Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 22. 2. 1971 geborene Kläger bezog aufgrund des Bescheides vom 8. Februar 1989 über das 18. Lebensjahr hinaus wegen Fortdauer der Schulausbildung (Besuch einer Handelsakademie) eine Waisenrente im gesetzlichen Ausmaß. Mit Schreiben vom 10. 6. 1990 informierte die beklagte Partei den Kläger von der vorsorglichen Sistierung der Waisenrente ab 1. 7. 1990 mit dem Ersuchen, das genaue Datum des Schulendes mittels Maturazeugnisses nachzuweisen und den Beginn des Präsenzdienstes mitzuteilen. Mit Schreiben vom 20. 6. 1990 ersuchte der Kläger um die Weitergewährung der Waisenrente bis Ende September 1990, da er die Reifeprüfung in "Deutsch" nicht bestanden habe und voraussichtlich Anfang Oktober 1990 zur Nachprüfung antreten müsse. Gleichzeitig übermittelte er den Einberufungsbefehl für den 1. 10. 1990 zur Ableistung des Grundwehrdienstes. Am 17. 9. 1990 legte der Kläger die schriftliche Nachprüfung ab. Am 1. 10. 1990 rückte er in Entsprechung des Einberufungsbefehles zum Bundesheer ein und war ab diesem Zeitpunkt durch die Ableistung des Präsenzdienstes überwiegend in Anspruch genommen. Nur außerhalb der Dienstzeit konnte sich der Kläger noch in den Abendstunden teilweise auf die mündliche Nachprüfung vorbereiten, die er schließlich am 15. 10. 1990 mit Erfolg ablegte. Nach Übermittlung des Maturazeugnisses wurde dem Kläger schließlich für die Zeit vom 1. 7. bis 30. 9. 1990 die Waisenrente in Form einer Nachzahlung überwiesen; das Begehren auf Gewährung der Rente ab 1. 10. 1990 wurde abgewiesen.
Das Erstgericht wies das auf Gewährung der Waisenrente für den Monat Oktober 1990 erhobene Begehren des Klägers ab. Im Hinblick auf den seit 1. 10. 1990 abgeleisteten Grundwehrdienst könne von einer überwiegenden Beanspruchung des Klägers durch die Schulausbildung ab diesem Zeitpunkt nicht mehr die Rede sein. Der Wehrdienst beginne mit dem Beginn des Einberufungstages. Eine überwiegende Beanspruchung des Klägers durch das Lernen für die mündliche Prüfung in der Freizeit während des Grundwehrdienstes scheide nach dem 30. 9. 1990 aus; es bestehe daher keine Grundlage, die Waisenrente über diesen Zeitpunkt hinaus weiterzugewähren.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, wobei es im wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes beitrat. Entziehungsgrund sei hier der Wegfall der Kindeseigenschaft. Diese sei dadurch weggefallen, daß eine die Arbeitskraft überwiegend beanspruchende Schulausbildung nicht mehr vorgelegen sei, was im Hinblick auf den Beginn des Präsenzdienstes am 1. 10. 1990 mit Ende des Monats September 1990 der Fall gewesen sei. Mit Ablauf dieses Monats habe sich der Kläger nicht mehr in einer seine Arbeitskraft überwiegend beanspruchenden Schulausbildung befunden und es sei daher mit diesem Zeitpunkt die Entziehung der Waisenrente wirksam geworden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Den Kindern des Versicherten im Sinn des § 252 Abs 1 Z 1 bis 4 und Abs 2 ASVG, dessen Tod durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht wurde, gebührt nach § 218 Abs 1 ASVG eine Waisenrente. Gemäß § 252 Abs 2 Z 1 ASVG besteht die Kindeseigenschaft auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres weiter, wenn und solange sich das Kind in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft liegt dann vor, wenn der Schulbesuch bzw die Berufsausbildung unter Einschluß der für die Aufarbeitung des Lehrstoffes und die Fahrt zum und vom Schul- oder Ausbildungsort ein solches Maß an Zeit erfordert, daß eine allenfalls daneben ausgeübte sonstige Tätigkeit in den Hintergrund treten muß (in diesem Sinne SSV-NF 2/35). Dies trifft für die Zeit des Präsenzdienstes nicht zu. Der Wehrpflichtige ist in dieser Zeit zur Gänze in die Organisation des Bundesheeres eingebunden. Das Schwergewicht der Inanspruchnahme seiner Person liegt dabei in der Erfüllung der mit der Ableistung des Wehrdienstes verbundenen Pflichten. Die überwiegende Inanspruchnahme der Arbeitskraft durch eine Schul- oder Berufsausbildung kann während dieser Zeit nicht in Frage kommen. Für die Zeit der Erfüllung des Wehr- oder Zivildienstes ist die Kindeseigenschaft gemäß § 252 Abs 2 Z 1 ASVG nicht anzunehmen (in diesem Sinn auch die bei Gehrmann-Rudolf-Teschner
ASVG 49. ErgLfg 1272 f wiedergegebene Praxis der PVAng). Dem hat der Gesetzgeber in der Fassung vor der 44. ASVG-Novelle dadurch Rechnung getragen, daß er die Erfüllung des Wehr- oder Zivildienstes ausdrücklich als ein die Kindeseigenschaft über das 26. Lebensjahr hinaus verlängerndes Hindernis normierte. Die durch die 44. ASVG-Novelle eingetretene Änderung im § 252 Abs 2 Z 1 ASVG (für ab 1. 1. 1970 geborene Kinder) besteht darin, daß die Studiendauer nicht "ohne wichtige Gründe" überschritten werden darf. Nunmehr kommen als wichtige Gründe auch die im § 2 Abs 4 Studienförderungsgesetz angeführten Gründe (aufwendige wissenschaftliche Arbeiten, Studien im Ausland etc) in Betracht (Gehrmann-Rudolf-Teschner aaO 52. ErgLfg 1276). Die Verlängerungsgründe des § 252 Abs 2 Z 1 ASVG wurden damit durch die Novelle erweitert. Daneben sind aber die bis zum Inkrafttreten der Novelle maßgebenden Gründe und damit auch die Erfüllung der Wehr- oder Zivildienstpflicht weiterhin als die Kindeseigenschaft verlängernde Umstände zu qualifizieren. Der Grund hiefür liegt darin, daß eben während der Wehr- oder Zivildienstpflicht eine volle Studien- oder Berufsausbildung nicht denkbar ist. Da während der Zeit der Ableistung des Präsenzdienstes Kindeseigenschaft nicht vorlag, gebührt die Waisenpension für diese Zeit nicht.
Der Kläger hat den Präsenzdienst am 1. 10. 1990 angetreten. Er vertritt die Ansicht, daß der Entziehungsgrund am 1. 10. 1990 eingetreten sei und die Leistung daher noch für das Monat Oktober 1990 gebühre. Dem kann nicht beigetreten werden. Die zu 10 Ob S 397/90 vertretene Ansicht wird nicht aufrecht erhalten. Gemäß § 99 Abs 3 ASVG wird die Entziehung einer Leistung, wenn der Entziehungsgrund in der Wiederherstellung oder Besserung des körperlichen oder geistigen Zustandes des Anspruchsberechtigten gelegen ist, mit dem Ablauf des Kalendermonats wirksam, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, in allen anderen Fällen mit dem Ende des Kalendermonats, in dem der Entziehungsgrund eingetreten ist. Gemäß § 37 Abs 1 Wehrgesetz beginnt die Dienstzeit der zur Leistung des Präsenzdienstes im Bundesheer Einberufenen mit dem Tag, für den sie einberufen sind. Damit ist dieser gesamte Tag ab 0 Uhr Zeit der Ableistung des Präsenzdienstes. Wie dargestellt besteht die Kindeseigenschaft und damit der Anspruch auf die Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus, wenn und solange sich das Kind in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt. Der Grund für die Entziehung der Waisenrente des Klägers ist nicht der Antritt des Präsenzdienstes, sondern worauf die Vorinstanzen bereits zutreffend hingewiesen haben, die Beendigung der Schulausbildung in der durch § 252 Abs 2 Z 1 ASVG für maßgeblich erklärten Form. Die die Arbeitskraft des Klägers überwiegend in Anspruch nehmende Schulausbildung wurde jedoch mit Ablauf des 30. 9. 1990 beendet. Der Entziehungsgrund im Sinne des § 99 Abs 3 ASVG ist mit Ablauf dieses Tages und daher am 30. 9. 1990, 24 Uhr eingetreten. Ein Anspruch auf Waisenrente besteht daher über den Monat September 1990 hinaus nicht. Wollte man § 99 Abs 3 ASVG in dem vom Kläger gewünschten Sinn verstehen, so führte dies dazu, daß die Leistung noch für einen ganzen Monat gebührt, in dem jedoch zu keinem Zeitpunkt die Voraussetzungen für den Anspruch gegeben waren. Ein derartiges Ergebnis kann aber aus dem Gesetz nicht abgeleitet werden. Der Wortlaut des § 99 Abs 3 ASVG kann nur dahin verstanden werden, daß in den von dieser Bestimmung erfaßten Fällen die Leistung für den gesamten laufenden Monat gebührt, wenn der Entziehungsgrund im Lauf dieses Moants weggefallen ist. Dies traf aber im Fall des Klägers, der ab 1. 10. 1990, 0 Uhr Präsenzdiener war, nicht zu.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich solche Gründe aus dem Akt.
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