2 leg cit näher angeführten Verrichtungen der Betreuung und Hilfe vor; nach den für den Obersten Gerichtshof maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen ist der Kläger hier jedoch - und zwar noch mehr als die Klägerin im zitierten Verfahren 10 ObS 187/97s, welche ohne Anleitung und Motivation immerhin ihre Mahlzeiten einnehmen, die Notdurft verrichten und die im Haus ihrer Mutter gelegene Wohnung beheizen konnte - sogar in der Lage, überhaupt sämtliche der im § 1 EinstV aufgezählten Verrichtungen selbständig und ohne Anleitung vorzunehmen. Wenn daher - mangels Übersteigens eines zumindest 75 Stunden betragenden monatlichen Pflegebedarfes - das auf Gewährung eines Pflegegeldes über die Stufe 1 hinausgehende Klagebegehren abgewiesen wurde, ist hierin keine rechtliche Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht zu erblicken.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidumg stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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